NSU-Prozess:Warten auf Zschäpes Aussage

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Vor dem Gericht bildet sich schon am frühen Morgen eine lange Schlange. Was die Aussage für den NSU-Prozess bringen könnte, ist unter den Wartenden umstritten.

Von Sophie Krause

Anstehen bei Minus-Temperaturen

Mittwoch früh, sechs Uhr: Eine beeindruckende Schlange hat sich auf dem kleinen Platz an der Nymphenburger Straße, Ecke Sandstraße gebildet. Etwa 50 Menschen stehen geduldig eingereiht bei eisigen -1 Grad Celsius in der Kälte. Sie warten nicht etwa auf das neue iPhone oder eine Wartenummer beim Bürgeramt. Sie warten auf die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe.

In wenigen Stunden wird im Münchner Oberlandesgericht der NSU-Prozess fortgesetzt. Nach mehr als zwei Jahren äußert die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sich heute erstmals zu den Vorwürfen. Selber sprechen wird sie nicht. Ihr Verteidiger Mathias Grasel soll eine schriftliche Erklärung verlesen, die nach Angaben der Verteidigung insgesamt etwa 50 Seite umfasst.

Immer wieder wurde der Termin verschoben. Die Nerven der Angeklagten sind ebenso gereizt wie die der Journalisten, die extra für den Prozess anreisen. Zu Beginn des NSU-Prozesses im Jahr 2013 verloste das OLG München in einem ungeschickten Verfahren 50 Akkreditierungsplätze an Medienvertreter aus mehreren Ländern. Viele Kollegen gingen leer aus, auch für Gäste sind nur 50 Plätze vorgesehen. Der Zugang zum Prozess war begehrt. Doch die über 240 Prozesstage zogen sich wie Kaugummi. Bald blieben viele Stühle unbesetzt.

Erhofft sich Zschäpe eine Verringerung des Strafmaßes?

Nun bekommt der Prozess durch Zschäpes Aussage Aufwind. Bereits am Dienstagabend versammeln sich die ersten Journalisten in einem kleinen Zelt auf dem Platz vor dem Landgericht, um einen der Gästeplätze zu ergattern. Noch ist es ruhig. Eine Handvoll Menschen sitzt in dicken Winterjacken auf Klappstühlen, trinkt Tee und plaudert. Chinesisches Essen wird bestellt. Eine Kollegin vom ZDF kommt vorbei, stellt fest, dass die Schlange noch überschaubar ist und verschwindet wieder. Ganz vorne stehen zwei junge Frauen und ein Mann vom Zimmertheater in Tübingen. Sie arbeiten an einem Stück über den NSU. Dafür stünden sie schon seit halb acht abends an, erzählen sie. Unbedingt wollen sie hereinkommen, sonst sei die ganze Fahrt umsonst gewesen.

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Gegen vier Uhr reihen sich nach und nach weitere Besucher ein. Vor dem Zelt bildet sich eine Schlange. Darunter die üblichen Verdächtigen: Deutsche Welle, Frontal 21, Süddeutsche. Der Kollege von der taz wirkt ausgeschlafen. Die Stimmung ist freundlich, man kennt sich. Viel erwartet man nicht von Zschäpes Aussage. "Hätte sie etwas sagen wollen, hätte sie das schon früher getan", meint der taz-Kollege. Es sei ein taktisches Abwägen des Strafmaßes. Die Wartenden spekulieren darüber, was sie wohl sagen wird. Wird sie Reue zeigen? Wird sie mit ihrer Aussage dazu beitragen, einige der vielen offenen Fragen rund um die NSU-Morde zu beantworten?

Erklärung der Hauptangeklagten
:NSU-Prozess: Beate Zschäpe will sprechen - und zwar über alles

"Die Morde werden nicht nur in ein, zwei Sätzen abgehandelt", sagt Zschäpes Anwalt. Am Mittwoch wird er die Erklärung der Hauptangeklagten verlesen.

Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger

Die Verteidigung hat angekündigt, dass Zschäpe nach der Erklärung auch alle Fragen des Gerichts beantworten will. Allerdings wünschen die Anwälte, dass die Fragen schriftlich an die Angeklagte gerichtet werden. Ob sich das Gericht auf dieses ungewöhnliche Procedere einlässt, ist noch offen.

Ein Journalist von den Stuttgarter Nachrichten kommt vom Bäcker zurück und verteilt Kaffee und Brötchen. Die Wartenden greifen dankbar zu. Die meisten stehen nicht zum ersten Mal an. Es sei immer das gleiche, erklärt einer. Man wäge ab, wie lange man schlafen könne, um noch einen guten Platz zu bekommen, von dem aus man Zschäpe auch sehen könne. Sich schon am Tag davor anzustellen hält er jedoch für unnötig. Ob sich das frühe Anstehen dennoch lohne? Natürlich, sagt ein Kollege von der Heilbronner Stimme.

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