Nockherberg-Spektakel:Roll over Seehofer

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Kritische Nachbetrachtungen zu einem Freibier-Event

"Abschied ist ein piekfeines Florett" vom 2. März:

Ein Schauspiel im Schauspiel spielte sich beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg ab. Zu dieser öffentlich-rechtlichen Werbeveranstaltung zugunsten der gastgebenden Schörghuber-Unternehmensgruppe versammelte sich routinegemäß die bayerische Politnomenklatura zum "Derbleckt-Werden", respektive zum Abgreifen von Freibier unter äußerer Wahrung der Contenance. Unklar blieb bei dieser ritualisierten "Opera buffa", wo die besseren Schauspieler am Werk waren: Oben auf der Bühne oder unten im Saal, wo einander in inniger Feindschaft verbundene Politakteure gute Miene zum bösen Spiel machten. Schließlich gilt die Alternative zu dem ritualisierten Abgewatscht-Werden, nämlich gar nicht erwähnt zu werden, als das weitaus größere Malheur.

Angesichts der vorangegangenen Ränkespiele in der CSU geriet das diesjährige Singspiel in seinem Naturell allerdings eher zum heiteren Absingen von Kinderliedern. Anstelle eines verschmusten "Sieh es ein, alter Horst, du musst jetzt geh'n" hätte ein rockiges "Roll over Seehofer" dem von beinharten Intrigen geprägten Charakter des anstehenden Regierungswechsels besser entsprochen (und wäre auch der Westernkulisse besser angepasst gewesen). Tröstlich allerdings die Aussicht auf die spezifisch christlich-soziale Art und Weise der Loyalitätsbezeigung, gemäß deren Logik bei drohendem Machtverlust der aktuelle Amtsinhaber unter Aufsagen von fadenscheinigen Treueschwüren aus dem Amt gemobbt wird. Die anstehende Landtagswahl winkt schon als Menetekel drohenden Unheils am Horizont.

Das passende Liedgut zum Plot sollte ein untergeordnetes Problem sein. Ein wehmütiges "It's time to say good bye" würde zur rührseligen Tradition der letzten beiden Abgesänge (Lerchenbergs "Ich werd jetzt weg sein, ihr kriegt den Beckstein", "Sieh es ein, alter Horst, du musst jetzt gehn...") passen und somit das Ende des designierten Ministerpräsidenten einläuten, der sein Amt freilich noch gar nicht angetreten hat. Werner Höchstetter, Memmelsdorf

Hossa, El Marco!

Erst entfleuchte Luise Kinseher völlig überraschend mit wehender Schleppe sozusagen in höhere Sphären, nur eine kleine Hoffnung hinterlassend, vielleicht einmal als Bayerin im Himmel zurückzukehren (wäre eine tolle Nockherberg-Rolle). Und dann tauchte auch noch die zeitlose Uschi Glas auf, quasi wie aus einem Apachen-Grab, aber auf wundersame Weise frischgehalten. So schön und rührselig kann der Nockherberg sein. Da kann man, um mit Mehmet Scholl zu sprechen, eine "Gänsehautentzündung" kriegen. Horst Seehofer wurde somit zu seinem Ministerpräsidenten-Abschied vom Salvatorkeller gebührend gehuldigt. Nur sein Nachfolger Markus Söder blickte mit Fortdauer des Singspiels "Die glorreiche Sieben" immer säuerlicher. Er war ja gewohnt, auf dem Nockherberg als flotter, frecher, wider den Seehoferschen Stachel lökender Treibauf karikiert zu werden. Diesmal aber war er großmäulig, eitel, ja sogar ein bisschen schmierig. Hossa, El Marco, war doch nur ein Spiel. Was auch Söder immer wieder selbst sagte. Im nächsten Jahr ist ja alles gut, dann ist er die Hauptperson, dann wird ihm als Landesvater die erste Maß kredenzt. Für einen Franken ist das eine Sternstunde. Und für echte Altbaiern eine Provokation. Peter Kühn, München

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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