Null Acht Neun:Müll und Trennung

Der Umgang mit dem Abfall verrät vieles: etwa, welcher Partei jemand zuneigt. Oder ob man gerade dabei ist, seine Beziehung in die Tonne zu treten

Von Wolfgang Görl

Vor 125 Jahren wurde die städtische Müllabfuhr gegründet, weshalb es Ehrensache war, dem Müllmann unseres Vertrauens zum Jubiläum einen Blumenstrauß zu überreichen. Er hat sich sehr gefreut und die Tulpen, die trotz abgefallener Blütenblätter recht ansehnlich waren, mit seligem Lächeln in die Biotonne geworfen, für die aber der Kollege der nächsten Schicht zuständig war. Prima, dann hatte der auch etwas davon. Wäre es nicht so gefährlich, derzeit Gedichte vorzutragen, hätte man den Mann noch mit dem ergreifendsten Müllpoem erfreut, das die deutsche Lyrik hervorgebracht hat. "Chor der Müllmänner" heißt es, und in seiner knappen, aufs Wesentliche verdichteten Form ist es ein herausragendes Beispiel moderner Dichtkunst: "Auf, auf und auf! Lasst uns von Tonne zu Tonne eilen, / Wir wollen dem Müll eine Abfuhr erteilen!" Heinz Erhardt hat es geschrieben und dabei so viele Metaebenen eingebaut, dass eine Anzeige wegen Schmähkritik nur geringe Aussichten hätte.

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