Neues Konzept:Mit Kraft und Köpfchen

Die Stadt will erreichen, dass sich Heranwachsende mehr bewegen. Dazu werden Pausenhöfe neu gestaltet

Von Christina Rebhahn-Roither

Ich mag es, dass ich hier hängen kann wie ein Faultier", sagt Alexander, während er kopfüber von einer Reckstange baumelt. Mit seiner Begeisterung ist der Siebenjährige nicht allein: Dutzende Kinder laufen, springen und klettern im Garten des Münchner Regionalhauses Ost herum. So langsam oder gar faul, wie das von Alexander beschriebene Tier, ist hier niemand.

Der Hort im Münchner Osten hat vor Kurzem einen neuen, innovativen Pausenhof bekommen, den sich die Einrichtung künftig mit der städtischen Wilhelm-Röntgen-Realschule teilt. Früher war hier nur Wiese, heute gibt es einen überdachten Bereich, der Bewegung auch bei schlechtem Wetter ermöglicht. Sieht man sich um, bietet der Garten einiges: verschiebbare Würfel, an denen Reckstangen und andere Balanciergeräte befestigt werden können, Fußballnetze, Basketballkörbe und nach wie vor große freie Flächen. Im neuen Pausenhof sollen sich die Kinder und Jugendlichen richtig austoben, denn ausreichend Bewegung fehlt vielen im Alltag. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sollten sich Heranwachsende mindestens eine Stunde pro Tag bewegen. Aktuell erreichten weniger als 30 Prozent dieses Ziel, heißt es im Referat für Bildung und Sport. Die Stadt will nun dem Bewegungsmangel mit neuen Konzepten entgegenwirken.

Die Kinder des Regionalhauses haben ihrem neuen Dach schon einen besonderen Namen gegeben: Pringles-Dach. Wer sich an die Form der Karoffenchips erinnert, hat tatsächlich ein ganz treffendes Bild der Stahlkonstruktion mit seiner speziellen Membran vor Augen. Diese überdacht die großen Würfel, die sich mit ein paar wenigen Handgriffen umgestalten lassen und bei den Kindern gut ankommen. "Wir haben schon ganz tolle Spiele erlebt. Die Kinder helfen auch beim Auf- und Abbauen und können mitgestalten, so dass die Landschaft eigentlich jeden Tag individuell anders aussieht", sagt Ursula Wildmoser, stellvertretende Leiterin des Regionalhauses Ost.

Sport- und Bewegungsflächen auf schulischen Pausenhöfen. Ludwig-Thoma-Realschule an der Fehwiesenstraße 118  âē dort gibt es einen Parkour-Park

Einfach wie ein Faultier an der Reckstange hängen oder den besten Weg in der Parkour-Anlage finden: Mit neu gestalteten Schulhöfen will die Stadt erreichen, dass Heranwachsende relaxen oder sich auspowern können.

(Foto: Florian Peljak)

Jürgen Triftshäuser ist im Sportamt für Schulsport zuständig und überzeugt, dass ein idealer Pausenhof in verschiedene Bereiche aufgeteilt sein muss: "Es braucht eine Zone zum Entspannen, eine zum Unterhalten, eine zum Rückzug, dazu auch laufintensive Sachen zum Auspowern und etwas Kreatives und Herausforderndes." Der Bedarf an solchen Schulhöfen sei riesig, meint der Experte. Außerdem sei es wichtig, Angebote zu schaffen, die auch Mädchen ansprechen, denn die weibliche Jugend bewege sich noch weniger als gleichaltrige Jungen. Und dann sei noch das Konzept der Ganztagsschulen zu beachten, denn "Ganztagsschule bedeutet, dass die Kinder einen großen Teil des Tages an der Schule verbringen. Das heißt die Verantwortung für die Bewegung geht zum Teil von den Eltern an die Schule".

Auch im Hof der städtischen Ludwig-Thoma-Realschule wurde umgebaut. Für 350 000 Euro wurde eine große Parkour-Anlage errichtet, die auch an Wochenenden und von schulfremden Kindern genutzt werden kann und mehrmals wöchentlich von Trainern des Vereins FAM (Free Arts of Movement) betreut wird. Triftshäuser gefällt besonders die Philosophie, die hinter dem Parkour-Sport steckt: "Ich suche mir einen kreativen Weg, wie ich von A nach B kommen kann. Ich schaffe es mit Kraft oder mit Köpfchen oder beidem. Es sind diejenigen die Helden, die sich selbst einschätzen können und nur das machen, was sie können." Der Experte lässt den Blick über die Anlage streifen und sagt glücklich: "Das Mädchen macht zum Beispiel Klimmzüge, einfach mal so. Wo hab ich denn so was?"

Sport- und Bewegungsflächen auf schulischen Pausenhöfen. Wilhelm-Röntgen-Realschule, Klabundstraße 8 in Neuperlach

Dem Bewegungsmangel unter Schülerinnen und Schülern will die Stadt mit neuen Konzepten begegnen.

(Foto: Florian Peljak)

Wie viele weitere Parkour-Anlagen an Münchner Schulen entstehen sollen, hängt von den Rückmeldungen auf das Pilotprojekt ab. Stadtschulrätin Beatrix Zurek klingt jedoch zuversichtlich: "Wenn das Projekt funktioniert - was es ja tut, wie man sieht - möchten wir das durchaus in einem größeren Umfang anbieten." Mehr Interesse an Bewegung hätte positive Auswirkungen auf das Lernverhalten und das körperliche Wohlbefinden, glaubt Zurek. Weitere Initiativen der Stadt sind multifunktionale Räume, die je nach Bedarf als Boulderraum, Ruheraum oder Freizeitbereich genutzt werden können. Der Stadtrat bewilligte außerdem eine Investition von 450 000 Euro in Trend- und Actionsportförderung. Das 3,85 Milliarden schwere Aktionsprogramm "Schul- und Kita-Bau 2020" sieht ebenfalls Neuheiten im Sportbereich vor. Insgesamt 115 Turnhalleneinheiten und sieben Schulschwimmbäder sollen gebaut werden.

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