Neuer Basic-Supermarkt:"Die ist ja nicht leer, die Hütte"

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Die Biomarkt-Kette Basic will im Glockenbach-viertel einen neuen Laden eröffnen - die Bewohner des Anwesens klagen über Schikanen.

Bernd Kastner

Was passiert, wenn ein Spekulant ein Mietshaus kauft, ist hinlänglich bekannt. Er wandelt es in Eigentumswohnungen um, saniert und verkauft es teuer weiter. Die Bewohner suchen in der Regel das Weite - weil sie gekündigt wurden, Baulärm, Schikanen, Gerichtsprozesse satt haben oder die höhere Miete nicht mehr zahlen können. Unter seriösen Hausbesitzern jedenfalls sind diese Entmietungsmethoden geächtet.

Hans Zettl dokumen-tiert, was die Mieter in der Müllerstraße 45 seit Monaten erleben. (Foto: Foto: Robert Haas)

Was aber passiert, wenn ein ehrwürdiger Münchner Geschäftsmann ein Anwesen verkauft? Und wenn es übergeht unter anderem an ein aufstrebendes und angesehenes Unternehmen sowie an dessen Gründer und Vorstand?

An eine Firma, die sich für die artgerechte Haltung von Tieren einsetzt und mit einem ethisch korrekten Image Kunden umwirbt: ,,Wir sind der Meinung, dass Unternehmen heute ein Stück soziale Verantwortung übernehmen müssen.'' Das verkündet die Basic AG, jene Supermarktkette, die den Lebensmittelhandel mit inzwischen 21 Biomärkten aufmischt, zuletzt eine Umsatzsteigerung von 37 Prozent vermeldete und weiter expandiert.

Und so ist die Geschichte dieses Immobiliendeals auch eine von Schein und Sein. Sie spielt im Glockenbachviertel und handelt von etwa 40 Mietparteien, die mitunter seit Jahrzehnten im Anwesen Müllerstraße 45 leben und sich begnügen mit einem geringen Standard - teilweise Kohleöfen, keine Dusche, kein Bad. Immerhin, die Mieten sind moderat in diesem im Kern rund 100 Jahren alten Gebäude.

Nun aber sind die Mieter im Weg. Eigentlich sollten sie schon draußen sein. Seit einem halben Jahr haben sie es mit einer Reihe ungewohnter Ansprechpartner zu tun: Alteigentümer, vier neue Eigentümer, einem ,,Bevollmächtigten'', einem Hausmeister, einem Generalunternehmer, sechs Subunternehmern, einem Statikbüro, einem Rechtsanwalt, der Lokalbaukommission, der Polizei und dem Amtsgericht.

Mitte November 2006 finden die Bewohner in den Treppenhäusern einen Aushang ihres bisherigen Vermieters Oskar Stephan, dem Inhaber von ,,Schlafzimmer Stephan'': ,,Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich das Anwesen Müllerstraße 45 verkauft habe.'' Ihm gehörte das Haus seit Jahrzehnten, im Erdgeschoss betrieb seine Firma einen Laden, und nun sollen sich die Mieter an Bevollmächtigte des neuen Eigentümers wenden. Es folgen zwei Namen mit Handynummern. Wer die neuen Eigentümer aber sind, das steht nirgends.

Bald wieder ein Aushang: Die Mieter sollen ,,umgehend'' ihre Keller- und Speicherabteile räumen, eine Woche haben sie Zeit. Doch die meisten weigern sich. Wenig später rücken Bauarbeiter an. Sie reißen Schuppen im hintersten Hof ab, stellen Gerüste auf, brechen eine Hausecke weg, bauen im winzigen Innenhof einen Kran auf.

Das Gebäude zittert, der Weg in den Hof ist blockiert, das Licht in Hof und Treppenhäusern funktioniert nicht. Ein Bauarbeiter soll zu den Mietern gesagt haben: Eigentlich dürften die Arbeiten erst vorgenommen werden, wenn das Haus leer ist. Man beginnt, den Dachstuhl abzureißen - ohne Genehmigung. Die Lokalbaukommission stellt die Arbeiten ein. In dieser Zeit ist das Dach offen, es regnet, in mehrere Wohnungen läuft Wasser. Auch im Keller gibt es Wasserschäden.

