Neuhausen:Abriss einer Idylle

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Das "Huberhäusl" im Kreativlabor an der Dachauer-/Ecke Schwere-Reiter-Straße ist dem Erdboden gleich gemacht worden. Die Initiative, die das Grundstück lange gepflegt hat, trauert und spricht von "Destruktion"

Von Birgit Lotze, Neuhausen

Das "Huberhäusl" im Kreativlabor an der Dachauer-/Ecke Schwere-Reiter-Straße ist abgerissen worden, seine Fans trauern. Die städtischen Bagger rollten überraschend und schnell an. Am Donnerstagmorgen blickten zehn Münchner, die als "Initiative Huberhäusl" das Häuschen jahrelang gepflegt hatten, auf Tapetenreste, auf eine Kloschüssel und viel Schutt. Sie waren zwar darauf vorbereitet, doch vor Ende Mai hatten sie nicht damit gerechnet. "Es ist sehr bedauerlich, wir hätten zumindest gerne ein Abschlussprojekt gemacht", sagt Dominik Schubert, der viel Zeit mit dem Bepflanzen des kleinen Gartens des ehemaligen Hausmeisterhäuschens verbracht hat.

Das kleine Einfamilienhäuschen ist das erste Gebäude, das auf dem Kreativlabor-Gelände abgerissen wurde. Weitere, die ebenfalls als baufällig eingestuft wurden, sollen noch fallen. Das Holzhaus hatte nie ein so großes Publikum wie das Pathos-Theater, das Leonrodkino oder die Kantina Libre - andere Gebäude im Künstler-Teil des Kreativquartiers. Trotzdem fiel es auf, durch sein spitzes Dach, den urigen Garten und ein etwas spießiges Ambiente mit Klingelschild und Blümchentapete inmitten der Flachbauten und Hallen, die von Kulturschaffenden genutzt werden. Eine Gruppe von Künstlern um Dorothea Seror, Raquel Rodriguez und Andreas Ohrenschall hatte sich vor mehr als drei Jahren des Häuschens angenommen. Sie wollten die Idylle bewahren und mit Kunst aufwerten, sagt Dorothea Seror. Jeder von ihnen habe einen emotionalen Zugang zu dem Häuschen gehabt. Sie spricht von Destruktion: "So ein Eingriff tut richtig weh."

Für die Künstler und andere Menschen, die das Huberhäusl und seinen Garten wieder zum Leben erweckten, war das Häuschen das Herzstück des Geländes. "Der Charme des Hauses hat uns als Gruppe hier zusammengeführt", sagt Dominik Schubert. Er sei dort auf Menschen getroffen, die er sonst nie kennengelernt hätte. Er selbst ist Lehrer, aber auch Architekten und Webdesigner sind unter denen, die den Garten nachhaltig bewirtschafteten. Es sei ein sehr schöner Ort gewesen, hört man, ein Gegenpol zum Beruf, ein freies Arbeiten, ein freies Projekt.

Anna Hanusch (Grüne), die Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Neuhausen-Nymphenburg, wurde nicht von der Stadt informiert und hat den Abriss auf Facebook verfolgt. Sie hatte das Kommunalreferat vergeblich gebeten, zu warten, damit die Nutzer sich mit einer bereits geplanten Veranstaltung verabschieden können. Die Initiative Huberhäusl hatte sich mehr Einsatz für das Häuschen gewünscht. Doch der BA ist der Meinung, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Flüchtlingen, die bald auf dem Gelände einziehen sollen, "entweder ein Haus stehen sollte, das betretbar ist, oder gar keines", sagt Hanusch.

Das Häuschen wirkte äußerlich gut erhalten, doch das Kommunalreferat hatte es wegen seiner Baufälligkeit nicht mal in die Bestandsprüfung aufgenommen. Als die Künstler 2012 eindrangen, lief im Keller Wasser ins Gemäuer, später erfuhren sie, dass die Kellermauern Risse hatte. Im vergangenen Winter senkte sich die Decke, die Nutzer gaben den Schlüssel ab.

Die Initiative hofft, dass sie wenigstens den Garten weiter bewirtschaften kann, auch Anna Hanusch würde das begrüßen. Erste Signale aus der Stadtverwaltung sind auch positiv. Langfristig werde dort wohl ein Neubau entstehen, sagt Hanusch. Die Architekten, die in Kürze ihre Pläne vorstellen wollen, haben die Vorgabe, das Gelände mit der Kunst- und Kulturszene sukzessive weiterzuentwickeln. Die besondere Identität des Kreativlabors solle erhalten bleiben, das gesamte Kreativquartier prägen und als Marke bundesweit positionieren. Dominik Schubert befürchtet, dass Initiativen wie die für das Huberhäusl auf dem Gelände bald keinen Platz mehr finden. Aus dem Kreativlabor könne schnell eine Kreativwirtschaft werden, sagt er: "Die Betonung liegt dann nicht mehr auf Kreativität, sondern auf Wirtschaft."

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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