Neues Format im BR:Mehr Schrein als Sein

Milberg & Wagner

Zwei in einer Werkstatt: Florian Wagner und Judith Milberg sind die Gegenspieler einer neuen Do-it-Yourself-Sendung des Bayerischen Fernsehens.

(Foto: Bilderfest/BR)

Judith Milberg und Florian Wagner treten in einer Do-it-Yourself-Reihe im Fernsehen gegeneinander an: Die Kunsthistorikerin will mit himmlischen Ideen, der Schauspieler mit geerdeten Einfällen überzeugen. Die Arbeitsteilung zwischen den beiden ist klar: Sie ziseliert, er zimmert

Von Susanne hermanski

Was ist die wichtigste Eigenschaft eines Handwerkers? "Mut!", rufen beide und sind sich in dieser Sache einig. "Der Gedanke - wenn ich da reinsäge, ist alles vorüber - ist mein gefährlichster Feind", sagt er. "Das ist wie mit der Angst vor dem weißen Blatt Papier. Wer den Horror Vacui nicht überwinden kann, hat schon verloren", sagt sie und nippt an einer Tasse Tee. Doch derlei Einigkeit ist eigentlich gar nicht vorgesehen für dieses Gespräch. Denn Judith Milberg, die Kunsthistorikerin, und Florian Wagner, der Schauspieler, treten in einer neuen Fernsehsendung gegeneinander an. Das Bayerische Fernsehen schickt die beiden in ein "Battle", in eine gemeinsame Do-it-yourself-Sendung. Die ersten Folgen sind am 2. und 6. Januar jeweils um 19.45 Uhr zu sehen.

Darin entwickeln "Milberg & Wagner" Einrichtungsideen anhand von realen Aufgaben, die ihnen Zuschauer stellen. Die Lösungsvorschläge denken sie sich getrennt voneinander aus. Und die Auftraggeber entscheiden anhand der charmant präsentierten Pläne - "nehmen Sie meinen Vorschlag, was soll der Judith dazu schon Besseres einfallen?" -, welcher der Entwürfe umgesetzt werden soll. Erst wenn klar ist, wer von beiden den Zuschlag bekommt, packen Milberg und Wagner dann doch gemeinsam an, um die Gewinneridee umzusetzen.

Warum der BR dazu gerade eine Frau engagiert hat, die Kunstgeschichte studierte, und einen Mann, dem Sein oder Nicht-Sein näher sein sollten als Schrein oder Schränkchen? Beide haben mehr mit Möbeln und Interieur zu tun, als ihre bloßen Berufsbezeichnungen ahnen lassen: Judith Milberg hat ein Buch mit dem Titel "Mein Design" verfasst und schon verschiedene Sendungen ("Mit Milbergs im Museum") - auch zu diesem Themengebiet moderiert, zum Beispiel "Design für jeden Tag". Florian Wagner ist nicht nur Moderator des BR-Magazins "Heimatrauschen", er hat als passionierter Hobby-Schreiner auch eine eigene Kolumne in einer Wohnzeitschrift. Im Privatleben ist er Besitzer einer bestens ausgestatteten Werkstatt, die in einer Scheune untergebracht ist und die fast so viele Maschinen wie Schrauben enthält. Sie arbeitet in einem coolen Garagen-Atelier, in dem sich vom dreißigteiligen lila Kunststofftrichter-Sortiment ("daraus mache ich einen Lüster") bis zur Teekannensammlung ("ach, die hab' ich nur, um daraus zu trinken") alles findet, was nicht niet- und nagelfest ist.

