Neuperlach:"Ein schöner Teil von München"

Neuperlach erinnert mit einer großen Feier an die Grundsteinlegung der Entlastungsstadt vor einem halben Jahrhundert. OB Dieter Reiter nennt die Entwicklung des Viertels beispielhaft dafür, wie Wachstum in der Zukunft zu bewältigen ist

Von Hubert Grundner, Neuperlach

Den letzten Lacher bei der 50-Jahr-Feier zur Grundsteinlegung von Neuperlach am Donnerstagabend verbuchte Thomas Kauer (CSU) für sich. Die Liste der Redner war abgearbeitet, die Zeit, wie stets bei solchen Ereignissen, weiter fortgeschritten als geplant, als der Vorsitzende des Bezirksausschusses zum Ende hin trocken kommentierte: "Ich hatte fast den Eindruck, dass es mehr als 50 Jahre waren." Was wiederum die rund 400 Gäste mit großer Heiterkeit quittierten, wurden sie durch dieses Schlusswort doch von Hunger und Durst erlöst.

Schnell entsponnen sich an den geschmückten Tischen, die in der Mehrzweckhalle des SVN-Sportparks aufgebaut waren, angeregte Gespräche. Und zum eigens für den Anlass gebrauten Bier der Forschungsbrauerei ließ sich gut auf Neuperlach anstoßen - auf die vergangenen 50 Jahre und auf die Zukunft, die wenige Stunden zuvor mit der Grundsteinlegung auf dem Hanns-Seidel-Platz eingeläutet wurde. Ein paar ganz Verwegene trauten sich sogar, zur Musik der "Old Perlach Roof Stompers" zu tanzen.

Neuperlach: Obermürgermeister Dieter Reiter sprach zur Feier.

Obermürgermeister Dieter Reiter sprach zur Feier.

(Foto: Robert Haas)

"50 Jahre Neuperlach ist im Grunde ein Stadtjubiläum", hatte zuvor Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in seiner Festrede betont. Angesichts von rund 55 000 Menschen, die mittlerweile hier leben, hat er wohl recht. Und in jeder anderen bayerischen Kommune dieser Größe wäre die eigene Einmaligkeit so lautstark gefeiert worden, dass einem zwischen Berchtesgaden und Aschaffenburg die Ohren geklingelt hätten. Doch nichts läge den Neuperlachern ferner, als sich selbst hemmungslos zu feiern.

Diese sympathische Eigenschaft, sich nicht zu wichtig zu nehmen, war auch beim Festabend zu spüren. Wie hatte Kauer zuvor den Stadtteil beschrieben? "Neuperlach ist sicher, Neuperlach ist lebenswert - dafür sind Sie die besten Zeugen", sprach er die Zuhörer an und fügte hinzu: "Neuperlach ist ein schöner Teil von München", diese Botschaft gelte es in die Stadt hinauszutragen. Womit Kauer nicht zuletzt den vielen Vorurteilen entgegentreten wollte, die es noch immer über Neuperlach gibt - meist bei Menschen, die den Stadtteil nicht kennen. Die Neuperlacher, so Kauer, seien Pragmatiker - nur so könne man mit den vielen Provisorien leben, die es hier schon immer gab und gibt. Und noch stärker: "Die Neuperlacher haben aus dem Pragmatismus eine Tugend gemacht." Und dieser bodenständige Charakter zeichne das ganze Viertel aus. Weshalb auch keine Event-Agentur, sondern sie selber das Fest organisierten.

Neuperlach: Als Gäste begrüßte Thomas Kauer unter anderem Münchens Ehrenbürgerin Gertraud Burkert.

Als Gäste begrüßte Thomas Kauer unter anderem Münchens Ehrenbürgerin Gertraud Burkert.

(Foto: Robert Haas)

Damit sollte es aber genug sein mit der Bescheidenheit. "Es ist auch Zeit, jetzt Selbstbewusstsein zu zeigen", appellierte Kauer an das Publikum. Eine angemessene soziale und schulische Infrastruktur, ein eigenes Bürgerbüro oder eine dauerhafte Lösung für das bisher nur provisorische untergebrachte Festspielhaus waren nur einige Beispiele einer Liste mit berechtigten Wünschen der Neuperlacher, die Kauer anführte.

OB Reiter wiederum sagte, er habe gerade das Festspielhaus besucht, und dessen Leiter habe ihm spannende Pläne für eine neue Unterkunft vorgelegt. "Das", so Reiter, "halte ich für lösbar". Ansonsten zeigte er sich beeindruckt von der Heimatverbundenheit der Neuperlacher, die gerne hier leben. Zugleich schlug der OB einen größeren Bogen: "Das Jubiläum ist für ganz München bedeutend, weil es beispielhaft dafür steht, wie Wachstum zu bewältigen ist."

Norbert Kreitl, Vorsitzender des SVN München und damit Gastgeber der Veranstaltung, nutzte seine Rede für einen spannenden Rückblick auf die Geschichte des Stadtviertels. Selbst Teil jener Pioniergeneration, die Neuperlach wesentlich prägte, erinnerte er an glückliche und unglückliche Momente: die Gründung des SV Neu-Perlach 1969 etwa, die Einführung der ersten Tempo-30-Zonen Münchens in Wohngebieten, die Rettung des Perlacher Waldes oder den Verkauf der Neue-Heimat-Wohnungen. Vor allem aber zeigte Kreitls Vortrag, wie stark das bürgerschaftliche Engagement in Neuperlach war und ist.

Neuperlach: Feine Gesellschaft: Die Neuperlacher feierten in der Halle des SVN München dieGründung des Stadtviertels vor 50 Jahren.

Feine Gesellschaft: Die Neuperlacher feierten in der Halle des SVN München dieGründung des Stadtviertels vor 50 Jahren.

(Foto: Robert Haas)

Vermisst wurde am Abend hingegen Alt-OB Hans-Jochen Vogel, der sich entschuldigen ließ. Der stellvertretende BA-Vorsitzende Kurt Damaschke (SPD) verlas ein Grußwort des 91-Jährigen. Darin zieht Vogel das Fazit, dass man heute die "Entlastungsstadt Neuperlach" in Details sicher anders realisieren würde. "Die Grundgedanken aber waren richtig - die Mischung von Wohn- und Arbeitsstätten, das Zentrum für den Münchner Osten und die U-Bahn-Anbindung." Bleibt zu hoffen, dass man das über die "verspätete" Mitte Neuperlachs auch einmal sagen kann.

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