Null Acht Neun:Gefährliche Gaudi

Es kann für die Eheanbahnung hilfreich sein, wenn man dem Partner zunächst inkognito begegnet. Eine Verkleidung kann in anderen Lebenssituationen aber auch fatale Folgen haben

Kolumne von Rudolf Neumaier

Für den französischen König Charles VI. suchten die international operierenden Partnervermittlungs-Agenturen eine ganz besonders aparte Kandidatin aus. Elisabeth stammte aus der schon damals schönsten Stadt der Welt, aus München. Doch der junge Charles misstraute ihrem Parship-Profil. Als der bayerische Brauttransport im Juli 1385 mit Pomp und Tätärä in Paris ankam, verkleidete er sich als Mann aus dem Volk, mischte sich unter die Leut' und schaute sich das Mädchen erst mal aus der Ferne an. Ihr Äußeres begeisterte ihn, am liebsten hätte er sie gleich niedergeschmust - was die Security verhinderte, indem sie den wilden Burschen mit einem Tritt in den Hintern verjagte. Die Sache ging bekanntlich gut aus, Charles und Elisabeth, von da an Isabeau, liebten sich gar sehr. Was lernen wir daraus? Für die Eheanbahnung ist Mummenschanz eine treffliche Methode.

Gerade bayerische Herrscher und Thronanwärter hatten schon lange vor vereidigten Faschingsprinzen wie Günther Beckstein und Markus Söder einen Mordsspaß an der Verwandlung. War Max I., der große Kurfürst, als Jugendlicher noch aus Sicherheitsgründen unter falscher Identität zum Papst nach Rom gereist, wollte es Karl Albrecht im Jahr 1716 richtig krachen lassen. Karneval in Venedig! Das war Tanz, das war Oper, das war Party. Zwecks der Gaudi reiste Kurprinz Karl Albrecht als Graf von Trausnitz - ein besonders kecker Akt der Selbsterniedrigung. Das ist ungefähr so, als suchte sich Kanzlerin Merkel einen Namen aus dem Telefonbuch aus, sagen wir mal Christa Bächle, um den Geschäftsfrauen vom Viktualienmarkt beim Tanzen zuzuschauen und anschließend zur Polonaise im Stadtcafé abzuzappeln.

Kann aber auch mal gründlich in die Hose gehen, so ein Inkognito-Auftritt, das darf nicht verschwiegen werden. Übel erwischte es zum Beispiel Oskar Maria Graf: Der Schriftsteller verkleidete sich im Fasching als Bauernschrank, und wer die Tür öffnete, blickte auf seinen entblößten Hintern. Der Überlieferung nach wurde der Narr dafür eingesperrt - wenn auch zum Glück nicht so lang wie der englische König Richard Löwenherz, der 13 Monate brummte. Er hatte sich als Pilger verkleidet, um unerkannt durch Europa zu reisen. Schon in der Steiermark entlarvten sie ihn. Warum Richard nicht einmal die Österreicher übertölpeln konnte, darüber rätseln Historiker und Maskenbildner seit 800 Jahren. Neue These: Der Mann, ein Brit-Proll ersten Ranges, hatte schlichtweg vergessen, seine Bulldoggen-Tattoos zu überschminken und die Krone abzusetzen. In München wird dieses Königs jeden Fasching gedacht. Als Urvater der Damischen Ritter.

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