Der Nachbar, der nebenan einen Laden betreibt, berichtet, dass auf sein Auto, geparkt auf seinem Grundstück, mehrmals Steine beim Dachabriss gefallen seien. Er zeigt die Beulen und Kratzer in seinem Wagen. Auch das Auto eines Kunden habe es erwischt. Einmal, er saß im Auto, sei ein großer Brocken direkt auf seiner Windschutzscheibe gelandet. Eine Mieterin erzählt, ein Stein habe sie am Kopf getroffen. Aufgrund solcher Erfahrungen haben viele Bewohner Angst, wenn sie in den Himmel schauen: Am Haken des Krans schweben Container voller Schutt über ihren Köpfen.

Das Anwesen ist eine einzige Baustelle: Vom Gerüst hängen zerfetzte Planen herunter, manche Klingelknöpfe fehlen, auch bei bewohnten Wohnungen. Der Hausmeister hat Aufkleber angebracht: ,,Klingeln ist momentan nicht möglich. Bitte informieren Sie auch Ihre Gäste.''

Ein Schaufenster ist gesprungen, ein meterlanger Riss durchzieht es, man kann sich schneiden. Von Basic ist noch nichts zu sehen, obwohl der neue 1000-Quadratmeter-Markt im Juli eröffnen sollte. Dafür noch überall Stephan-Schilder mit dem Slogan ,,Schlafen nach Maß''. Viele Bewohner schlafen sehr schlecht in der Müllerstraße 45.

Hans und Siegrid Zettl haben, wie viele andere, ihre Keller- und Speicherabteile nicht freiwillig geräumt. Diese sind nach Überzeugung des Mietervereins Bestandteil des Mietvertrages, sie müssten formgerecht gekündigt werden. Als Hans Zettl am 17. Januar in den Keller kommt, stellt er fest, dass sein Abteil nicht mehr existiert. Aufgebrochen, ausgeräumt, abgerissen, Inhalt weggeworfen.

Damit nicht genug: Wenig später wird das Abteil zugemauert. Günther Vogt berichtet, dass aus seinem Speicher im Hinterhaus Akten weggeworfen worden seien; eine junge Mutter vermisst seit der Räumung unter anderem einen Kinderwagen. Als auch der Speicher geräumt wird, rufen die Zettls die Polizei, stellen Strafanzeige.

Wer ist dafür verantwortlich? Ganz einfach, sollte man meinen: der Eigentümer. Doch einfach ist in der Müllerstraße gar nichts. Formal ist jene Person Eigentümer, die im Grundbuch eingetragen ist. Das ist im Januar immer noch Oskar Stephan.

Die Zettls beantragen deshalb gegen ihn eine einstweilige Verfügung, wollen ihren Keller samt Inhalt zurück, und bekommen vor Gericht auch Recht. Doch dem Gerichtsvollzieher legt Stephan einen aktualisierten Grundbuchauszug vor: Seit Februar ist er nicht mehr eingetragen, die Zwangsvollstreckung gegen ihn wird eingestellt.

Wer aber ist dann Eigentümer? Die ersten Wochen treten nur ein ,,Bevollmächtigter'' und ein Hausmeister auf. Ende Dezember 2006 bekommen die Mieter einen Brief von einer ,,GbR Müllerstraße München'' mit Sitz auf Frauenchiemsee. Diese Gesellschaft bürgerlichen Rechts präsentiert sich als Erwerber. Doch wer steht dahinter?

Namen von Personen finden sich auf keinem der GbR-Briefe. Und die Mitteilung, dass die GbR neuer Vermieter sei, ist nur die halbe Wahrheit, oder genauer: die Zwei-Drittel-Wahrheit. Erst als ein Mieter im Amtsgericht ins Grundbuch schaut, erfahren die Bewohner nach und nach die ganze Wahrheit. Das gesamte Anwesen gehört zu einem Drittel der Basic AG, zu zwei Dritteln der GbR.

Die GbR wiederum besteht aus einem Bauunternehmer, der zugleich Generalunternehmer beim Umbau ist, einem Immobilienentwickler, wohnhaft auf Frauenchiemsee - sowie dem Basic-Gründer und heutigen Finanzvorstand Johann Priemeier. Der hält einen 45-Prozent-Anteil an der GbR. Mehrere Mieter berichten übereinstimmend, dass ihnen diese Tatsache von den Eigentümern nicht mitgeteilt worden sei.

