Neuhausen:Durchmarsch mit dem Knödelabitur

Das Käthe-Kollwitz-Gymnasium hat sich von seinen rein sozialwissenschaftlichen Anfängen emanzipiert. 50 Jahre nach der Gründung ziehen weitere Zweige und ein flexibles Ganztagsangebot neue Schülergenerationen an

Von Melanie Staudinger, Neuhausen

Sozialwissenschaftler? Sind das nicht die ewigen Studenten mit den abgeranzten Klamotten? Vorurteile über Soziologen gibt es viele, und es ist wohl auch dieser Intoleranz geschuldet, dass das städtische Käthe-Kollwitz-Gymnasium (KKG) sein 50-jähriges Bestehen feiern kann. Der sozialwissenschaftliche Zweig dürfte ein Grund gewesen sein, warum das KKG 1967 von seiner Mutterschule, dem Louise-Schroeder-Gymnasium (LSG), getrennt wurde. Offiziell war von einer zu großen Schülerzahl die Rede. Was am Ende den Ausschlag gegeben hat, spielt keine Rolle mehr, wenn in dieser Woche die großen Feierlichkeiten beginnen, mit einem schulinternen Festakt am Donnerstag und einer daran anschließenden Vortragsreihe.

Paul Walter hat die Historie rund um das Neuhauser Gymnasium erforscht. Der Pädagoge kam 1978 als junger Lehrer für Deutsch und Geschichte ans KKG, vor zwei Jahren verabschiedete er sich in die Pension. 1967, so erzählt er, hatte das damalige Louise-Schroeder-Gymnasium, eine reine Mädchenschule, mehr als 1000 Schülerinnen. Das ist heute keine Seltenheit mehr, damals aber galt eine inoffizielle Grenze von 800 - eine Teilung musste her. Und die gestaltete sich einfach: Die 23 neusprachlichen Klassen wurden von den 15 sozialwissenschaftlichen getrennt, beide Schulen verblieben aber auf dem Gelände an der Nibelungenstraße. Das LSG behielt den größeren A-Bau, die neue "Schule II" zog in den sogenannten B-Bau. Selbst die Schulhöfe waren separiert: Im größeren Südhof residierten die Schülerinnen des LSG, im Norden der Rest. Die 16 Lehrkräfte, die sich für die "Schule II" gemeldet haben, sollen die "mit dem flotteren Mundwerk" gewesen sein, berichtet Walter. Am 13. Dezember 1967 entschied sich der Stadtrat für Käthe Kollwitz als Namensgeberin. Zur Auswahl standen noch die Mitbegründerin der Deutschen Demokratischen Partei, Gertrud Bäumer, und Thomas Mann.

Neuhausen: Heute stellen die Mädchen - hier Schülerinnen aus der aktuellen 5 a - die Hälfte der Schülerschaft, das KKG wird bei Jungen immer beliebter.

Heute stellen die Mädchen - hier Schülerinnen aus der aktuellen 5 a - die Hälfte der Schülerschaft, das KKG wird bei Jungen immer beliebter.

(Foto: Robert Haas)

"Damals dachten einige, dass der sozialwissenschaftliche Zweig mit einer Art Knödelabitur endet, weil die dritte Fremdsprache durch Soziallehre ersetzt wurde", sagt Direktor Luitpold Klotz, der das KKG seit 2012 leitet und - wie soll es anders sein - vorher am LSG unterrichtet hat. Doch das KKG bewies von Anfang an, dass man es nicht unterschätzen sollte. Im Schuljahr 1970/71 wurde der neusprachliche Zweig mit Französisch als erster Fremdsprache eingerichtet, 1971/72 kamen die ersten Jungen an die Schule. Das Gymnasium wuchs - so stark, dass das Schulreferat den sozialwissenschaftlichen Zweig 1982 einstellte, um mehr Platz zu schaffen. Dennoch musste ein neuer Schulstandort her. Das KKG setzte sich durch und blieb in Neuhausen, das LSG verabschiedete sich Anfang der Achtzigerjahre nach Untermenzing.

Irgendwann aber wollten die Schüler nicht mehr mit Französisch in der fünften Klasse beginnen. Die Anmeldezahlen sanken - und Klotz entschied sich, zusätzlich zum neusprachlichen einen naturwissenschaftlichen Zweig anzubieten. Mit Erfolg: 2012/13 wollten 72 angehende Fünftklässler ans KKG, 13/14 mit naturwissenschaftlichem Zweig waren es 217. Klotz setzt zudem auf einen flexiblen offenen Ganztag - Eltern können einen bis fünf Nachmittage buchen. Die Schule soll heute Lebensraum sein. Dazu gehören Spielgeräte für die Kleinen ebenso wie Austauschprojekte, der Bienenstock oder die Aquarien, die von Kindern betreut werden. Politische Bildung ist wichtig. Die Schüler diskutieren mit Vertretern des Bundes- und des Landtags - noch. "Wir laden immer die im Gremium vertretenden Parteien ein", sagt Klotz. Die AfD aber wolle er nicht an seiner Schule haben.

Neuhausen: Das Käthe-Kollwitz-Gymnasium war anfangs eine Mädchenschule.

Das Käthe-Kollwitz-Gymnasium war anfangs eine Mädchenschule.

(Foto: privat)

Mit der Schule wandelten sich auch Schüler und Eltern. Bunt gemischt ist das Gymnasium heute, etwa die Hälfte der Kinder hat ausländische Wurzeln. "Die Kinder stehen heute unter hohem Druck", sagt Klotz. Scheidungen, Eltern-Erwartungen und soziale Medien - das alles belastet. Was sich noch unterscheidet? "Die Abi-Streiche", sagt der frühere Lehrer Walter. Heute seien diese zu Events mit Schaumschlachten, viel Wasser und Lärm geworden. "Früher waren die Schüler kreativer", sagt der Pensionär. Da standen schon mal Autos im Vorraum der Schule, oder der Eingang zum Lehrerparkplatz sei zugemauert gewesen. Direktor Klotz scheint ganz froh zu sein, dass diese Zeiten vorbei sind.

Das KKG feiert mit der Vortragsreihe "Von der Schule ins Leben". Am 21. März spricht der ehemalige Schüler Daniel Grossmann (Dirigent), am 3. April Claudia Schmitz (Coach), am 26. April Elisabeth Vallentin (Entwicklungshelferin) und am 31. Mai Schwester M. Johanna Lauterbach. Beginn ist jeweils um 19 Uhr in der Mensa.

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