Nokia Siemens Networks verlässt München:"Wir werden für einen Managementfehler bestraft"

Die Streichungen bei Nokia Siemens Networks treffen den Standort München am härtesten. Die meisten der 3600 Mitarbeiter werden hier ihren Job verlieren. Die Option, woanders weiterzuarbeiten, halten viele für Augenwischerei. Das voraussichtliche Ende wollen sie aber nicht einfach hinnehmen.

Verena Hölzl und Michael Tibudd

Die Nachricht kam am Dienstagmittag um 12 Uhr per E-Mail: Da erfuhren die 3600 Mitarbeiter von Nokia Siemens Networks (NSN) in München, dass ihr kompletter Standort an der St.-Martin-Straße im Osten der Stadt dicht gemacht wird.

Nokia Siemens Networks streicht in Deutschland 3.000 Stellen

Ein Mitarbeiter von Nokia Siemens Networks  demonstriert vor der Olympiahalle, in der die Siemens-Hauptversammlung 2012 stattfindet. Nun sollen 2000 Stellen in München wegfallen.

(Foto: dapd)

Voraussichtlich bis Ende des Jahres werden nach einer Entscheidung der Geschäftsführung des Netzwerk-Dienstleisters rund 2000 Stellen abgebaut. Die übrigen etwa 1600 Arbeitsplätze sollen an einen der fünf verbleibenden NSN-Standorte in Deutschland verlagert werden. Die Mitarbeiter müssen also nach Ulm, Bonn, Berlin, Düsseldorf oder Bruchsal umziehen, wenn sie ihren Job behalten wollen.

Offenbar fällt der Standort München, Zentrale des Joint Ventures zwischen Nokia und Siemens und bislang größter Standort in Deutschland, dem Credo der Unternehmensführung zum Opfer, wonach NSN effizienter werden müsse - schlecht für einen Standort, in dem viel Verwaltungsarbeit erledigt wird.

In dem Komplex an der St.-Martin-Straße arbeitet schon heute nur noch eine erheblich geringere Zahl an Menschen als 2007 bei der Gründung von NSN. Damals gingen 6800 Beschäftigte von der einstigen Siemens-Netzwerksparte in das neue Gemeinschaftsunternehmen über. Etwa 1500 Beschäftigte mussten schon kurz darauf bei einer ersten Streichungswelle gehen, noch einmal so viele fielen der Schließung des Standortes Hofmannstraße 2009 zum Opfer - dort in Obersendling lag einst die Keimzelle der Siemens-Netzwerksparte.

Die nun angekündigte komplette Schließung erzürnt Mitarbeitervertreter, Gewerkschafter und Politiker. "Es war bisher undenkbar, dass ein Siemens-Standort komplett geschlossen wird, ohne Perspektive für die Mitarbeiter", sagt Michael Leppek von der IG Metall.

Siemens betont derweil, dass man zwar als Gesellschafter 50 Prozent der Anteile an NSN besitze, die unternehmerische Führerschaft aber bei Nokia liege. "Siemens will sich damit seiner Verantwortung entziehen", kritisiert Leppek. Der Konzern dürfe "nicht so tun, als ob er damit nichts zu tun hätte". Ein Siemens-Sprecher teilt derweil mit, dass NSN-Mitarbeiter bei der Besetzung der deutschlandweit 3000 offenen Stellen des Konzerns "bevorzugt" behandelt würden, "bei entsprechender Eignung".

"Von NSN will ich nichts mehr wissen"

Am Dienstagnachmittag indes heißt es für einen Großteil der Münchner Beschäftigten erst einmal Zusammenrücken: Reisebusse holen die Beschäftigten an der St.-Martin-Straße ab und fahren sie in die nahe gelegene Tonhalle am Ostbahnhof, zur Information durch die Geschäftsleitung. Es geht um die Existenz tausender Mitarbeiter.

Einer von ihnen erzählt: Heute Vormittag hätten er und seine Kollegen die Nachricht erhalten, dass der Standort in München geschlossen werden soll. Die Option, an anderen Standorten irgendwo in Deutschland weiterzuarbeiten, hält er für Augenwischerei. "Wie soll man das so einfach machen, wenn man hier Haus und Familie hat?", fragt er.

Ein Mitarbeiter aus dem Festnetz-Produktmanagement, der in der Betriebskantine eine Übertragung aus der Tonhalle verfolgt, wird noch deutlicher: "Von NSN will ich nichts mehr wissen." Einst habe man dem Personal noch eine tolle Zukunft versprochen und jetzt sollten sie durch junge und billigere Kräfte ersetzt werden. "Für diesen Management-Fehler werden wir nun bestraft", meint der Produktmanager.

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) nennt die Entscheidung des NSN-Konzerns ein "bitteres Resultat einer missglückten Unternehmensstrategie". Appelle und Unterstützungsangebote blieben fruchtlos". Die Entscheidung sei "nicht nachzuvollziehen" und vor allem für Ältere ein harter Schlag. Die Mitarbeiter selbst wollen das voraussichtliche Ende indes nicht einfach hinnehmen: Am heutigen Mittwoch ruft die IG Metall zu einer Protestveranstaltung gegen das Management auf.

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