Sicherheit:Die Angst vor Anschlägen erreicht die Stadtverwaltung

Sicherheit: Tür auf und rein oder raus: So einfach läuft bisher der Zugang zum Rathaus. Nun denken die Stadträte über neue Formen der Kontrolle nach.

Tür auf und rein oder raus: So einfach läuft bisher der Zugang zum Rathaus. Nun denken die Stadträte über neue Formen der Kontrolle nach.

(Foto: Catherina Hess)

Bislang sind die Büros im Münchner Rathaus frei zugänglich. Das wird sich ändern.

Von Heiner Effern

Die Stadt erarbeitet ein übergreifendes Sicherheitskonzept für all ihre Gebäude. Im Fokus stehen Institutionen mit vielen Besuchern wie das Sozial- oder das Kreisverwaltungsreferat, insbesondere aber auch das Rathaus am Marienplatz. Wo auch immer "aufgestauter Ärger" zu Gewalt führen könne und Angst aufkomme, müsse die Stadt "Bestmögliches leisten", um ihre Mitarbeiter zu schützen, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).

Im Rathaus werde es wohl Veränderungen geben, einen Hochsicherheitstrakt mit Sicherheitsschleusen wie an Flughäfen kann sich Reiter aber nur schwer vorstellen. "Das offene Rathaus ist ja eine Errungenschaft der Stadt." Am Freitag habe er eine Sitzung des Ältestenrates einberufen, der sich ausschließlich mit dem Thema Sicherheit befassen werde.

Die Urheberschaft für dieses Thema beansprucht CSU-Stadtrat Michael Kuffer für sich. "Ich habe den OB gleich nach der Kommunalwahl darauf angesprochen." Und Kuffer macht klar, dass er dabei nicht an das Zusperren einzelner Türen zu Abendzeiten gedacht hat. "Mein Ziel ist, zu verhindern, dass jemand Waffen ins Gebäude bringen kann." In vielen Gerichten sei es zum Beispiel bereits selbstverständlich, dass Besucher nur durch Metalldetektoren ins Haus gelangten. Das müsse auch am Marienplatz Standard werden. "Wenn sich wer abreagieren will, kommt der ins Rathaus", sagt Kuffer.

Um diese aus seiner Sicht konkrete Gefahr zu belegen, hat Kuffer eine Liste mit Attentaten und Angriffen aus den vergangenen 25 Jahren in Deutschland zusammengestellt. Allein für das Jahr 2013 führt er den tödlichen Anschlag auf den Landrat im Kreis Hameln-Pyrmont und die Geiselnahme im Rathaus von Ingolstadt an. "Ich will nicht, dass etwas passiert, und wir uns nachher an den Kopf greifen, weil wir nichts dagegen unternommen haben."

OB Reiter und auch die Grünen als größte Opposition wollen deutlich dezenter vorgehen als Kuffer. "Man muss etwas tun, das aber verantwortungsvoll", sagt Reiter in Richtung Kuffer. Grünen-Fraktionssprecherin Gülseren Demirel kritisiert den CSU-Stadtrat noch schärfer: "Völlig überzogen" seien solche Ideen, es sei nur punktuell etwas für mehr Sicherheit zu tun. Alle drei können ihre Standpunkte am Freitag im Ältestenrat austauschen.

Am weitesten fortgeschritten sind die neuen Pläne für das Rathaus: Das Kommunalreferat als Hausherr hat drei Szenarien erarbeitet, wie das Gebäude künftig besser zu schützen ist. In der dezentesten Variante wird das Gebäude unter anderem nach Dienstschluss um 17 Uhr oder von 20 Uhr an abgesperrt. Der Zugang wäre dann nur noch am Rathauspförtner vorbei an der Türe beim Fischbrunnen möglich. Dafür müsste die Stadt auch eine neue, elektronische Schließanlage einbauen. Zusätzlich sollen zwei bis vier Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma tagsüber im Rathaus patrouillieren. Diese könnten bei Stadtratssitzungen je nach Bedarf auch Taschen von Besuchern kontrollieren.

Beim zweiten Szenario würden im Wesentlichen Touristen nur noch mit geführten Touren ins Rathaus gelassen. Sollte der Turm geöffnet bleiben, müsste man den Aufzug so programmieren, dass er nur noch bis zur Besucherplattform fahren kann. Dort müsste der Zugang ins übrige Rathaus abgeriegelt werden. Das Wachpersonal würde auf bis zu sieben Mitarbeiter aufgestockt. Diese würden die Eingänge kontrollieren, Mitarbeiter müssten ihren Ausweis vorzeigen und Besucher einen Grund für ihren Zutritt angeben. In den Innenhöfen wären Videokameras installiert.

Es heißt Sicherheits vs. "Liberalitas Monacensis"

Diese Standards ließen sich in einem dritten Szenario deutlich verschärfen. Besucher von Stadtratssitzungen müssten dann Metalldetektoren passieren. Touristen würden gänzlich ausgeschlossen. Die Bürgerberatung müsste ausziehen, die Videoüberwachung würde ausgebaut. Die jetzige Pforte erhielte als Sicherheitszentrale einen völlig neuen Charakter.

Kommunalreferent Axel Markwardt möchte die vorzeitig bekannt gewordenen Pläne aus seinem Haus vor der Sitzung des Ältestenrats nicht im Detail bewerten. Die Sicherheit des Rathauses sei jedoch "ein besonderer Fall", weil es viele unterschiedliche Besucher gebe. Nicht nur die drei Bürgermeister und die 80 Stadträte gingen ein und aus, sondern auch Touristen, Journalisten und die Nutzer der öffentlich zugänglichen juristischen Bibliothek. "Wir liefern einen Baukasten, aus dem sich die Politiker nun bedienen können", sagt er. Die Stadt müsse mehr für die Sicherheit tun aber auch abwägen, wie stark sie eingreift in die "Liberalitas Monacensis", wie Markwardt das freiheitliche Münchner Lebensgefühl gerne nennt.

Markwardt wird am Freitag nicht als einziger Referent im Ältestenrat dabei sein. Denn die Stadträte wollen nicht nur (ihre eigene) Sicherheit im Rathaus verbessern, sondern alle Mitarbeiter besser schützen. Deshalb hat OB Reiter den Chef des Personal- und Organisationsreferats, Alexander Dietrich, hinzugebeten. In seinem Haus sollen nun alle neuen Sicherheitspläne zusammenlaufen. "Es gilt hier das gleiche wie auf der Wiesn: Man muss die Sorgen Ernst nehmen", sagt Dietrich. Allerdings gebe es auch für städtische Institutionen "keinen Hinweis der Polizei, dass sich die Gefährdungslage geändert habe".

Doch zeigten immer wieder unerwartete Besucher den Mitarbeitern deutlich, dass wirklich jeder Gast in jedes Büro gelangen könne. "Kürzlich stand in einem Nachbarzimmer ein Bub, der seinen Eltern bei der Besichtigung des Rathauses ausgebüxt war." Es gehe bei den neuen Sicherheitsstandards darum, einen Kompromiss zwischen Sicherheit und einem möglichst offenem Zugang zu finden. "Nicht aber darum, "die Verwaltung von den Bürgern abzuschotten."

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