Neuhausen/Nymphenburg:Metamorphosen im Quartier

Die Well-Brüder besingen die Untertunnelung der Landshuter Allee, und für das Naturkundemuseum Biotopia fliegen die Schmetterlinge. Die Besucher freuen sich über einen gelungenen Auftakt der Stadtteilwoche

Von Corbinian Wildmeister, Neuhausen/Nymphenburg

Nach und nach füllt sich am Freitagabend das blaue Zirkuszelt im Hirschgarten. Ein großes Schild mit gelben Leuchtbuchstaben verrät, warum: "Stadtteilwoche" ist dort zu lesen. "Dass die Leute heute etwas schleppend kommen, liegt an der Hitze", erklärt Sylvia Ottes vom Kulturreferat. Nachvollziehbar: Noch um 19 Uhr hat es etwa 30 Grad, im Zelt ist es gefühlt sogar noch heißer. Und doch sind plötzlich alle Plätze besetzt, der ein oder andere muss sogar stehen. Während die Besucher darauf warten, dass sich etwas auf der Bühne tut, wo die Instrumente vom Akkordeon bis zum Alphorn schon bereitstehen, fächern sich einige mit ihren Programmheften Luft zu oder holen sich noch etwas zu trinken. Dann ertönt ein elektronischer Gong, und die Stadtteilwoche Neuhausen-Nymphenburg wird offiziell eröffnet.

Neuhausen/Nymphenburg: Die Bewegungen des Schmetterlings: Vor großem Publikum sollte auf das künftige Naturkundemuseum Biotopia hingewiesen werden.

Die Bewegungen des Schmetterlings: Vor großem Publikum sollte auf das künftige Naturkundemuseum Biotopia hingewiesen werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Nach einem Grußwort von Stadtrat Florian Roth (Grüne) und der Vorsitzenden des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg, Anna Hanusch (Grüne), wendet sich noch einmal Organisatorin Sylvia Ottes an das Publikum: "Wenn sie sich wundern, dass wir so lange reden: Die Künstler schreiben gerade noch an ihrem Text." Die Festbesucher lachen.

Doch als die Well-Brüder aus'm Biermoos kurz darauf die Bühne betreten, wird klar, dass Ottes tatsächlich keinen Scherz gemacht hat. Mit frisch verfassten Zeilen zu Nymphenburg und zu Neuhausen begrüßen die politisierenden Volksmusiker ihre Zuhörer in der "herrlich gemischten Sauna". So spielt das Trio auf humorvolle Art und in schönstem bairischen Dialekt auf lokalpolitische Themen an: "In Neuhausen werd de Kinder de Unendlichkeit so erklärt: Des is dann, wenn de Landshuter Allee amoi untertunnelt werd." Oder man scherzt über die jüngsten Entwicklungen der Münchner Fußball-Welt: "Und wenn de Sechzger in da 4. Liga aa koane Punkte hoin, werns demnächst gegnan FV-Neuhausen spuin."

Neuhausen/Nymphenburg: "Stadtteilwoche" steht in großen Lettern auf dem Zirkuszelt im Hirschgarten.

"Stadtteilwoche" steht in großen Lettern auf dem Zirkuszelt im Hirschgarten.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Danach rappen die Well-Brüder in Latein über das bayerische Schulsystem, bringen die Unausweichlichkeit des Sterbens mit der CSU und dem FC Bayern in einen Zusammenhang und überzeugen anhand von Schuhplattler-, Bauchtanz- und Highland-Dancing-Darbietungen auch mit ihrem tänzerischen Können. Die Stimmung im Publikum ist ausgelassen, es wird gelacht und mitgesungen. "Sie spielen toll und sind lustig", findet eine Besuchergruppe. Holger Machatscheck ist der Meinung, die Well-Brüder seien "erstklassige Musiker". Und den Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher freut, dass "die Konservativen die Volksmusik nicht gepachtet haben".