Basic habe mit der Vermietung nichts zu tun, betont seinerseits Priemeier. Angeblich wurde das Anwesen inzwischen aufgeteilt, so dass Basic nur noch der Laden gehöre. Ein Beleg aber wurde den Mietern noch nicht vorgelegt, und ins Grundbuch ist diese Änderung offenbar auch noch nicht eingetragen. Genau das aber ist entscheidend.

Rudolf Stürzer - er steht als Chef des Haus- und Grundbesitzervereins nicht im Verdacht, Mieterlobbyist zu sein - erklärt: Bei einem laut Grundbuch ungeteilten Anwesen sei jeder Miteigentümer auch Vermieter, also auch Basic. ,,Normal ist das nicht'', kommentiert er das Verhalten dieser Vermieter. ,

,Man stellt sich in der Regel vor als neuer Eigentümer.'' Wegen der illegalen Kellerräumung ergeht auch gegen die GbR eine einstweilige Verfügung, ehe sich Mieter und Vermieter auf eine Entschädigung einigen.Einer schiebt die Verantwortung auf den anderen. Die Bewohner leben zwischen Vermieterzwist und Baustellendreck, sozusagen als Kollateralschaden eines höheren Ziels: ein Basic-Markt im Glockenbachviertel.

Oskar Stephan, Alteigentümer: Auf seine Käufer ist er gar nicht gut zu sprechen: ,,Ich bin zerstritten mit den Leuten.'' Vor allem mit Basic-Gründer Priemeier: ,,Wie sich der Mann das vorgestellt hat ...'', das mit der Entmietung, er müsse doch wissen, dass es Ärger gibt. ,,Das war eine alte Hütte. Ich bin froh, dass ich sie verkauft hab'.''

Gekriegt hätten sie die Interessenten mit dem Höchstgebot, ganz einfach, wer oder was dahinterstecke, ,,das ist mir wurscht''. Und nun will er damit nichts mehr zu tun haben. ,,Das ist wie bei einem Autoverkauf: Wenn es nach drei Jahren explodiert, geht es mich auch nichts mehr an.''

Johann Priemeier, GbR-Teilhaber und Basic-Gründer: Er verspricht sofort sehr viel, als er von der SZ auf seine Baustelle angesprochen wird. ,,Ich weiß, die Leute haben Recht'' - die Mieter mit ihren Beschwerden. Bisher sei es ,,nicht vernünftig und fair'' zugegangen, ,,das ist keine Vorgehensweise''. ,,Blauäugig'' sei er selbst da so ,,reingeschlittert'': ,,Ich habe das kolossal unterschätzt.''

Das sagt der Finanzvorstand eines Unternehmens mit einem Jahresumsatz von 72 Millionen Euro. Eigentlich, sagt Priemeier, sei es ihm bei der Müllerstraße ja nur um den Laden für Basic gegangen. Schließlich warte man schon sehr lange auf diesen Top-Standort, und die Müllerstraße 45 habe man halt nur inklusive Wohnungen gekriegt.

Die Rendite des Projekts sei schon durch den Bau neuer Penthousewohnungen gesichert. Dann berichtet er noch von Abmachungen mit dem Alteigentümer: Eine entmietete Wohnung sei 20000 Euro mehr wert, oder anders formuliert: Für jede noch bewohnte Wohnung reduziere sich der Kaufpreis um diese 20000 Euro.

Ein paar Tage später sieht er die Versäumnisse nicht mehr so krass. Er beklagt sich, dass die Mieter nicht mit sich reden ließen. Man habe eine Infoveranstaltung abgehalten und biete Ersatzwohnungen an. Wer wolle, könne auch bleiben. Außerdem werde jetzt alles besser, er strebe einen ,,menschlich vernünftigen Umgang'' mit den Bewohnern an.

Konrad Wurfbaum, Chef der Firma BHT Baumanagement: Sein Job sei, die Baustelle in Schwung zu bringen, denn die ins Rutschen gekommenen Fertigstellungstermine seien das größte Problem: ,,Wenn Kapital jahrelang tot herumliegt, dann ist das für die Eigentümer nicht von Vorteil.'' Die Räumung der Wohnungen gehe nun mal ,,sehr langsam'' voran: ,,Die ist ja nicht leer, die Hütte.''

Hans Sch., ,,Bevollmächtigter'': Er selbst sagt nur, dass er von der GbR beauftragt sei und sich als ,,Oberhausmeister'' fühle. Und dass er den Mietern ,,Reisegeld'' anbiete, sprich: Abfindungen. Über ihn aber ist viel zu hören, vor allem: Niemand will Sch. beauftragt haben. Priemeier sagt, Sch. sei vom Alteigentümer engagiert worden, nicht von ihm.

