Neuhausen:Versuch der Wiedergutmachung

Jutierhalle auf dem Gelände im Schwere Reiter in München, 2011

In der Jutierhalle wurden einst Wasserrohre mit Jute umwickelt.

(Foto: Alessandra Schnellnegger)

Ernst Henle entwarf die Pläne für die Jutierhalle, nach ihm soll sie nun benannt werden

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

Vor Jahrzehnten haben die Münchner Wasserwerke dort Leitungsrohre mit Jute umwickelt - daher rührt der Name "Jutierhalle". Wenn es nach dem Bezirksausschuss (BA) Neuhausen-Nymphenburg geht, soll sie umbenannt werden in Ernst-Henle-Halle, zum Gedenken an einen Mann, der sich zwei Tage nach der Reichspogromnacht im November 1938 das Leben nahm. Einstimmig brachte der BA kürzlich diesen Antrag der Grünen-Fraktion auf den Weg.

Kundig gemacht über Ernst Henle hat sich Grünen-Mitglied Ina Kuegler im Stadtarchiv, im Kriegsarchiv und in einem neuen Aufsatz des Münchner Historikers Jan Neubauer, der 2017 im Jahrbuch für Antisemitismusforschung Nummer 26 erschienen ist. Der 1878 in München geborene Henle war Stadtbaudirektor und ab 1910 Leiter des Münchner Wasserwerks, er entwarf auch die Pläne für die 1926 gebaute, 1993 unter Denkmalschutz gestellte und jetzt leer stehende Jutierhalle. Wegen seiner jüdischen Herkunft verlor er seinen Job. Dass seine Eltern bereits anderthalb Jahre nach seiner Geburt in die evangelische Kirche eingetreten waren, schützte Henle (wie auch andere Konvertierte) nicht. Von 1933 an wurde er, fasst Kuegler das Ergebnis ihrer Nachforschungen zusammen, von seinen Kollegen und Untergebenen übelst diffamiert. In wiederholten Schreiben an die Rathausspitze hätten diese für die "Ausschaltung völkisch fremder Elemente" geworben und erklärt, es sei "ein unerträglicher Gedanke, als einziges öffentliches Amt der Stadt der Führung eines Judenstämmlings unterstellt zu bleiben". 1934 wurde Henle in den Ruhestand versetzt, am 11. November 1938 nahm er sich unter dem Eindruck der Reichspogromnacht an der Isar das Leben.

Die Jutierhalle, eine 92 Meter lange, 27 Meter breite und zwischen elf und 17 Meter hohe Eisenbetonkonstruktion, ist eine der beiden großen Industriehallen zwischen Dachauer Straße und Heßstraße, die die Stadt für einen zweistelligen Millionenbetrag sanieren wird; sie sollen zusammen mit einem neuen Gründer- und Innovationszentrum und dem benachbarten Hochschulcampus das künstlerische Kraftzentrum des neuen Kreativquartiers Nähe Leonrodplatz werden. Für die Tonnenhalle sieht das Konzept zwei Säle für Tanz, Theater und Musik vor, einen mit etwa 600 und einen mit 120 Sitzplätzen. In der kleineren Jutierhalle sollen auf zwei Etagen 44 Ateliers und Arbeitsräume entstehen. Von 2000 bis 2003 haben die Münchner Kammerspiele während der Sanierung ihres Hauses die Halle als Interimsspielstätte genutzt.

"Dieses neue Kulturzentrum nach Ernst Henle zu benennen, bietet sich geradezu an, wäre ein Versuch der partiellen Wiedergutmachung", begründet Kuegler ihren Antrag.

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