NS-Dokumentationszentrum:"Jetzt muss der Stoiber ran"

Deutlicher hätte das Ergebnis nicht ausfallen können: Einstimmig hat sich sich der Kulturausschuss des Stadtrats gestern dafür entschieden, die gutachterliche Stellungnahme von Winfried Nerdinger als Grundlage für die künftigen Planungen zum NS-Dokumentationszentrum zu nehmen.

Von Franz Kotteder

Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung in der städtischen Gutachtergruppe, der neben dem Leiter des Architekturmuseums in der Pinakothek, Nerdinger, auch die Historiker Norbert Frei und Volkhard Knigge, die Programmdirektorin des Jüdischen Museums Frankfurt, Cilly Kugelmann, und der Salzburger Uniprofessor Albert Lichtblau angehört hatten. Lichtblau war wegen unüberbrückbarer Differenzen ausgeschieden. Kugelmann, Frei und Knigge hatten ein Mehrheitsgutachten abgeliefert, Nerdinger ein Sondervotum.

Kulturreferentin Lydia Hartl hatte sich ursprünglich für das Konzept der Mehrheitsgutachter ausgesprochen, ruderte dann nach heftiger Kritik aber wieder etwas zurück. Im Kulturausschuss stand sie allein auf weiter Flur.

Denn das Mehrheitskonzept, das auf eine Art Museum der NS-Zeit mit vielen Schaustücken setzte, möglichst ohne "heimatkundliche Einengung", fanden alle Stadträte unbrauchbar, manche Vorschläge und Formulierungen gar "schwer verdaulich bis unzumutbar", wie es Oberbürgermeister Christian Ude formulierte. Und das betraf nicht nur den vorgeschlagenen Namen für die geplante Einrichtung: "Haus der Geschichte des Nationalsozialismus in München".

Darüber waren alle Stadträte erschrocken: "Das suggeriert doch fast, dass man sich mit dieser Geschichte identifiziert", empörte sich Marian Offman (CSU), "das wollen wir nun wirklich am Allerwenigsten." Mit nahezu wortgleichen Änderungsanträgen beschlossen SPD, Grüne und CSU, das Nerdinger-Konzept zur Grundlage für die Planung zu machen. Nerdinger hatte für ein weitgehend puristisches Zentrum plädiert, in dem vor allem Fotos und Dokumente sachlich dargestellt und sparsam aufbereitet gezeigt werden sollen. Es konzentriert sich auch stärker auf die Frühphase des Nationalsozialismus und auf die besondere Rolle Münchens bei der Entstehung der "Bewegung".

Ungeklärt ist freilich nach wie vor, wo das Dokumentationszentrum einmal entstehen soll. Die möglichen Standorte "Alte Chemie" und TU-Gelände sind mittlerweile so gut wie ausgeschieden, berichtete Ude. Somit verbleibe rund um den Königsplatz eigentlich nur noch das Gelände, auf dem früher einmal das "Braune Haus" der NSDAP gestanden habe. Auch das gehöre freilich dem Freistaat Bayern: "Wir sind hier leider nur Anreger und Bittsteller, nicht die Entscheidenden, das ist die schmerzliche Wahrheit." Bis spätestens Ende des Jahres, so Ude, wolle er eine Lösung haben, "diese Amtszeit darf nicht ohne ein konkretes Ergebnis verstreichen". Da sei der Freistaat gefordert, so SPD-Kultursprecherin Ingrid Anker, "da muss jetzt auch der Stoiber einmal sagen, was er will".

Der Freistaat aber schweigt bislang. Das, meint die CSU-Fraktion, könne auch darin liegen, dass die Stadt auf mehr als einen Vertreter im 12-köpfigen Kuratorium für das Dokuzentrum beharre und schlug vor, einfach nachzugeben. Zur Abstimmung darüber kam es nicht. Die Mehrheit wäre ohnehin auf Udes Seite, der sagt: "Wenn wir 100 Prozent der laufenden Kosten zahlen, wollen wir auch einigermaßen angemessen mitreden dürfen."

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