Neue Heimat:Wer ist die Braut?

Neue Heimat: In Bayern kann es manchmal schwer sein, die Braut zu erkennen.

In Bayern kann es manchmal schwer sein, die Braut zu erkennen.

(Foto: Thomas - stock.adobe.com)

Unser syrischer Autor war zum ersten Mal auf einer Hochzeit im oberbayerischen Kirchseeon eingeladen. Er war froh, dass er einen sehr toleranten Magen hat.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Wer in Bayern eine Hochzeit plant und sich Gedanken macht, wo er am besten ein Schaf und einen halben Zentner Reis herbekommt, wird ausgelacht. Um auf einer bayerischen Hochzeit zu bestehen, muss man andere Voraussetzungen mitbringen. Zum Beispiel einen sehr toleranten Magen. Denn es wird von früh bis spät gegessen. Unmengen an Knödeln, Kraut, Kuchen und Knabberzeugs - wild Durcheinander. Und wenn man mal nichts Essbares in der Hand hat, wird gleich der nächste Teller kredenzt.

Bei der Hochzeit meines Bruders in Syrien ging es etwas anders zu. Da stellte das Brautpaar zwölf selbstgeschlachtete Schafe, 24 Hähnchen und haufenweise Reis zur Mahlzeit bereit. Wir bauten ein großes Zelt auf die Straße und teilten unsere Freude mit den anderen Dorfbewohnern. Währenddessen war die Braut noch bei ihrer Familie, um sich zu schmücken. Wir holten sie erst nach dem Essen zum Feiern ab. Wo ich herkomme, ist es Pflicht, dass die Braut ein weißes Kleid trägt. Bei meiner ersten bayerischen Hochzeit in Kirchseeon hatte ich deshalb Probleme, die Braut zu erkennen. Denn sie trug ein violettes Dirndl.

Gar nicht gut käme hier der Versuch an, dem Bräutigam und seiner Zukünftigen Mehl oder Kohle ins Gesicht zu schmieren. Mein Mehl wurde stattdessen zu Brot verbacken. In Bayern ist Verschmausen einfach deutlich beliebter als Verschmieren. Mein Hochzeitsbauch wurde deshalb im Lauf des Tages immer runder, und die Stimmung immer ausgelassener. Verstärkt wird das durch Blasmusik und durch den Hochzeitsanimateur, den sie in Bayern den Houdsadloda nennen. Mit kurzen Gstanzln stellte er das Brautpaar vor. Verstanden hab ich so gut wie nichts, aber es muss lustig gewesen sein, weil die Leute lachten, und Braut und Bräutigam leicht rot anliefen.

Nach der Kirche wirkte alles frei und ungezwungen. In Syrien ist das deutlich geregelter. Manche Traditionen sind dort ein Muss: weißes Brautkleid, Bräutigamversteigerung, gemeinsame arabische Tänze. Die bayerischen Tänze konnte ich mangels Erfahrung nicht mittanzen, aber mein Fuß wippte im Rhythmus mit. Zum Glück gab es eine Polonaise, da stieg ich mit ein. Dieser Tanz eignet sich vortrefflich für syrische Neuankömmlinge. Er ähnelt sehr stark der arabischen "Dabka", da können auch alle mitmachen.

Syrische und bayerische Hochzeiten - beide sind für sich etwas Besonderes und Schönes. So war es zumindest einmal. Während meiner letzten Hochzeitsfeier in Syrien kamen IS-Kämpfer vorbei, holten vier Männer ab und brachten sie ins Gefängnis. Musik und Tanz sind in der Weltanschauung des IS verboten. In Bayern kommt man hingegen nur in eine Zelle, wenn man sich nach dem Genuss von mehreren Mass hinter dem Bierzelt prügelt. So etwas passierte in Kirchseeon zum Glück nicht. Dort war es dann an der Zeit, dass Braut und Bräutigam die dreistöckige Hochzeitstorte anschnitten. Wenn das gelingt, zeigt es, dass sie gut harmonieren. Es heißt, dass der Partner, der beim Anschneiden die Hand oben hat, auch in der Ehe die Oberhand behält.

Bei der Hochzeit meines Bruders musste zuerst die Einwilligung des Brautvaters eingeholt werden. Der Imam war damals dabei. Gleich nach der Zustimmung strich der Freund des Bräutigams diesem die Schulter entlang, so wie in Deutschland der Brautstrauß nach der Kirche rückwärts in die Menge geworfen wird. In Syrien wirft die frisch gebackene Ehefrau ein Glas am Eingangstor des künftigen Wohnhauses zu Boden. "Jetzt übernehme ich," bedeutet sie damit ihrer Schwiegermutter. Leider fliegen in Syrien zurzeit mehr Bomben als Gläser.

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