Neun S-Bahnen, 90 Kilometer Autobahn:"Wir haben das größte Gefahrenpotenzial"

Neun S-Bahnen, 90 Kilometer Autobahn: Im Münchner Landratsamt ist auch die Feuerwehreinsatzzentrale des Landkreises untergebracht.

Im Münchner Landratsamt ist auch die Feuerwehreinsatzzentrale des Landkreises untergebracht.

(Foto: Claus Schunk)

Der Landkreis München unterhält mit Verweis auf seine Sonderstellung nach wie vor seine eigene Einsatzzentrale, die auch für Bürger in Notlagen da ist

Von Stefan Galler

So richtig haben sie in der Landeshauptstadt nie begriffen, wofür sie gut sein soll, die Feuerwehr-Einsatzzentrale (FEZ) des Landkreises München. Vor allem Wolfgang Schäuble, seit 2005 Leiter der Branddirektion München, sprach sich stets für eine Eingliederung der FEZ in die Integrierte Leitstelle der Berufsfeuerwehr aus. Die Hauptargumente des Feuerwehr-Chefs: Die landkreiseigene Leitstelle koste viel zu viel - etwa eine Million Euro muss der Kreis jährlich für ihren Unterhalt berappen -, der Nutzen halte sich jedoch in Grenzen. Seit 2002 gibt es in Bayern ein Gesetz, wonach Rettungsdienste und Feuerwehren nur noch über die Notrufnummer 112 zu erreichen sind. Zeitverzögerung und unnötige Kosten sollten vermieden werden. Und so zog man damals rund 300 Einzel-Leitstellen im Freistaat in 26 Integrierte Leitstellen (ILST) zusammen.

Der damalige Landrat Heiner Janik (CSU) kämpfte jedoch um den Erhalt der FEZ für den Landkreis - letztlich mit Erfolg, denn er argumentierte damit, dass die eigene Landkreis-Zentrale einen erheblichen Beitrag für die Sicherheit der Bürger leiste. Janik erwirkte zunächst einmal, dass die Einsatzzentrale erhalten bleiben dürfe, wenn sie ebenso sicher und schnell funktioniert wie eine Integrierte Leitstelle. Ein entsprechendes Gutachten des TÜV Süd stellte im Herbst 2012 genau das fest - und so hat die FEZ eben bis heute Bestand. Nicht zuletzt wegen des unermüdlichen Einsatzes der Landkreisfeuerwehren, der Kreisbrandinspektion und zahlreicher Kreispolitiker, darunter Janiks Nachfolgerin Johanna Rumschöttel (SPD) und der aktuelle Landrat, Christoph Göbel (CSU): Sie alle kämpften - letztlich mit Erfolg - für den Erhalt der 1972 im Zuge der Gebietsreform und der damit verbundenen Eingliederung von neun weiteren Gemeinden in den Landkreis München eingerichteten Zentrale in ihrer eigenständigen Struktur.

Kreisbrandrat Josef Vielhuber hatte 2012 leidenschaftlich für die Zentrale argumentiert - und er tut das auch heute noch: "Damals galt, was heute gilt: Unser Landkreis ist nicht vergleichbar mit anderen. Wir sind der einwohnerstärkste Landkreis in Bayern mit 340 000 Menschen, Tendenz steigend", sagt Vielhuber. "Wir haben das größte Gefahrenpotenzial, unter anderem auch durch die vielen Autobahnen, verschiedene Unternehmen, durch Forschungseinrichtungen in Garching und Martinsried mit Biochemie und Radioaktivität", so der Kreisbrandrat weiter. In der Tat verlaufen etwa 88,6 Kilometer Autobahn durch den Landkreis, neun S-Bahnlinien mit insgesamt 34 Haltestellen, eine U-Bahnlinie, eine Straßenbahnlinie und 57 Buslinien mit 650 Haltestellen. Dazu kommen jede Menge Firmen mit Gefahrenpotenzial wie Airbus, Linde, IABG, Infineon, die Bavariafilm und der Medienpark Unterföhring.

Die FEZ beschäftigt 18 hauptamtliche und zehn nebenberufliche Mitarbeiter, die dem Landratsamt München unterstellt sind. Alle Angestellten müssen, wie ihre Kollegen in den Integrierten Leitstellen auch, über eine qualifizierte rettungsdienstliche und feuerwehrtechnische Ausbildung verfügen. Hauptaufgabe des FEZ ist die Entgegennahme und Bewertung von Notrufen, die von der ILST München weitergeleitet werden und den Einsatz von Feuerwehr, Polizei oder Rettungsdienst erfordern. Die FEZ alarmiert dann je nach Bedarf die 45 Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis, die zwölf Werk- und Betriebsfeuerwehren oder den ABC-Zug und das Technische Hilfswerk. Insgesamt kann die Feuerwehr-Einsatzzentrale des Landkreises aktuell auf knapp 4000 Einsatzkräfte und 475 Fahrzeuge zurückgreifen.

Auch die Annahme von Alarm-, Störungs- und Wartungsmeldungen von 1100 entsprechenden Anlagen im Landkreis wird von der FEZ geleistet. Außerdem agiert die Zentrale als Auskunftsstelle für Bürger bei allgemeinen Notlagen, bei allen Fragen zum Brandschutz, sowie bei der Vermittlung von Fachkräften, etwa von Tierärzten oder Imkern. Im Jahr 2016 liefen in der FEZ des Landkreises 31 125 Notrufe ein, sie koordinierte 9650 Feuerwehreinsätze und bearbeitete 12 978 Störungen, Wartungen und Überprüfungen von Brandmeldern.

Eine Schwachstelle im Zusammenwirken von Integrierter Leitstelle und Landkreis-Einsatzzentrale hat der TÜV Süd übrigens 2012 sehr wohl ausgemacht: Es gebe unterschiedliche Datenübertragungstechniken, was sich nachteilig auf die Geschwindigkeit bei der Weiterleitung von Notrufen auswirke, hieß es in dem Gutachten. Laut Kreisbrandrat Vielhuber habe das Problem jedoch an der Stadt gelegen, nicht am Landkreis: "Wir haben seit einigen Jahren moderne Software, die Kollegen waren da bislang schlechter aufgestellt." Dieses Problem könne nun jedoch behoben werden, durch die neue Leitstelle verfüge auch die ILST mittlerweile über beste Datentechnik, einer direkten Verbindung über VPN (Virtual Private Network) stehe nichts mehr im Wege, so Vielhuber. Er rechnet mit einer Anbindung noch im Laufe dieses Jahres.

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