Neuhausen/Nymphenburg:Alles halb so wild

"Gerner Brücke" in München, 2012

Von Belagerungszustand der Gerner Brücke sprechen Anwohner, doch meist sind nur wenige Menschen dort. Und die nehmen meist ihren Müll mit.

(Foto: Robert Haas)

Obwohl eine entnervte Anwohnerin einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat, bleiben Bezirksausschuss und Polizei bei ihrer Einschätzung: Die Gerner Brücke ist kein Party-Brennpunkt

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

34 Mal ist eine Polizeistreife in den Sommermonaten des vergangenen Jahres zur Gerner Brücke gefahren, um zu kontrollieren, ob dort Jugendliche exzessiv feiern und zur Räson gerufen werden müssen. 29 dieser Einsätze gingen auf einen Beschwerdeanruf ein- und derselben Anwohnerin zurück. So hat es erst vor einigen Monaten ein Vertreter der Polizeiinspektion dem Neuhauser Bezirksausschuss (BA) berichtet und deutlich durchblicken lassen, dass die Polizei den beliebten Treffpunkt am Nymphenburger Kanal nicht für einen Party-Brennpunkt hält. Abgehakt ist das Thema damit längst nicht: Nun hat sich sogar ein Rechtsanwalt bei BA-Chefin Anna Hanusch gemeldet, der im Namen seiner Mandantin - die Frau wohnt vis-à-vis der Brücke - wissen will, warum der Bezirkssausschuss nichts gegen den "Missstand" unternehme.

Die Stadtviertelvertreter reagierten etwas befremdet, nicht nur, weil ein Bürgeranliegen per Anwaltsschreiben vorgetragen wird - sie wollen sich auch nicht der Untätigkeit zeihen lassen. Man habe zuletzt eine Schlichtung durch das städtische Konfliktmanagement-Team von Akim angeregt, erklärte Peter Loibl von der Arbeitsgemeinschaft für Neuhausen (AGS). "Und wir haben in diesem Sommer unseren Jugendbeauftragten hingeschickt." Nima Lirawi, der nämliche Beauftragte, erklärte, er sei an so einigen Abenden zur Gerner Brücke gegangen und habe meistens Jugendliche angetroffen, die friedlich ein, zwei Bierchen oder Wein tranken. Freilich gab es auch mal andere, die sich - auf ihre Lautstärke angesprochen - uneinsichtig gezeigt hätten. "Dann muss man halt die Polizei rufen", so Lirawi.

Weitere Aktionen hat Loibl in seiner Aufzählung sogar vergessen. Im Jahr 2014 hatte zum Beispiel CSU-Fraktionssprecherin Kristina Frank die Beschwerden vereinzelter Anwohner über extremen Lärm, Vermüllung und Vandalismus in ihrer schönen, ruhigen und teils recht herrschaftlichen Wohngegend aufgegriffen und die Stadtverwaltung gefragt, wie man die Anwohner schützen könne. Die Antwort: alles halb so wild. Bei mehreren Begehungen habe man kaum mehr als 15 Jugendliche angetroffen, die "sich zivilisiert verhalten" und "in aller Regel ihren Müll entsorgen". Auch die Polizei hatte damals bestätigt, dass sie bei regelmäßigen Streifenfahrten weder "ausufernde Feiern noch größere Lärmbelästigungen" feststellen konnte.

Im Sommer 2012 und 2013 war es eine andere Anwohnerin gewesen, die sich beim BA mit aller Vehemenz über den "Belagerungszustand" an der Brücke beschwert hatte, die Zustände mit dem Gärtnerplatz, gar mit dem Wiesn-Rummel verglichen hatte. Sie forderte Schilder auf der Brücke, die Musikgeräte und Alkohol verbieten und die Jugendlichen dadurch vertreiben. "Denn auch zwischen 7 und 22 Uhr haben Anwohner ein Schutzrecht auf ein ruhiges Zuhause". Dem Vorwurf der Vermüllung und Verwahrlosung war die damalige BA-Vorsitzende Ingeborg Staudenmeyer selbst nachgegangen. Ergebnis: An einem Sonntagmorgen hatte die städtische Kehrmaschine auf der Brücke ein, zwei Flaschen, zwei leere Zigarettenschachteln und eine leere Fastfood-Tüte aufgefegt.

Damals wie heute halten die Neuhauser Stadtviertelpolitiker - manche kommen selbst regelmäßig vorbei an der Gerner Brücke mit dem stimmungsvollen Blick übers Wasser auf Schloss und Sonnenuntergang - an ihrer Auffassung fest, den Jugendlichen den Aufenthalt dort nicht zu vergällen. Daran ändert auch ein anwaltliches Schreiben nichts. "Alles was da läuft, ist zumutbar", betonte Loibl noch einmal, "wenn's nicht über die Stränge schlägt."

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