In der ersten Folge wünscht sich eine Familie aus Gars am Inn von den beiden eine neue Garderobe sowie eine smarte Lösung für ihre Fernsehwand im Wohnzimmer - wer hätte das nicht gerne? In der zweiten Folge steht eine Familie aus dem Allgäu im Mittelpunkt, die auf eine neue Gestaltung des winzigen Badezimmers für ihre Kinder hofft. Es sind sechs muntere Kinder, die ein Lehrer und seine Frau zusammen haben. Was "Milberg & Wagner" daraus machen, ist garantiert Tine-Wittler-frei, führt ohne Voyeurismus in die Häuser und Wohnungen gut situierter, sympathischer Menschen und erinnert - bei aller Ernsthaftigkeit im Ergebnis - trotzdem zeitweise an "Laurel & Hardy". Denn beide verfügen durchaus über komisches Talent. "Meine jahrelange Erfahrung zeigt, dass hin und wieder Gewalt die einzige Lösung ist. Also nicht im zwischenmenschlichen Bereich, sondern im Umgang von Mensch und Holz miteinander", sagt Judith Milberg und zeigt einem Dübel, wo der Hammer hängt.

Im übrigen frotzeln Milberg und Wagner sich gegenseitig, wo es nur geht: "Sicher kommt sie gleich wieder mit ihrer Heißklebepistole und zaubert was aus Joghurtbechern", flachst Zwei-Meter-Mann Wagner, um wenig später mit seiner ausladend-wuchtigen Holzkonstruktion kaum durch die niedrige Eingangstür eines alten Bauernhauses zu kommen. Die Arbeitsteilung zwischen den beiden ist klar: Sie ziseliert, er zimmert. Sie bringt himmlische Einfälle aufs Papier, er baut seine geerdeten Entwürfe gleich in groben Holzklötzchenmodellen vor.

Dabei sind die Ansätze, die Wagner und Milberg verfolgen, nicht immer konträr: "Ich habe eine ausgeprägte Leidenschaft für gutes Werkzeug", sagt Florian Wagner, deshalb ist auch die schlimmste Frage, die man mir stellen kann - und meine Freundin tut das leider andauernd: Was willst Du denn damit überhaupt machen?" Judith Milberg, die mit dem Schauspieler Axel Milberg verheiratet ist, kennt diese Frage gut. "Warum muss es denn dieser bleischwere rostige Schlüsselbund sein, den wir vom Flohmarkt in Portugal heim schleppen, hat mein Mann gefragt", sagt sie und zeigt in ihrem Atelier, wo sie mit Wagner gerade Tee trinkt, auf ein Regal: "Ich habe genau gewusst, dass man daraus diesen irre dramatischen Kerzenständer machen kann." Judith Milberg bedient sich nicht nur Elementen der Ready-made-Art à la Marcel Duchamp: "Ich will die Dinge, die ich mir ausdenke, auch selber handwerklich gut umsetzen", sagt sie. "Ich bin Tochter aus einem Akademiker-Haushalt. Meine Eltern waren Uni-Professoren, und mein Vater hatte den unbedingten Drang zum Heimwerker - Geist und Gestus, Sie verstehen? Aber das wollte ich unbedingt mit weniger Dilettantismus machen."

Auch Wagners Vater war vom Handwerk fasziniert - "von Beruf Flugkapitän". Doch die Übung machte Wagner aus einem anderem Grund zum Meister - im Improvisieren: "Als freier Schauspieler ist man immer pleite. Es war nie genug Geld da, sich italienische Designer-Möbel zu kaufen. Also habe ich sie nachgebaut, und die Reaktionen meiner Freunde waren ebenso super wie das Bier danach."

Nach "dem besten Stück" gefragt, das sie je fabriziert hätten, nennen beide Möbel, mit denen sie familiäre Erinnerungen verknüpfen: "Ein Fauteuil, den ich aus einer Expeditionskiste meiner Eltern gebaut habe, die viel gemeinsam auf Ausgrabungen in Ägypten waren", sagt Milberg; "der Ledersessel meiner Oma, den ich neu aufgepolstert habe", sagt Wagner. Und deshalb sind sie sich auch in dem Punkt einig, den sie bei der letzten Tasse Tee des Nachmittags besprechen: "Ein Tischchen aus dem Möbelhaus kann sich heutzutage jeder für ein paar Euro besorgen", meint Florian Wagner. "Aber es wird nie zu vergleichen sein mit einem Stück, das eine Geschichte von den Menschen erzählt, die es vor einem besessen haben", ergänzt Judith Milberg. Und eines ist gewiss: Die Möbel, die beide gemeinsam bauen, haben noch viel Potenzial für Geschichten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: