Null Acht Neun:Einer geht, einer bleibt

Dirigent Petrenko wechselt nach Berlin, Sportdirektor Poschner aber nicht. Beides ist sehr bedauerlich

Von Rudolf Neumaier

Zwei Personalien betrüben in dieser Woche das Münchner Gemüt. Ein Direktor geht, ein Direktor bleibt. Wäre es umgekehrt, dann wäre die Welt wieder - beziehungsweise weiterhin - in Ordnung. Aber Kirill Petrenko ist der, der geht, und Gerhard Poschner ist der, der bleibt. Beides sehr bedauerlich.

Jetzt könnte Petrenko mit Recht sagen, es sei eine Sauerei, mit Poschner in einem Satz erwähnt zu werden. Schließlich spielt er in der obersten Weltspitze, er bildet sie gleichsam selbst. Als Generalmusikdirektor des Nationaltheaters ist er Musikchef im mit Abstand aufregendsten Opernhaus in der mit Abstand musikalischsten Stadt mit dem mit Abstand kompetentesten Opernpublikum der Welt. War ja klar, dass die Berliner Philharmoniker ihn als Chef wollen.

Die Münchner Musikseele schmerzt das, keine Frage. Aber aus dem Takt bringt es die Stadt dann doch nicht ganz, weil ihre Klassiksparte mit Musikern wie Mariss Jansons und dem Shootingstar Kevin John Edusei vorerst gut besetzt bleibt. Und generell hat München mit Willy Michl und der Spider Murphy Gang schon so nachhaltig zum Gedeihen der deutschen Musikkultur beigetragen, dass man sagen kann: Haken wir Petrenkos Wechsel großzügig als Ländermusikausgleich ab, gönnen wir auch den Berlinern mal ein Genie.

Denn das ist Kirill Petrenko: ein genialer Künstler. Aber Gerhard Poschner - was ist der eigentlich? Zeitungen nennen ihn Sportdirektor des TSV 1860 München. Er verdient eine Menge Geld, indem er seit einem Jahr einem reichen Jordanier vorgaukelt, besonders viel von Fußball zu verstehen. Allein, Poschner engagierte Spieler, die den Ball fürchten oder nicht laufen wollen. Oder beides. Und er verpflichtete einen Trainer, den er in aller Öffentlichkeit etwas von Aufstieg faseln ließ.

Nur verstand der auch nicht mehr von Fußball als Poschner, der mit seinen blamablen Personalien als gigantische Lachnummer in die Geschichte dieses an tragikomischen Episoden nicht armen Vereins eingehen wird. Wie wenn einer einen Horrorwitz erzählt, und plötzlich ist dieser Horrorwitz Realität - so ist Sechzig. Der Gipfel war eine Demonstration der Fans gegen Gerhard Poschner, doch der lispelt etwas von "Verantwortung übernehmen". Und er wirkt dabei so elanvoll wie eine eingetrocknete Kontaktlinse nach einer durchzechten Nacht. Willkommen im Giesinger Witzfigurentheater, die Farce geht weiter!

Das Reservoir an Defätismus ist zwar unerschöpflich beim klassischen Löwen-Fan, aber sollte er in Poschners seelenquälender Amtszeit Labung suchen: Bei den Festspielen im Nationaltheater gibt's Restkarten. Oper kann auch zum Heulen traurig sein. Aber die Musik hat mehr Elan.

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