Nörgeln in Süddeutschland:"Bayern ist ohne Grant nicht denkbar"

Ja mei, es hilft ja eh nichts. Bayern ist das Volk der Grantler. Der Münchner Autor Thomas Grasberger hat nun ein Buch über den Blues des Südens geschrieben. Warum "Du Grantler" keine Beleidigung ist, wer Bayerns Vorzeigenörgler sind und worüber er selbst schimpft.

Lisa Sonnabend

Der Grant drückt sich aus in typischen Sätzen wie: "Ja mei, es hilft ja eh nichts", "Alles hat zwei Seiten, eine schlechte und eine noch schlechtere" oder "Mia is ois Wuascht". Ohne zu granteln könnte der Bayer nicht existieren. Der 47-jährige Autor Thomas Grasberger hat nun das Buch "Grant - Der Blues des Südens" über das vielschichtige bayerische Schimpfen geschrieben.

Thomas Grasberger

"Gelegentlich bin ich durchaus grantig": Buchautor Thomas Grasberger.

(Foto: Susanne John/oh)

Süddeutsche.de: Herr Grasberger, Sie sind bestimmt ein richtiger Grantler, oder?

Thomas Grasberger: Gelegentlich bin ich durchaus grantig. Zum Beispiel wenn ich zur Bäckerei gehen will, doch die existiert plötzlich nicht mehr - stattdessen hat der 122. Backshop im Viertel eröffnet und man kann überhaupt keine gescheiten Semmeln mehr bekommen. Oder wenn ich um 20 Uhr die Nachrichten anschaue, da kann man in letzter Zeit nur noch granteln, den Fernseher ausmachen und aus dem Fenster werfen. Aber so wie ein Arzt nicht krank sein muss, um ein guter Arzt zu sein, muss jemand, der über den Grant schreibt, nicht unbedingt Großgrantler sein.

Süddeutsche.de: Ist es eine Beleidigung, wenn jemand sagt: "Mei, is des a Grantler"?

Grasberger: Wenn man die Bedeutung von Grantler eng fasst, dann ist es dieser griesgrämige alte Mann, der an allem etwas auszusetzen hat und vor sich hinschimpft. Dann ist das natürlich nicht unbedingt ein Kompliment. Aber wenn man den Begriff weiter fasst, dann geht es eben nicht nur um schlechte Laune. Der Grant ist manchmal traurig und düster, manchmal lustig, spöttisch und derbleckend, dann wieder renitent, wütend und auftrumpfend. Grant hat viele Facetten. Deswegen hat es mich gereizt, in einem Buch zu beschreiben, was eigentlich dieses typische bayerische Lebensgefühl genau ist.

Süddeutsche.de: Über was schimpfen Grantler am häufigsten?

Grasberger: Granteln kann man über fast alles. Aber ein besonders dankbares Thema ist sicherlich das Wetter. Ein wesentliches Element des Grants ist nämlich der Fatalismus, die Überzeugung, dass man eh nichts ändern kann. Egal wie das Wetter ist, ob es warm ist, schneit oder Föhn herrscht, darüber kann man sich immer auslassen - und machen kann man dagegen nichts. Die perfekte Situation für einen Grantler.

Süddeutsche.de: Der Grant gehört also zu Bayern wie der Biergarten und die Weißwurst?

Grasberger: München und Bayern sind ohne Grant nicht denkbar. Allerdings gibt es die Befürchtung, er sei vom Aussterben bedroht. Grant hat immer etwas mit Sprache, mit Mundart zu tun - und der Dialekt ist nun mal in München nicht mehr allzu weit verbreitet. Wenn keiner mehr Bairisch reden würde, wäre auch der Grant wahrscheinlich weg. Zumindest in seiner ursprünglichen Form.

Erfindung der Tourismusindustrie?

Süddeutsche.de: Böse Zungen sagen, der Grant sei eine Erfindung der Tourismusindustrie. Biergartenbedienungen und Taxifahrer wenden ihn nur an, um den Umsatz zu steigern ...

Grasberger: Regisseur Franz Xaver Bogner hat einmal in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, der Grant sei eine Erfindung der Taxifahrer, ein Kunstprodukt. Wenige Sätze später jedoch entwickelt Bogner selbst eine wunderbare Form von Grant und schimpft über Leute, die versuchen, Bairisch zu reden, es aber nicht können. Das muss als Beweis reichen, dass der Grant keine Erfindung der Tourismusindustrie ist. Der Grant lebt. Und er ist einer von uns.

Süddeutsche.de: Seit wann granteln die Menschen?

Grasberger: Grant gibt es, seit es Menschen gibt. Die philosophischen Ursprünge des Grants reichen bis in die Antike zurück: zu Heraklit, Diogenes, Pyrrhon. In Bayern führt eine Wurzel des Grants in die Zeit der Gegenreformation, als der Bayer wieder katholisch gemacht wurde. Alle Ansätze für Protestantisches wurden den Menschen schnell wieder ausgetrieben. Kritik konnte dann nur noch leise geübt werden, grantelnd. Die Erfahrung mit Obrigkeiten hat in der bayerischen Geschichte dazu geführt, dass die Menschen hier zwar oft auftrumpfend sind, aber dann in der Regel auch schnell resignieren. Die Bayern neigen nicht zur Revolution, sondern granteln lieber vor sich hin, weil sie denken, dass sie politisch sowieso nichts ändern können.

Süddeutsche.de: Wer ist Münchens Vorzeigegrantler?

Grasberger: Ich habe in meiner Nachbarschaft zwei ganz besondere Exemplare der Gattung, aber die verrate ich nicht. In meinem Buch haben dafür zwei Personen ein eigenes Kapitel bekommen: Karl Valentin und Gerhard Polt, die beiden sind auf ihre Art wunderbare Großgrantler.

Süddeutsche.de: Warum?

Grasberger: Sie haben wie kaum jemand anderes die bayerische Art durchschaut. Auch die Vielschichtigkeit, die der Grant hat, bringen sie gut rüber. Karl Valentin hat diesen Blues, dieses fast Depressive, aber andererseits auch dieses Surreale. Und die Figuren, die Polt darstellt, sind ja oft Kleingrantler, die er dann wunderbar karikiert mit seinem eigenen Grant.

Thomas Grasberger, Grant - Der Blues des Südens, Diederichs Verlag, 14,99 Euro, April 2012. Am Dienstag, 24. April 2012, liest der Autor um 19:30 Uhr in der Max-Emanuel-Brauerei, Adalbertstraße 33, aus seinem Buch. Musikalische Begleitung: Huraxx Daxx.

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