Noch wehrt sich das Management:Die Aldi-Süd-Revolution: ein Betriebsrat

Es wäre eine Art Revolution bei Aldi: Für etwa die Hälfte der 21 Münchner Filialen soll demnächst ein Betriebsrat gewählt werden. Es wäre der erste überhaupt bei Aldi-Süd mit seinen insgesamt 1500 Märkten.

Von Bernd Kastner

Jüngst ist in einer einzelnen Münchner Filiale die Wahl eines Betriebsrates noch gescheitert. Die Gewerkschaft Verdi klagt über "massive Wahlbehinderung" durch Aldi-Manager. Notfalls wolle man nun den Betriebsrat gerichtlich durchsetzen.

Aldi

Aldi Süd und Betriebsräte — das käme einer Revolution gleich.

(Foto: Foto: dpa)

Die Beschäftigten haben Angst

"Die Beschäftigten haben Angst, einen Betriebsrat zu gründen", sagt Hans-Martin Poschmann, Aldi-Experte in der Berliner Verdi-Zentrale. Wie die Drogerie- und Lebensmittel-Ketten Schlecker und Lidl sei auch Aldi für seine harten und teilweise schikanösen Arbeitsbedingungen bekannt. "Mobbing bei Aldi ist keine Seltenheit."

Deutschlands größter Lebensmittel-Discounter besteht aus zwei getrennten Unternehmen: Aldi-Süd mit 21 Filialen im Stadtgebiet München und weltweit 2800 Niederlassungen, sowie Aldi-Nord mit rund 3200 Märkten weltweit. Während es in der Nord-Kette in etwa zwei Dutzend Filialen und Lagern Betriebsräte gebe, so Poschmann, sei ihm in Süd- und Westdeutschland keiner bekannt. "Aldi versucht, dies auf Teufel komm raus zu verhindern."

"Massive Wahlbehinderung" wirft denn auch Dagmar Rüdenburg von Verdi in München den Managern des Discounters vor. Die hätten vor kurzem im Vorfeld der Betriebsratswahl in einer Münchner Filiale die Mitarbeiter so stark unter Druck gesetzt, dass die Wahl abgeblasen werden musste. Jetzt versucht Verdi, für den gesamten Aldi-Bezirk Eichenau mit rund 50 Märkten, darunter auch etwa die Hälfte der Münchner Filialen, eine Mitarbeiter-Vertretung wählen zu lassen.

Verdi will notfalls klagen

Wenn mehr als ein Dutzend Filialen aufgerufen seien, falle es den Managern schwerer, Mitarbeiter einzeln unter Druck zu setzen, hofft man. Scheitere auch dies, wolle man den Wahlvorstand notfalls gerichtlich einsetzen lassen. "Keiner will Aldi schaden", sagt Rüdenburg. Doch Betriebsräte seien dazu da, demokratische Grundrechte zu garantieren.

Laut Rüdenburg habe der Leiter der Filiale, in der dieser Tage gewählt werden sollte, den Mitarbeitern gedroht, Weihnachts- und Urlaubsgeld werde gestrichen, wenn sie einen Betriebsrat wählten. Eine der Wahl-Initiatorinnen berichtet zudem, dass sie am Arbeitsplatz beobachtet worden sei. So habe der Filialleiter offenbar herausfinden wollen, wer noch hinter dem Plan stecke.

Bei einer Versammlung zur Wahl des Wahlvorstands habe sich der Geschäftsführer der Aldi-Regionalzentrale geweigert, den Raum zu verlassen. Zudem sei offen darüber abgestimmt worden, ob die Beschäftigten überhaupt einen Betriebsrat wollte. Ergebnis: Nein. Rüdenburg hält das Prozedere für einen Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz: "Ein Geschäftsführer hat bei einer Wahl der Belegschaft nichts zu suchen."

Die Arbeitsbedingungen sind immer noch Verschlußsache

Von den Arbeitsbedingungen der 400 bis 500 Aldi-Angestellten in München - etwa 90 Prozent sind Frauen - sei laut Rüdenburg in der Öffentlichkeit fast nur die "gute Bezahlung" bekannt. Tatsächlich werde "zum Teil" bis zu 20 Prozent über Tarif bezahlt, räumt die Verdi-Sekretärin ein.

Doch die Wirklichkeit relativiere das: Unbezahlte Überstunden seien die Regel. Die Chefs erwarteten, dass die Beschäftigten täglich 30 bis 45 Minuten unbezahlt arbeiten, um morgens die Kasse vorzubereiten und abends abzurechnen. Auch sei der Leistungsdruck enorm: Eine Kassiererin müsse 90 Kunden in einer Stunde abkassieren. "Wenn ich das nicht leiste", klagt eine Angestellte, "bin ich schlecht."

Aldi selbst war zu keiner Stellungnahme bereit. Weder der Leiter der Filiale, in der gewählt werden sollte, noch die Regional-Zentrale in Eichenau oder die Konzernzentrale von Aldi-Süd in Mülheim äußerten sich.

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