NS-Dokuzentrum:Eine Stadt muss sich erinnern

NS-Dokumentationszentrum

Neun Jahre nach Beginn der Planungen soll das NS-Dokumentationszentrum nun termingerecht am 1. Mai eröffnet werden.

(Foto: Lukas Barth)
  • Am 1. Mai soll das NS-Dokumentationszentrum an der Brienner Straße eröffnen, neun Jahre nach Beginn der Planungen.
  • München erhält damit einen zentralen Ort, um sich mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Von Jakob Wetzel

Noch ist das Innere des Gebäudes eine Baustelle, in neun Wochen aber soll alles fertig sein: Am 1. Mai soll das NS-Dokumentationszentrum an der Brienner Straße eröffnen, termingerecht, neun Jahre nach Beginn der Planungen. An diesem Donnerstag haben die Verantwortlichen im Foyer des neuen Zentrums erklärt, wie das Haus künftig bespielt werden soll - und gleich vorweg vor einem Missverständnis gewarnt.

Das NS-Dokumentationszentrum sei kein Schlusspunkt, sagte der städtische Kulturreferent Hans-Georg Küppers. München erhalte nun einen zentralen Ort, um zwei Fragen zu stellen: Warum München? Und was geht uns das heute noch an? Das Zentrum solle aber die bisherige Erinnerungslandschaft nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen. Die Auseinandersetzung mit dem Regime der Nationalsozialisten lasse sich nicht an eine Institution wegdelegieren. Und auch die Ausstellung zum Nationalsozialismus im Münchner Stadtmuseum werde bleiben, trotz des neuen Dokumentationszentrums.

Am 30. April, einen Tag vor der Eröffnung, ist ein Festakt im Amerikahaus geplant; dort sei mehr Platz als im NS-Dokumentationszentrum, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter am Donnerstag. Der Tag des Festes ist bewusst gewählt: Der 30. April ist der Jahrestag der Besetzung Münchens durch die US-Armee im Jahr 1945. Zur Eröffnungsfeier kommen unter anderem Holocaust-Überlebende sowie Gesandte aus Ländern, die im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland Krieg geführt haben. Noch vor der offiziellen Eröffnung dürfen die Gäste das Dokumentationszentrum besichtigen und sich von Gründungsdirektor Winfried Nerdinger durch die Ausstellung führen lassen.

Was ist zu sehen?

Die Dauerausstellung "München und der Nationalsozialismus" wird auf etwa 1000 Quadratmetern über vier Etagen hinweg die Rolle Münchens als Gründungsort der NSDAP erläutern und zudem den Blick darauf lenken, wie die Stadt später mit dieser Vergangenheit umgegangen ist. Derzeit wird ein eineinhalb- bis zweistündiger Rundgang eingerichtet, geplant sind 33 Themenschwerpunkte.

Der Rundgang beginnt demnach im vierten Obergeschoss, wo die Anfänge und der Aufstieg der Nationalsozialisten in München erläutert werden. Ein Stockwerk tiefer schildert die Ausstellung den Alltag unter dem NS-Regime sowie die Ausgrenzung von Minderheiten. Im zweiten Obergeschoss werden Verbrechen von Münchnern im Zweiten Weltkrieg dokumentiert und die Folgen des Vernichtungskriegs erklärt, sowohl in den Kriegsgebieten als auch in München, etwa für die Rüstungsindustrie. Der verbleibende Teil der Ausstellung schließlich widmet sich dem Zusammenbruch des Regimes und dessen Nachwirkungen bis heute: Am Ende soll ein Bildschirm aktuelle Meldungen über rassistische, rechtsextreme und antisemitische Vorfälle auflisten und so demonstrieren, dass die Geschichte des Nationalsozialismus noch nicht abgeschlossen ist.

NS-Dokuzentrum kommt fast ohne Originalstücke aus

Konkret gezeigt würden mehr als 800 Dokumente aus etwa 150 deutschen und ausländischen Archiven, sagte Winfried Nerdinger am Donnerstag. Trotz der intensiven zeithistorischen Forschung über den Nationalsozialismus werde auch der Fachwelt bislang unbekanntes Material zu sehen sein. Dabei kommt das NS-Dokumentationszentrum weitestgehend ohne Originalstücke aus: Man wolle keine Relikte der Täter ästhetisieren, sondern sich mit dem Regime rational auseinandersetzen, sagte Nerdinger. Einziges Originalstück des Hauses würden die sogenannten Moabiter Sonette sein: 80 Gedichte, die der 1945 ermordete Münchner Widerstandskämpfer Albrecht Haushofer während seiner Haft in Berlin geschrieben hatte.

Die Stadt rechnet mit bis zu 250 000 Besuchern im Jahr; die Ausstellung wird sowohl in Deutsch als auch in Englisch gestaltet. Begleithefte wird es zusätzlich in Französisch, Spanisch, Italienisch, Polnisch, Russisch und Hebräisch geben.

Begleitprogramm:

Im ersten Obergeschoss sind Sonderausstellungen geplant. Den Anfang macht bis 31. August "Vom Anfang bis zum Ende. Künstler als Zeugen 1914-1945" mit 120 Werken, darunter Arbeiten von Käthe Kollwitz oder Otto Dix sowie Grafiken weniger bekannter Künstler. Für die Zukunft lägen zahlreiche Kooperationsangebote vor, sagte Nerdinger.

In den Untergeschossen des Zentrums wird es dagegen ein mit der Technischen Universität München entwickeltes "Lernforum" geben: einen Bereich mit Medientischen, Rechercheplätzen und einer Bibliothek. Zudem wird eine kostenlose App unter anderem geführte Rundgänge im Umfeld des Königsplatzes ermöglichen; bis 1945 arbeiteten hier etwa 6000 Mitarbeiter der NSDAP in 68 Gebäuden für die Partei. Am Ort des Dokumentationszentrums selbst befand sich die Parteizentrale, das "Braune Haus". Und von Juli an ist ein breites Seminar- und Führungsangebot geplant, beispielsweise für Schulklassen, Jugendgruppen oder auch bestimmte Berufsgruppen. Die Themen reichen von der Mitwirkung der Stadtverwaltung an Verbrechen bis hin zur Kinderbuch-Lesung mit Diskussion. Voranmeldungen sind ab sofort möglich; Einzelheiten sind per Mail an bildung.nsdoku@muenchen.de erfragbar.

Öffnungszeiten, Eintrittspreise:

Das NS-Dokuzentrum wird dienstags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr geöffnet sein; Schulklassen und Seminarteilnehmer können nach Vereinbarung auch früher oder später kommen. Kosten wird der Eintritt in den ersten drei Monaten nichts. Von August an müssen Erwachsene fünf Euro bezahlen, für Jugendliche bleibt der Besuch kostenlos.

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