Null Acht Neun:Alles schon voll hier

Erst kommen lauter Menschen hierher, dann wollen sie wohnen, vielleicht sogar S-Bahn fahren. Schlimm, schlimm. Aber nichts gegen die Wiesn

Von Andreas Schubert

Jede Großstadt auf der Welt hat so ihre eigenen Probleme. Das größte Problem Münchens sind die vielen Menschen. Gäbe es sie nicht, bliebe den Organisatoren dieser Stadt, in der es allmählich eng wird, eine Menge Arbeit erspart, schließlich sollen sie es jedem irgendwie recht machen. Aber Menschen sind von Haus aus lästig: Sie müssen außer essen und arbeiten auch noch wohnen - und da geht's schon los. Wohnen! Wo soll das bitte sein? Jedes Jahr kommen 18 000 Leute mehr nach München. Das ist jedes Jahr fast einmal Wolfratshausen oder Traunstein. Da hilft es auch nicht viel, dass die SPD diese Woche eine Wohnbauoffensive gefordert hat. Denn bis zum ersten Spatenstich ist mindestens schon ganz Landshut hier angekommen, ach was, ganz Regensburg.

Und: Wer dann schon mal da ist, begnügt sich nicht damit, brav herumzuwohnen, nein: Er will vielleicht mal in ein Konzert gehen oder ein Kind haben, das optimalerweise mal in einen Kindergarten und dann in die Schule soll. Wieder so Reizworte, die Oberbürgermeister Dieter Reiter und seinen Hintersassen vermutlich jeden Tag aufs Neue Bauchschmerzen bereiten. Viereinhalb Milliarden soll es nämlich in den kommenden Jahren kosten, damit jedes Kind anständig bespaßt und ausgebildet werden kann - das entspricht weiß Gott wie vielen Konzertsälen. Manche Kinder fahren womöglich sogar mit der S-Bahn zur Schule, und ein zweiter S-Bahn-Tunnel wäre . . . nein, stopp! Dieses Fass zu öffnen, wäre jetzt zu viel verlangt.

Es gibt viel dringlichere Probleme in dieser Stadt. Gerade beschäftigen sich Reiter und sein Vize Josef Schmid mit einem wirklich heißen Eisen: den Reservierungen auf dem Oktoberfest. Münchner sollen künftig leichter einen Tisch bekommen, aber das könnte schwierig werden: Würde allein der Wohnsitz München reichen, würde die Stadt von noch mehr Menschen überschwemmt, die extra wegen der Wiesn kämen - gibt ja nichts Wichtigeres. Weil diese Leute aber nach dem Trinken dann womöglich auch wohnen wollen und so weiter, wäre man wieder bei diesen lästigen Infrastrukturproblemen.

Klüger wäre es in diesem Fall, auf den Volksmund zu hören, laut dem nur der ein Münchner ist, dessen Familie mindestens seit drei Generationen hier wohnt. Oder noch besser: Nur wer Bairisch und dreimal hintereinander unfallfrei "scheiß drauf, ozapft is" sagen kann, wird ins Zelt eingelassen. Die paar Hanseln, die bei dieser Auslese noch übrig blieben, könnten sich richtig schön breit machen. Den Wiesnwirten würde das zwar nicht so gefallen. Aber so ist das halt in der Großstadt: Jedem kann man's auch nicht recht machen. Einem Wirt schon gleich gar nicht.

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