Neues Flughafen-Logo:Seelenlose Hülle

Der neue Logo des Flughafen München.

Das Logo des Flughafen München (l.) stammt von Otl Aicher. Es wurde jetzt ausgetauscht.

(Foto: Design Tagebuch)

Bislang war das Logo so etwas wie eine Ikone des deutschen Grafikdesigns. Nun hat der Münchner Flughafen sein Erscheinungsbild unschön abgeändert. Das wirft auch eine Frage auf: Was bitteschön ist ein "Connector"?

Von Laura Weißmüller

Vielleicht muss man mit dem M meditieren. Könnte ja sein, dass wenn die Augen, sagen wir mal ein bis zwei Stunden, auf dem seltsam zusammengebauten Buchstaben liegen, der rechte Innenschenkel plötzlich spricht - und einem erklärt, wie er als psychedelisch flimmernder Balken zum "Connector" aufsteigen konnte und was das überhaupt sein soll, ein "Connector". Allein durch die Betrachtung erschließt es sich nämlich nicht, das neue Logo des Münchner Flughafens. Und das ist ein Problem.

Bislang war das Erscheinungsbild von "Franz Josef Strauß", wie der Flughafen knapp 30 Kilometer nordöstlich von München heißt, so etwas wie eine Ikone des deutschen Grafikdesigns. Man muss sich nicht gleich grämen, wenn einem das vorher gar nicht aufgefallen ist.

Ein überzeugendes Ordnungs- und Lenksystem zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass es schnelle Orientierung bietet und zwar für Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen und Kulturkreisen. Allzu viel optischer Dekor und schwere Zeitgeist-Kreolen, an denen das Auge hängen bleibt, sind da eher hinderlich, auf der Suche nach der nächsten Toilette genauso wie auf der nach der guten Form.

Seelenlose Hülle über dem Produkt

Otl Aicher (1922-1991) hat das gewusst. Er war einer der wichtigsten Figuren im nicht gerade üppigen Personal des deutschen Nachkriegsdesigns. Bahnbrechend seine Arbeit als Gestalter für die Olympischen Spiele 1972 in München. Dass die Welt damals ein anderes Deutschland, ein demokratisches, zukunftsgläubiges und sogar fröhliches Deutschland kennengelernt hat, war - neben Frei Otto und seiner Zeltdachkonstruktion - vor allem Aichers Verdienst. Sein Zeichensystem für die Piktogramme, die Tausende Menschen aus verschiedensten Nationen und mit unterschiedlichsten Sprachen durch das neu angelegte Areal lotste, war auf einem einfachen Raster aus Orthogonalen und Diagonalen aufgebaut. Und zwar so genial, dass die Piktogramme ihm den Titel "father of the geometric man" einbrachten.

Und heute? Könnte der Welt etwas mehr visuelle Orientierung im Stil Otl Aichers nicht schaden. Das heißt nicht, dass seine Arbeit einbalsamiert werden und damit unantastbar sein muss. Design ist nichts, was hinter Glas oder auf einem Sockel stattfinden sollte. Design ist, wenn es denn glückt, Gegenwart in Form gebracht. Zum Gebrauch, nicht zum Anbeten.

Orientierung im Stil von Aicher heißt auch nicht, dass seine Nachfolger aufgerufen sind, ihn stupide zu kopieren. Aber eines sollten sie doch von ihm lernen - den Wert eines ganzeinheitlichen Ansatzes. Für das Erscheinungsbild eines Ortes ist nämlich auch der Ort selbst von Bedeutung, Werbegesäusel à la "Connector" hin oder her.

Das neue Design zertrümmert Aichers "M"

Erstaunlicherweise nimmt das Wissen darüber, was genau ein Logo, eine Firma, einen Standort zu einer Marke mit eigenständiger Identität macht, proportional dazu ab, wie der Wunsch, alles und jedes zu branden, steigt. Der internationale Wettbewerb hat das Verlangen auf unverwechselbaren Charakter entfacht. Den soll jetzt ein Shoppingcenter genauso besitzen wie eine Müslipackung. Das Problem: Wer nur seelenlose Hüllen über das Produkt stülpt, braucht sich nicht zu wundern, wenn darunter die Konturen verschwinden.

Otl Aicher hatte einen Grund, warum er beim Flughafen in München eine weiß-blaue Farbigkeit wählte. Er hatte den Charakter des Erdinger Mooses im Blick, als er daraus das Corporate Design ableitete. Vom neuen Entwurf kann man das nicht sagen. Die Farbwahl - Blau, Grün, Orange und Purpur - ist beliebig, die Diagonale, die als "Connector" eigentlich "Verbindungen leben" symbolisieren soll, zertrümmert optisch Aichers "M".

So wie das Erscheinungsbild des Münchner Olympiaparks sukzessive mit Würstchenbuden und Sponsorengimmick zugerümpelt wird, passiert das jetzt auch mit dem Logo des Flughafens. Was meinte Otl Aicher mal? "Typographie ist eine ebenso große fundgrube der kulturerkenntnis wie die gastronomie". Armes Deutschland.

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