Stadtviertel:Ist das schon Schwabing oder noch Milbertshofen?

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Viel Grün, wenig Graffiti: Es gibt Harlachinger, die trotzdem partout keine Harlachinger sein wollen, sondern Giesinger. (Foto: Claus Schunk)

So manchen Viertel-Bewohnern ist ihre Zugehörigkeit manchmal nicht so ganz klar. Dabei wollen sie doch alle eigentlich gerne Harlachinger sein.

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Wenn die Münchner erzählen, in welchem Viertel sie zu Hause sind, streifen sie oft haarscharf die Lüge, ganz ohne böse Absicht. Die Leute aus dem südlichen Milbertshofen glauben zum Beispiel fest daran, dass sie Schwabinger sind; Schwabing ist schließlich "kein Ort, sondern ein Zustand", wie schon die Gräfin zu Reventlow wusste.

Die Ramersdorfer geben sich als Haidhausener aus, wenn sie es mit der Selbstgentrifizierung ernst meinen. Die Daglfinger wiederum sind stolz, dass sie einen Platz in Bogenhausen gefunden haben, selbst wenn ihre Kleinimmobilie direkt hinter der Galopprennbahn steht.

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Der Vorschlag, in Schwabing auszugehen, ist in etwa so beliebt wie eine Einladung in eine Großraumdisco. Der Vorwurf: Zu selbstverliebt, zu eitel, zu reich. Aber das wird schon wieder.

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Und dann gibt es die Harlachinger, die partout keine Harlachinger sein wollen, sondern Giesinger. Giesing, das ist ein hippes Versprechen mit Bars, Buchläden, Graffiti an den Wänden und ein paar letzten schmutzigen Ecken. Ein Leben diesseits des Mittleren Rings! Harlaching dagegen: Chillen im Überfluss. Man ist halt angekommen, irgendwie, und dann bewegt man sich auch meist nicht mehr weg, es sei denn, es ist Ferienzeit, dann befindet sich halb Harlaching in Kitzbühel.

Nach 22 Uhr, wenn die letzten Lieferdienste ihre Pakete im Viertel verteilt haben, herrscht hier Carport-Stimmung, lediglich im Schaufenster des FC-Bayern-Fanshops und beim Griechen in der Rotdornstraße, dem letzten Vorposten urbaner Lebensfreude, brennt noch Licht.

Wann merkt man, dass man, langsam und eher widerwillig, auf dem besten Wege ist, selbst ein Harlachinger zu werden? Spätestens wenn man es gar nicht mehr erwarten kann, dass der Tennis Kail wieder seine Außenplätze eröffnet. Beim Tennis Kail am Perlacher Forst trifft man die Ureinwohner dieses Viertels. Phänotypisch bewegen sie sich zwischen dem späteren Björn Borg und dem jüngeren Gustl Bayrhammer, was sie aber nicht daran hindert, einem die Bälle um die Ohren zu hauen.

Sie spielen einfach immer weiter, jedes Frühjahr aufs Neue, obwohl die Münchner Immobilienmafia das ganze Tennisgelände am liebsten in Luxusparzellen verwandeln würde. Doch die Altharlachinger Bohème hat auch ihren Stolz, für sie ist das Leben ein endloses Schleiferlturnier: so cool, abgezockt und sonnenverwöhnt möchte man mal sein, irgendwann.

Bis es so weit ist, kann man ja weiter so tun, als sei man gar nicht von hier.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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