Null Acht Neun:Nur Bares ist Wahres

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Wer heute nicht mit Scheckkarte oder Smartphone zahlt, macht sich ja schon verdächtig. Dabei gibt es durchaus sehr gute Gründe, Einkäufe bar zu bezahlen

Von Wolfgang Görl

Generell ist die Schlange vor der Supermarktkasse ein Ort des Grauens, schon weil man immer in der Reihe steht, bei der es am längsten dauert. Aber das ist ein uraltes Ärgernis, daran hat man sich gewöhnt. Mittlerweile warten aktuellere Demütigungen an der Kasse, solche, die so niederschmetternd sind, dass man wünscht, man käme nie an die Reihe. Aber diese wird unerbittlich kleiner, nur noch fünf Kunden stehen vor einem. Das Unheil nimmt seinen Lauf: Der erste, so ein Maklertyp, zahlt mit Karte. Der nächste, offenbar Dachdecker, dem der halbe Hintern aus der Hose lugt, zahlt seine Leberkässemmel auch mit Karte. Dass die folgenden Kundinnen, Typ Karrierefrauen, ebenfalls mit Karte zahlen, ist ohnehin klar. Bleibt als letzte Hoffnung die alte Dame. Früher haben solche Frauen ihr Portemonnaie vor der Kassiererin ausgeleert, welche die Münzen dann einzeln abgezählt hat. Und was macht diese Unglücksseniorin? Zahlt mit dem Smartphone. Und jetzt ist man selbst an der Reihe. Ohne Karte.

Ohne Bezahl-App. Nur mit Bargeld. Die Kassiererin blickt irritiert, als wollte sie signalisieren: Ein Mensch ohne Kreditkarte, ohne Scheckkarte, ohne Handy - da stimmt doch was nicht! Die abgezählten 7,95 Euro nimmt sie mit einer Miene entgegen, als würde man ihr einen Kuhfladen in die Hand drücken. Auch die Kunden tuscheln, den Satzfetzen ist zu entnehmen, dass man im Verdacht steht, den Opferstock einer Kirche ausgeraubt zu haben. Auf ihren Gesichtern steht geschrieben: Wie kann einer so vorgestrig sein, noch mit Bargeld zu bezahlen? Und sie haben ja recht: Wie kann man nur? Womöglich ist man ja so ein Typ wie Dagobert Duck, der Banknoten und Münzen derart liebt, dass er darin badet. Und gehörte man nicht zu denjenigen, die, als es noch keinen Euro gab, an der italienischen Grenze die eben eingetauschten 100 000-Lire-Lappen gegen die Nase hielten, weil sie nach Sonne, Strand und Pasta dufteten? Okay, so einen Schein in Alkohol zu legen und daraus ein Dolce-vita-Gefühle weckendes Parfüm zu destillieren, war vielleicht übertrieben.

Mittlerweile hat Italien die 1- und 2-Cent-Münzen abgeschafft, bald wird es auch dort so zugehen wie in Schweden, wo es praktisch nur noch Plastikgeld gibt. Leider kommt ja alles, was in Schweden umgeht, über kurz oder lang nach München, das war ja schon mit dem Knäckebrot so, mit dem König Gustav Adolf oder den Billy-Regalen. Klar, es ist schon lässig, seine 13 Pils in "Gitti's Stüberl" mit dem Handy zu bezahlen, aber dann weiß auch die Bank, dass man wieder in "Gitti's Stüberl" war und macht sich womöglich Sorgen. Das will man seinem Herzensbanker nicht antun, der ohnehin schon geschlagen ist mit dem überflüssigen Bargeld, das er entsorgen muss. Die Schweden sind da schon weiter: Sie pressen ihre Banknoten zu Knäckebrot.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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