Neuer Lebensmittel-Skandal:Döner, vier Jahre alt

Ekelhafter Etikettenschwindel: Die "Soko Kühlhaus" stellte bei einem Münchner Händler 20 Tonnen Fleisch sicher. Denn frisch waren diese Döner wirklich nicht mehr.

B. Neff und C. Rost

Stadt und Staatsanwaltschaft haben in einem Kühlhaus in Johanneskirchen 20 Tonnen Dönerspieße sowie 360 Kilogramm Wild- und Geflügelfleisch sichergestellt.

Das Haltbarkeitsdatum war teilweise seit vier Jahren abgelaufen. Der Betrieb wurde geschlossen. Eine Kripo-Sonderkommission "Kühlhaus" versucht, die Spur des Gammelfleisches zu verfolgen.

Nach einem anonymen Hinweis, der an die Polizei in Gröbenzell (Landkreis Fürstenfeldbruck) ging, hatte die Lebensmittelüberwachung des Kreisverwaltungsreferats zusammen mit dem staatlichen Veterinäramt bereits am vergangenen Donnerstag eine Kontrolle bei der Firma Bruner, Groß- und Einzelhandel für Wild, Geflügel und Fisch in Johanneskirchen begonnen.

Fünf Tage später, als sich der Anfangsverdacht strafbarer Handlungen erhärtete, wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Polizei rückte gegen 14.50 Uhr an und beschlagnahmte bei dem Großhändler Tonnen von Fleisch. Die Münchner Kripo hat eine achtköpfige Sonderkommission namens "Kühlhaus" eingesetzt.

"Aus ermittlungstaktischen Gründen wurde die Öffentlichkeit erst jetzt informiert", sagte Stadtdirektor Horst Reif, stellvertretender Chef des Kreisverwaltungsreferats. Eine Gefahr für die Verbraucher sei dadurch aber nicht entstanden.

Etwa ein halbes Dutzend KVR-Beamte von der Lebensmittelüberwachung durchsuchten den Kühlkomplex und versiegelten die Betriebsräume. Die Staatsanwaltschaft hat alle Firmenunterlagen beschlagnahmt. Die Beamten warten nun auf die labortechnischen Analysen durch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim.

Erst wenn diese vorliegen, wird klar sein, inwiefern das in der Firma gelagerte und ausgelieferte Fleisch ein Gesundheitsrisiko darstellte.

Der Leiter der Staatsanwaltschaft am Landgericht München I, Christian Schmidt-Sommerfeld, sagte gestern, Polizei und Staatsanwaltschaft versuchten derzeit, durch Sichtung der umfangreichen Geschäftsunterlagen die Abnehmer der bundesweit agierenden Firma zu finden, "damit wir jene Ware aus dem Verkehr ziehen können, die nicht mehr in Ordnung war".

Bundesweit geliefert

Außerdem werden die 16 Mitarbeiter der Firma vernommen. Die Döner-Abnehmer sind im gesamten Bundesgebiet angesiedelt.

Die Ermittlungen gegen den Inhaber, den 74-jährigen Georg Karl Bruner, gehen in mehrere Richtungen: Verdacht des Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht und Verdacht des Betruges und der Urkundenfälschung (bei Änderungen der Fleischstempel und Umetikettierungen).

Bruner selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ein ehemaliger Beschäftigter indes bestätigte im Gespräch mit der SZ die Vorwürfe. Der heute 42-jährige Peter Kehrer war eigenen Angaben zufolge im Herbst 1999 über die Jobvermittlung des Arbeitsamtes zu dem Unternehmen gekommen und vier Wochen als Aushilfskraft im Kühllager tätig.

"Schon damals mussten wir Produkte umetikettieren", erinnert sich der Münchner.

Döner, vier Jahre alt

Neben Fleisch seien auch "Edelprodukte wie Muscheln aus Frankreich und Huhn aus Tschechien" betroffen gewesen. Diese Produkte seien auch an namhafte Münchner Restaurants geliefert worden.

Die Umettiketierung sei auf Anweisung "bis zu drei Mal" erfolgt. Er habe sich zwar über fehlende Kontrollen in dem Betrieb gewundert, sagt Kehrer, aber auch selbst nicht daran gedacht, die Behörden zu informieren.

Obwohl der anonyme Hinweis auf die Zustände in der Firma an die Polizei in Gröbenzell ging, besteht laut Aussage des Oberstaatsanwalts kein Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen einen Lebensmittel-Zwischenhändler in Gröbenzell in der vorigen Woche.

Dort wurde zwar umetikettierte Ware sichergestellt, gesundheitsgefährende Lebensmittel fanden sich aber nicht. Der Betrieb kann nun unter Auflagen weitergehen.

Unabhängig davon, ob sich im Falle des Betriebs in Johanneskirchen der strafrechtlich relevante Verdacht bestätigt, wird das Kreisverwaltungsreferat gegen den Betreiber des Kühlhauses mit den Mitteln des Gewerbe- und Lebensmittelrechts vorgehen.

Stadtdirektor Horst Reif: "Wir sind entschlossen, mit aller Härte gegen derartige Praktiken vorzugehen, um die Münchner Bürgerinnen und Bürger vor dem Verzehr von Ekel erregendem und gesundheitsschädlichem Gammelfleisch zu schützen."

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