Er nennt Sch. einen ,,Wilden'', mit dessen Methoden er nichts zu tun haben wolle. Doch auch Alteigentümer Stephan versichert, Sch. nicht engagiert zu haben. Wer die Wahrheit sagt und wer nicht, das bleibt offen. Derweil agiert Sch. seit einem halben Jahr als ,,Bevollmächtigter'' der GbR.

Der Rechtsanwalt der GbR: Er schreibt mehrfach an die Mieter, zum Beispiel an eine Partei, die sich über Wasserschäden in der Wohnung ärgert. Er müsse ,,in Aussicht stellen, dass möglicherweise auch in Zukunft Beeinträchtigungen dieser oder anderer Art auftreten''.

Zu den vom Mieterverein angedrohten rechtlichen Schritten meint der Anwalt: An den Beeinträchtigungen würde dies ,,nichts ändern, sondern Ihnen lediglich Ärger, Aufwand und Kosten einbringen''. Und an den Mieterverein: Ob ein Gang zu Gericht ,,der Lebenssituation Ihres Mandanten vor Ort nützt, stellen wir allerdings in Frage''.

Robert Benz, pt-Bau, Generalunternehmer: Benz' Firmenpartner ist zugleich Zehn-Prozent-Teilhaber an der GbR. Weil pt-Bau keine eigenen Leute habe, engagiere man Subunternehmer, so Benz. Mit Firma eins habe man wegen Unzuverlässigkeit die Zusammenarbeit beendet, mit Firma zwei auch, wenig später mit Nummer drei und vier.

Nun ist, nicht einmal ein halbes Jahr nach Baubeginn, Subunternehmer Numero fünf am Werk, wie alle vorher im Bereich des Abbruchs. Manche hätten mehr Schaden verursacht, als der Auftrag wert gewesen wäre. Dann gebe es noch eine sechste Firma sozusagen für den Wiederaufbau.

Werner T., Hausmeister, seit 28 Jahren in dem Haus lebend: Er scheint von den Qualitäten der Baufirmen wenig zu halten, gerade in Sachen Sicherheit: ,,Ich informiere die Eigentümer, dann ist die Sache für mich erledigt.'' Die Ängste der Bewohner - ,,ich versteh' das absolut''.

Siegrid Zettl, seit 50 Jahren in dem Haus wohnend: Sie und ihr Mann Hans nennen das Leben in Staub und Dreck, inmitten der Kisten aus Keller und Speicher ,,menschenunwürdig''. Am meisten aber ärgere sie, dass sie nur über Umwege erfahren hätten, wem das Haus nun gehöre und was damit geschehen soll.

Günther Vogt, seit 1945 in der Müllerstraße 45 zu Hause: Er berichtet, dass er mit einem Ölofen heize, dass man aber seinen Öltank im Keller entsorgt habe, so dass der Ofen nichts mehr nutze. 400 Euro zahle er für die 75-Quadratmeterwohnung, ohne Dusche, ohne Bad. Er werde wohl nicht bleiben können: ,,Dem allem steht man machtlos gegenüber.''

Monika Schmid, Mieterverein: ,,Die Zielrichtung der Maßnahmen ist klar: Die Mieter sollen ausziehen, und das ohne hohe Kosten für die Vermieter. Erst nach Auszug der Mieter können die Eigentümer den großen Reibach machen. Die freien Wohnungen können nach einer Umwandlung zu hohen Preisen an neue Eigentümer verkauft werden.''

Wie es weitergeht? Zur Zeit hängen Briefe im Treppenhaus, wonach ein Ingenieur alle Wohnungen begutachten müsse. Es gehe darum, möglicherweise auftretende Schäden am Gebäude zu dokumentieren. Der GbR-Anwalt wird konkreter: Die Arbeiten werden bis 2008 andauern und ,,der Intensität nach noch weiter zunehmen''.

Alle Elektrizitäts-, Wasser- und Abwasserleitungen sollen erneuert werden. Zudem werde man ein ,,automatisches Parksystem im Objekt'' bauen. Dafür werden die Kellergeschosse teilweise entfernt, im Innenhof entstehe eine 13 Meter tiefe Baugrube. Und dann schreibt er noch: Eine einvernehmliche Fortführung der Mietverhältnisse sei ,,nicht sehr realistisch''.

© SZ vom 13.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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