Neue Zentrale:Siemens bekennt sich zu seinen Wurzeln

Opening Siemens Group Headquarters

Im Vergleich zu den alten Siemens-Gebäuden an gleicher Stelle hat die neue Konstruktion eine deutlich bessere Öko-Bilanz.

(Foto: Florian Peljak)

Bei der Eröffnung der neuen Zentrale geht es Konzernchef Joe Kaeser und Oberbürgermeister Dieter Reiter nicht nur um die ehrgeizige Architektur.

Von Kassian Stroh

Natürlich ist das hier alles nur Stahl und Beton und Glas und noch vieles andere. Und doch soll es so viel mehr sein: Ausdruck von Selbstbewusstsein, ein Sinnbild dafür, was der Hausherr ist oder gerne wäre. "Eine weltoffene Stätte der Begegnung", wie es Siemens-Chef Joe Kaeser formuliert, ein Ort des "hierarchiefreien Dialogs" in seiner Firma (der ja oft genug noch das Image der Großbehörde anhaftet), ein Vorzeigeobjekt für umweltfreundliches Bauen, schließlich nicht weniger als ein "Bekenntnis" zu den Wurzeln von Siemens.

Und am Ende ganz einfach "ein neues Zuhause". Siemens ist wieder zurück: Nach gerade mal sechs Jahren Planungs- und Bauzeit hat der Konzern seine neu erbaute Firmenzentrale am Wittelsbacher Platz eröffnet.

Es müsste sich unter der Last der Erwartungen biegen, könnte man nicht davon ausgehen, dass das dänische Büro Henning Larsen Architects offenkundig ein recht stabiles Gebäude entworfen hat, das künftig 1200 Mitarbeitern Platz bieten wird. "Ein Team ist etwas anderes als eine Chat-Gruppe", sagt Kaeser, deshalb brauche es auch heute noch Firmenzentralen.

Und der neue Bau soll nun die Weltoffenheit eines weltweit tätigen Konzerns ausdrücken, die Transparenz eines Unternehmens, das sich nach der tiefen Krise seiner Korruptionsaffären neu erfinden will. Und das Geschäfte machen will mit den Techniken der Zukunft, mit sparsamem Energieverbrauch zum Beispiel. 90 Prozent weniger Strom, 75 Prozent weniger Wasser soll die neue Zentrale brauchen, verglichen mit dem alten Siemens-Häuser-Wirrwarr an selber Stelle.

Und zigfach fällt bei der Eröffnungsfeier am Freitag das hehre Wort "Bekenntnis": "Damit erneuern wir unser Bekenntnis zu Bayern und zu unserem Standort in Deutschland", sagt Kaeser. Oberbürgermeister Dieter Reiter spricht lieber vom "Bekenntnis zu München", wiewohl er zugeben muss, dass die Stadt doch irgendwie zum Land gehört. "Siemens und München - das passt immer noch sehr gut zusammen", lobt der OB.

Darin klingt freilich an, dass sich manches gewandelt hat. Einst war der Konzern der größte Steuerzahler und Arbeitgeber an der Isar, an die 50 000 Menschen arbeiteten in den besten Zeiten hier für ihn, München soll mal der weltgrößte Lieferant von digitaler Kommunikationstechnik gewesen sein. Doch in den Neunzigerjahren setzte ein langsamer Niedergang ein. Telefone und Handys, Netzwerke und Chips, Computer und Licht - Geschäftsbereich um Geschäftsbereich wurde verkauft, verkleinert, dicht gemacht.

Und dass das wie die Telefone ausgerechnet das historische Herz des Konzerns betraf, ließ München als Siemens-Stadt im Bewusstsein noch mehr schrumpfen, als sie es faktisch ohnehin schon tat. Heute sitzen die Geschäftsfelder mit Zukunft zumeist anderswo, in Erlangen zum Beispiel, wo heute je nach Rechnung 25 000 bis 35 000 Siemensianer arbeiten.

Starker Wirtschaftsort dank Siemens

In München sind es nur noch 8500. Viele Standorte sind längst aufgegeben, auf dem einst weltweit größten Produktionsstandort in Obersendling entstehen Wohnungen, fast nur noch der Name der S-Bahn-Station verrät, was hier einst war: die "Siemenswerke". Und dass im Deutschen Museum Preziosen wie Werner von Siemens' Dynamomaschine von 1856 zu sehen sind, macht München allein auch nicht zur Siemens-Stadt.

Umso wichtiger war für die Stadt, als Siemens vor sechs Jahren unter seinem damaligen Chef Peter Löscher (der zur Feier im Übrigen nicht geladen war) beschloss, seine Firmenzentrale abzureißen und neu zu bauen sowie das in den Komplex integrierte historische Palais Ludwig Ferdinand grundlegend zu sanieren. "Das weiß die Stadt sehr zu schätzen", sagt Reiter; dass München heute ein derart starker Wirtschaftsstandort sei, liege auch an Siemens.

Zumal der Konzern auch noch all die "städtebaulichen Anregungen" aus dem Rathaus aufgegriffen habe: Da die Zentrale im Erdgeschoss nun frei zu durchqueren ist, besteht endlich eine direkte Verbindung vom Odeonsplatz zum Pinakotheken-Viertel. (Sofern man unfallfrei den Altstadtring überquert.) Kaeser und Reiter lobten sich gegenseitig für die professionelle Zusammenarbeit von Stadt und Konzern. Dass es freilich gerade mal ein Jahr dauerte, bis der sein gewünschtes Baurecht bekam, das könnte die Oberen im Rathaus in Vergleichsfällen künftig gehörig unter Druck setzen.

Derlei Entgegenkommen war für Siemens aber nicht der einzige Grund, in München zu bleiben, wenn man Kaeser Glauben schenkt. "Die ganze Stadt München ist unser Campus, ein Campus voller Schätze", sagt er. Mit all den Konzernen und Mittelständlern, mit den Start-ups und Hochschulen. "Wir wollen mittendrin sein in dieser Stadt, mitten im Leben, vor allem aber auch mitten in der Gesellschaft."

Genau da, mittendrin in München, hat der Stadtrat dem Konzern den Gefallen getan, einen Teil der Finkenstraße, an der die neue Zentrale liegt, um- und nach seinem Gründer zu benennen: Auf den Briefbögen ist der Schritt noch nicht vollzogen, künftig aber residiert der Konzern nicht mehr am Wittelsbacher Platz 2, sondern an der Werner-von-Siemens-Straße 1. Und er ist weiterhin daheim in 80333 München.

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