NS-Dokuzentrum:Neue Köpfe für neue Ideen

Der Stadtrat will den Vertrag von Winfried Nerdinger als Chef des NS-Dokuzentrums verlängern. Sein Führungsstil aber ist umstritten. Und sein Umgang mit Kollegen auch

Von Kassian Stroh

Es geht zwar nur um zwei Jahre, das aber macht die Personalie nicht weniger heikel. An diesem Mittwoch will der Stadtrat den Vertrag von Winfried Nerdinger als Chef des NS-Dokuzentrums verlängern. Dabei tut sich offenbar manch Historiker und Mitarbeiter schwer, mit ihm zusammenzuarbeiten. Nerdingers Führungsstil ist umstritten, sein Umgang mit Kollegen auch; zwischen streng und fordernd einerseits und autokratisch andererseits liegt ein schmaler Grat. Das hat im Falle Nerdinger auch sein Gutes: Denn nur weil er vieles selbst entschieden und durchgezogen hat, ohne allzu viel Rücksicht zu nehmen, konnte das NS-Dokuzentrum 2015 fertiggestellt und eröffnet werden. Er hat München vor einer großen Blamage bewahrt. Das bleibt Nerdingers große Leistung: Er übernahm 2012 ein weltweit beachtetes Projekt, das damals einem Scherbenhaufen glich; er hat es wieder auf die Beine gestellt und zum Erfolg geführt - nicht allein, aber maßgeblich.

Das allein reicht aber nicht, um seinen Vertrag erneut um zwei Jahre zu verlängern (was rechtlich bedeutet, dass er sogar unbefristet wäre, wenn Nerdinger es möchte). Denn in einem Haus wie dem NS-Dokuzentrum ist Führungsstil noch wichtiger als in einer beliebigen Firma. Hier geht es um die Deutung des schwärzesten Kapitels der Münchner und der deutschen Geschichte, es geht um die Frage, was daraus zu lernen ist, und vor allem darum, wie man all diese Themen heute noch sinnvoll vermittelt. Solche Fragen können und dürfen nicht per Dekret beantwortet werden, sondern im Dialog mit Fachleuten.

Außerdem stellt sich nun die Aufgabe, das NS-Dokuzentrum dauerhaft mit Leben zu füllen. Gute und moderne museumspädagogische Konzepte sind gefragt, welche die Dauerausstellung begleiten. Nerdinger hat diese solide gestaltet, sehr dokumentarisch und somit sehr konventionell. Andere, mutigere, stärker in die Zukunft reichende, vielleicht auch emotionalere Herangehensweisen täten dem Haus gut.

Nerdingers Anstellung sollte der Stadtrat deshalb nur unter zwei Prämissen verlängern: Sie darf nicht zum Dauerprovisorium werden, nach zwei Jahren spätestens muss die Nachfolge geklärt sein. Zugleich müssen die Stadt und alle anderen am NS-Dokuzentrum Beteiligten die Zeit nutzen und festlegen, welche Impulse das Haus braucht und wer dafür der richtige Chef wäre. Nerdinger wäre es auf Dauer nicht.

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