Neuhausen:Eine City für gering verdienende Staatsdiener

  • Nahe dem Leonrodplatz entstehen 680 neue Wohnungen. Sie sollen vor allem an Polizisten, Pfleger, Finanz- und Justizbeamte mit wenig Gehalt vergeben werden.
  • Die "Beamten-City" entsteht an einer Stelle, an der das Mediendorf geplant gewesen wäre, hätte München den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2018 erhalten.
  • Die Nachbarn fürchten einen Verkehrskollaps.

Von Sonja Niesmann

Hätten die eben beendeten Olympischen Winterspiele nicht in Pyeongchang, sondern in München stattgefunden, müsste man an diesem Abend nicht zusammensitzen in der Schule an der Gertrud-Bäumer-Straße zur Erörterung des Bebauungsplans Südliches Oberwiesenfeld. Denn dann stünde auf dem Areal an der Schwere-Reiter-/Emma-Ihrer-Straße ein Mediendorf, in das nach dem Erlöschen des Feuers und dem Auszug der Journalisten aus aller Welt Münchner einziehen könnten.

So aber sind die Pläne von 2010 in der Schublade verschwunden. Diese wurde erst wieder geöffnet, als der bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU) Ende 2015 eine Wohnbauoffensive ankündigte: 1000 günstige Wohnungen für Staatsbedienstete sollen bis 2020 in München errichtet werden.

Einen positiven Aspekt hat die Verzögerung: Statt der 400 im Mediendorf geplanten Unterkünfte sollen jetzt rund 680 Wohnungen gebaut werden in dieser "Beamten-City", wie Söder es titulierte. Damit keine Ressentiments angesichts gut gestellter Beamten bedient werden, beeilt sich Helmut Gropper, Geschäftsführer der Stadibau GmbH, zu versichern: Die Wohnungen mit einer Miete zwischen acht und zehn Euro pro Quadratmeter seien gedacht für geringer Verdienende, ob Beamte, Angestellte oder Arbeiter im Staatsdienst, "für Polizisten und Pflegekräfte, Finanz- und Justizbeamte, Lehrer".

8000 Wohnungen sind bereits im Eigentum der Gesellschaft für den Staatsbedienstetenwohnungsbau, einer 100-prozentigen Tochter des Freistaates, 6000 im Großraum München. Und bei den zuletzt angekündigten 1000 neuen werde es sicher nicht bleiben, setzte Gropper hinzu, "wir werden bestimmt weitere 1000 bauen".

In vier fünf- bis achtgeschossigen Einzel-Baukörpern, deren Höhe sich orientiert an den benachbarten Wohngebäuden am Rosa-Luxemburg-Platz sowie dem angrenzenden neuen Strafjustizzentrum am Leonrodplatz, sollen die Staatswohnungen untergebracht werden - statt Blockrandbebauung eine lockere, offene Struktur mit großen Innenhöfen, Fuß- und Radwegen, so dass ein sanfter Übergang in den Olympiapark entsteht. Zu knapp 63 000 Metern Geschossfläche kommen drei Kindertagesstätten sowie, an der lauten Seite zur Straße hin, 2000 Quadratmeter Fläche für kleineren Einzelhandel und Büros, in die laut Gropper wohl die bisher in Schwabing ansässige Stadibau mit ihren 60 Mitarbeitern selbst einziehen wird.

Der Bebauungsplan wird im beschleunigten Verfahren durchgeführt, bis 4. April läuft die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und Fachstellen. Mitte 2018 würden die Artenschutz-Untersuchungen und die Altlasten-Entsorgung beginnen, kündigte Gropper an. Dass auf dem einst militärisch genutzten Gelände, auf dem bis Ende 2017 der Verein "O'pflanzt is" in seinem Gemeinschaftsgarten Kürbisse, Karotten und Blumen gezogen hat, so einiges, auch an Kampfmitteln, ans Tageslicht kommen dürfte, haben erste Bodenproben bereits bestätigt.

Im zweiten Halbjahr 2019 soll der Stadtrat den Planentwurf billigen. Das neue Wohnquartier wird in zwei Abschnitten errichtet; Baubeginn für die ersten zwei Gebäude mit 300 Wohnungen zur Schwere-Reiter-Straße hin könnte Mitte 2020 sein. Der zweite Abschnitt wird später in Angriff genommen, weil direkt dahinter noch Gebäude der Tierklinik stehen, die spätestens 2021 nach Oberschließheim umziehen wird. Aus dem Tierklinik-Gelände wird eine 35 000 Quadratmeter große öffentliche Grünfläche - als Erweiterung des Olympiaparks und attraktiver Parkeingang, auch zum Tollwood-Sommergelände hin.

Die Anwohner beschäftigen vor allem die Auswirkungen auf den Verkehr. Sie befürchten massiv mehr Autoverkehr durch ihre Wohnstraßen, weil nun zu der geplanten Tiefgarageneinfahrt des Strafjustizzentrums an der Anita-Augspurg-Allee auch noch die Tiefgaragenzufahrt der "Beamten-City" an der Emma-Ihrer-Straße kommt. Und grundsätzlich wurden Bedenken laut, wie das öffentliche Verkehrsnetz am Leonrodplatz ohne U- oder S-Bahnhof all die Neuansiedlungen bewältigen soll - das Justizzentrum mit allein 1600 Mitarbeitern, das Kreativquartier mit 900 Wohnungen, zwei großen Veranstaltungshallen und weiteren Kultureinrichtungen und nun noch ein weiteres Wohnquartier.

Die MVG will dies mit extra langen Tramzügen und dichterem Takt schaffen. "Man muss mit dem bestehenden ÖPNV-Netz klarkommen und es optimieren", mehr konnte Ulrich Schaaf vom Planungsreferat auch nicht versprechen.

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