Neuhausen/Nymphenburg: Gerade für Kinder war beim Auftakt der Stadtteilwoche viel geboten.

Gerade für Kinder war beim Auftakt der Stadtteilwoche viel geboten.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Tags darauf geht es bei den Stadtteilkulturtagen sogar noch lebhafter zu.Viele Familien tummeln sich auf dem Gelände, und die zahlreichen Infostände der ansässigen Vereine bereichern das Festprogramm. Ein junges Paar mit drei Kindern freut sich über die vielen Angebote für ihren Nachwuchs, denn unter anderem gibt es eine Hüpfburg und ein Karussell. Und auch an diesem Tag besteht kein Mangel an Sonne. So haben es sich einige Gruppen mit Picknickdecken im Schatten der Bäume gemütlich gemacht und Kinder suchen am Wasserspielplatz nach Abkühlung.

Neuhausen/Nymphenburg: Musik machte unter anderem der Oberländer Heimatverein Almrausch Stamm München von 1893.

Musik machte unter anderem der Oberländer Heimatverein Almrausch Stamm München von 1893.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Erfrischung in Form von Getränken finden die Besucher auch im Gastrozelt. Statt der üblichen Bratwurstsemmel bietet die Culture Kitchen dort afghanische, eritreische und syrische Spezialitäten an. Wobei es nicht den Eindruck macht, dass sich die Festgänger davon abschrecken lassen, ganz im Gegenteil. Ein Gaumenschmaus sind auch die Kaffeespezialitäten im "Café Biene" am Stand der Nymphenburger Schulen. In selbst getöpferten Tassen servieren die Schüler dort einen Cappuccino, der nach Italienurlaub schmeckt. Kein Wunder: Der junge Mann an der Theke hat einen Barista-Kurs gemacht.

Eine der längsten Schlangen bildet sich am Zelt des künftigen Naturkundemuseums Biotopia, genauer gesagt am Virtual-Reality-Flugsimulator "Birdly". Wie ein Vogel kann man darin durch die Häuserschluchten von New York gleiten. Leider nur zwei Minuten, denn dann ist schon der Nächste dran. "Heute ist ein wichtiger Tag für uns", verkündet Biotopia-Gründungsdirektor Michael John Gorman. "Denn zum ersten Mal können wir unsere Ideen direkt mit unseren Nachbarn teilen." Schmetterlinge seien ein beliebtes Sinnbild für eine Metamorphose, erklärt Gorman weiter. Eine solche Verwandlung habe man auch für die Umgestaltung des Museums Mensch und Natur geplant. Dann wird symbolträchtig eine Gruppe selbstgezüchteter Tagpfauenaugen in die Freiheit entlassen, und Tänzerin Monica Clancy führt einigen Kindern - alle verkleidet als Admirale oder Kleine Füchse - typische Schmetterlingsbewegungen vor.

Mindestens 1000 Besucher seien allein am Samstag gekommen, schätzt Sylvia Ottes zufrieden. "Ich freue mich vor allem, dass alle Angebote gut angenommen wurden. Man braucht keinen Besucherrekord, wenn die Leute glücklich sind." Dass dieses Ziel trotz des regnerischen Wetters am Sonntag erreicht wurde, ist kaum zu bestreiten. "Eigentlich sollte man das Fest fast jedes Jahr machen", sagt etwa ein junger Mann, der mit seiner Familie um die Ecke wohnt. "Man könnte auch einen kleinen Obolus verlangen - müssten ja keine zwanzig Euro sein." Dieser Wunsch wird kaum in Erfüllung gehen, touren die Stadtteilwochen doch bewusst durch das ganze Stadtgebiet, aber immerhin bleibt das Fest von und für Neuhausen-Nymphenburg noch ein paar Tage attraktiv.

Das Festival dauert noch bis Donnerstag, 29. Juni. Das Programm gibt es unter www.muenchen.de/stadtteilkultur. Der Eintritt ist frei.

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