Neuried:Acht Monate alt, 9,6 Millionen Euro teuer - und gefährlich

Neuried: Teuer, aber offenkundig nicht ohne Mängel: Die Neurieder Mehrzweckhalle, vor wenigen Monaten eröffnet, steht erst einmal nicht mehr zur Verfügung.

Teuer, aber offenkundig nicht ohne Mängel: Die Neurieder Mehrzweckhalle, vor wenigen Monaten eröffnet, steht erst einmal nicht mehr zur Verfügung.

(Foto: Catherina Hess)
  • Ein Gutachter kann Gefährdungen in der Mehrzweckhalle von Neuried nicht ausschließen, die Gemeinde muss ihr Prestige-Gebäude ein weiteres Mal dichtmachen.
  • Der für Freitag geplante Auftritt von Gerhard Polt fällt ebenso aus wie alle weiteren Termine und der Schulsport.

Von Julian Raff, Neuried

Nur siebeneinhalb Monate lang haben sich die Neurieder an ihrer neuen Mehrzweckhalle erfreuen können, nun bleibt der Bau wegen möglicherweise gefährlicher Mängel an der Deckenverkleidung erst einmal geschlossen. Der für Freitagabend geplante ausverkaufte Auftritt von Gerhard Polt muss damit ausfallen. Auch sonst hat die Sperrung weitreichende Auswirkungen auf diverse Veranstaltungsprogramme und auf den Schulsport.

Bereits Anfang Februar war die Halle für zwei Tage gesperrt, nachdem sich Holzteile im Türbereich verformt und die Verschraubungen gelockert hatten. Da die abgehängte Holzdecke von der gleichen Firma installiert worden war, hatte die Gemeinde eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Noch bevor der Gutachter vergangene Woche seine Arbeit aufnahm, zeigten sich an den Revisionsklappen der Zwischendecke Verformungen. Eine der Klapptüren hatte sich schließlich über Nacht geöffnet und hing am Morgen in den Scharnieren.

Auf Grundlage von Detailfotos der betroffenen Deckenpartien kam der Bausachverständige zu dem Ergebnis, dass Risiken für Besucher nicht auszuschließen seien. Der Gemeinde blieb damit keine andere Wahl, wie Bauamtsleiterin Dagmar Hasler erklärt: "Es wäre höchst fahrlässig, den Polt-Auftritt stattfinden zu lassen."

Besonders hart trifft dies nicht nur die 500 Gäste, sondern vor allem die Veranstalter. Der Verein "Kunst und Kultur Neuried" (K&K) hat heuer ein besonders ambitioniertes Programm auf die Beine gestellt, um die im Juli 2016 eröffnete, rund 9,6 Millionen Euro teure Halle angemessen zu bespielen. Hans Hobelsberger, Vorsitzender und treibende Kraft des Vereins, hatte sich bereits anlässlich der Sperrung vor fünf Wochen besorgt geäußert.

Schon damals hätte es für den Polt-Auftritt keine Alternative mehr gegeben. Die wesentlich größere Germeringer Stadthalle war nun als Ausweichbühne kurz im Gespräch, wurde aber wegen der finanziellen Risiken verworfen. Ob sich für die übrigen Kabarett-, Zauber- und Musikabende Alternativen finden, bleibt offen. Neben weiteren Veranstaltungen ist nun auch der Grundschulsport erst einmal heimatlos. Abgesehen von der alten Aula steht allerdings der Sportpark im Süden der Gemeinde zur Verfügung, wie bereits vor Eröffnung der Halle.

Schon beim Bau gab es Probleme

Deren Bau verlief nicht reibungslos, auch wenn der Kostenrahmen fast und der Zeitplan weitgehend eingehalten wurden: Nach der Insolvenz eines Sportgeräteherstellers mussten die Boden- und Deckenarbeiten neu ausgeschrieben werden. Die für letztere verantwortliche Firma hatte wiederholt jegliche Verantwortung für die Schäden abgestritten und führte unter anderem das Herausklappen der Revisionstür auf unsachgemäße Schließung zurück. Bauamtsleiterin Hasler geht demgegenüber von Baumängeln aus, die die Firma zumindest kostenneutral beseitigen müsse. Eventuelle Ansprüche auf Schadenersatz durch Nutzungsausfälle seien damit natürlich noch nicht ausgeschlossen.

Bis zu einer gerichtlichen Klärung müssen die Neurieder aber wohl nicht auf ihre Halle verzichten: Jetzt soll der Gutachter den Bereich zwischen tragender und abgehängter Decke untersuchen. Neben der Beweissammlung für einen eventuellen Rechtsstreit geht es unter anderem darum, herauszufinden, ob es fürs Erste genügen könnte, die Revisionstüren einfach herauszunehmen. Falls sich der Raum so immer noch nicht vor herabfallenden Teilen schützen lässt, bliebe die Radikallösung, die Zwischendecke ganz oder teilweise zu entfernen. In den Sommerferien könnte dann eine neue Zwischendecke eingezogen werden.

Bürgermeister Harald Zipfel (SPD) will auf jeden Fall Druck machen und hofft, die Halle im April wieder eröffnen zu können. Politisch leitet er aus dem Debakel eine Forderung ab: Das Ausschreibungsrecht zwinge öffentliche Auftraggeber zur günstigsten Lösung. Ein Schweizer Modell arbeite dagegen mit Mittelwerten, nach dem Motto: "Der teuerste will nicht, der billigste kann nicht."

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