Neuer Straßenname:"Meine Mutter war eine Heldin"

Einweihung der Mirjam-David-Straße, SWM Zentrale, Emmy-Noether-Straße

Über die Benennung der Straße nach ihrer Mutter freut sich Franziska Rauch.

(Foto: flop)

Straße im M-Campus nach der Chemikerin Mirjam David benannt

Von Jasmin Siebert

"Es wäre schön, wenn es jetzt noch eine Straße mit dem Namen meiner Mutter gäbe", sagte Franziska Rauch erst vor einigen Wochen zu ihrem Therapeuten. Nun ist ihr Wunsch Wirklichkeit geworden: Mirjam-David-Straße heißt die neue Verbindung zwischen dem Agnes-Pockels-Bogen und dem Georg-Brauchle-Ring. Neben der Mathematikerin Emmy Noether und der Physikochemikerin Agnes Pockels ist die 1917 geborene Chemikerin Mirjam David die dritte Wissenschaftlerin, nach der eine Straße im M-Campus in Moosach benannt worden ist.

Mirjam David wurde die Straße nicht für ihre wissenschaftlichen Leistungen gewidmet, sondern für ihr Engagement im Widerstand, das ihre Unikarriere verhinderte. Mirjam David, die in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, studierte Chemie und stand im Kontakt zur Weißen Rose. Obwohl sie als "Halbjüdin" galt, arbeitete sie am Chemisch-Physikalischen Institut an der Ludwig-Maximilians-Universität. Weil sie ein Flugblatt der Weißen Rose nicht der Polizei übergeben, sondern weiterverbreitet hatte, wurde sie 1943 verhaftet. Der Volksgerichtshof in Berlin verurteilte sie wegen "Beihilfe zur Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung" zu zwei Jahren Zuchthaus. Die Zeit in mehreren Gefängnissen, im Zuchthaus in Aichach und im KZ Ravensbrück traumatisierte sie. Über ihre Erlebnisse hat sie nie gesprochen. Ihre Doktorarbeit blieb unvollendet, sie konnte nach der Befreiung nicht mehr arbeiten "und war von heftigsten Skrupeln" geplagt, erzählt Rauch. Sie hat eine Therapie gemacht, um ihre Kindheit mit einer Mutter, die anders war als andere Mütter, aufzuarbeiten. Zum Beispiel konnte sie keinen Kuchen backen, weil sie Angst vor Backöfen hatte. Dennoch, betont Rauch, sei ihre Mutter ein "wunderbarer, froher und gerader Mensch" gewesen. Als ein Pfarrer gegen Juden wetterte, stand sie auf und widersprach ihm - in den 60er Jahren, in einer Kirche in Oberbayern.

Einmal sagte eine andere KZ-Überlebende zu Rauch: "Menschen wie deine Mutter haben die Ehre Deutschlands gerettet." Als Rauch das erzählt, treten ihr Tränen in die Augen. Ihre Stimme wird brüchig, doch sie hat sich rasch wieder gefasst. "Meine Mutter war eine Heldin", sagt sie. Eine Heldin, die bereits mit 57 Jahren gestorben ist. Die Tochter war da gerade 15 Jahre alt und wusste nichts über die Lebensgeschichte ihrer Mutter. Dass die Biographie in einer Promotion aufgearbeitet wird, wünscht sich Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung. Selbstkritisch gibt sie zu, dass sich die Stiftung zu lange auf die sieben ermordeten Mitglieder der Weißen Rose konzentriert und auch andere überlebende Anhänger der Weißen Rose zu wenig beachtet hatte. "Durch die Straßenbenennung öffnet sich unser Blick und das ist gut so", sagt Kronawitter.

Wie kompliziert eine Straßenbenennung ist, machte Kommunalreferent Axel Markwardt klar. Etwa 2000 Namen stünden auf der Anwärterliste, einem Vorschlag müssen Ältestenrat und Stadtrat zustimmen. Bisher tragen nur 10,5 Prozent der Straßen, die nach Menschen benannt sind, Frauennamen. Doch ihr Anteil wächst stetig.

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