Neue Wohnformen:Senioren-WG dringend gesucht

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Die Interessenten sind seriös und gut betucht, trotzdem ist das Angebot nur verschwindend gering.

Von Bernd Kastner

Immer mehr Senioren haben es satt, allein in einer Wohnung zu leben, die oft zu groß und teuer ist. Der Bedarf an gemeinschaftlichen Wohnformen jenseits des Altenheims und der Betreuung nimmt spürbar zu. Hausgemeinschaften mit abgeschlossenen Appartements und klassische WGs werden auch bei älteren Menschen immer beliebter. Allein, in München ist das Angebot annähernd null.

Vor wenigen Wochen hat die SZ über die geplante Gründung einer Senioren-Wohngemeinschaft berichtet. Was die Initiatorin Martemaria Scheunemann daraufhin erlebte, hätte sie sich nie träumen lassen: Täglich klingelt seither das Telefon, kommen Anfragen via Fax. Weit mehr als 100 Interessenten stehen mittlerweile auf ihrer Liste. Alles "Senioren"ab 50, die in einer klassischen WG Küche und Bad mit ihresgleichen teilen wollen.

Für die Verwirklichung des Plans fehlt aber noch ein Hauseigentümer, der bereit ist, mehrere Wohnungen an die jungen Alten zu vermieten. Trotz mehrerer Annoncen hat Scheunemann auch nach gut einem Jahr noch keine Bleibe für ihre Gruppe gefunden. Ihre Erfahrung scheint symptomatisch zu sein für die Situation in München.

Verpflichtung zur Nachbarschafts-Hilfe

In ganz Deutschland gibt es nach Schätzungen des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) gerade mal 250 Senioren-Wohngemeinschaften. In München sind solche Gruppen mehr als rar: In Pasing besteht seit acht Jahren eine Hausgemeinschaft (siehe Interview), in Allach und der Messestadt organisiert der "Verein für selbstbestimmtes Leben" zwei Gruppen in Häusern der städtischen Gewofag. Die Bewohner haben sich zur nachbarschaftlichen Hilfe verpflichtet. "Das funktioniert aber nur, wenn man hinterher ist", beschreibt Vorsitzende Doris Gronegger die Schwierigkeiten des Miteinanders. Dennoch erhalte sie ständig Anfragen von Interessenten.

Annette Scholl vom KDA spricht von einem "wachsenden Markt": Gemeinsames Wohnen im Alter "gewinnt immer mehr an Bedeutung". Die Bereitschaft, im Alter etwas Neues auszuprobieren, wachse ständig. Ihr Kollege Holger Stolarz beobachtet, dass die Nachfrage mit dem Angebot steige. Wo, wie in Hamburg, bereits mehrere Senioren-Wohn- oder Hausgemeinschaften existierten, spreche sich der Reiz dieser Wohnform herum - immer mehr WGs entstehen.

Zurückhaltende Vermieter

Die heutige Generation 50 Plus sei dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur körperlich und geistig fit sei, sondern auch oft über mehr finanziellen Spielraum verfüge als frühere Generationen. Doch jeder, der sich für den Lebensabend in einer Gemeinschaft entscheidet, sollte sich über den langen Vorlauf im Klaren sein: Von der ersten Idee bis zum Einzug vergingen in der Regel fünf Jahre - eine hohe Hürde, so Stolarz.

Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins, vermutet als Grund für die Zurückhaltung der Vermieter schlechte Erfahrungen mit klassischen Studenten-WGs. Wenn auch Senioren eine völlig andere Klientel seien, hafte in Eigentümerkreisen der WG ein Negativ-Image an. Weil auf dem Münchner Wohnungsmarkt ein Vermieter fast immer die Wahl zwischen vielen Bewerbern habe, entscheide sich kaum einer für eine WG, seriöse Senioren hin oder her.

WG-Kontakt gegen die Einsamkeit

Und eine Hausgemeinschaft scheitere in der Regel daran, dass so gut wie nie mehrere Wohnungen zeitgleich frei werden. Doch Stürzer ist sich sicher: "Der Druck auf den Markt wird stärker werden." Und wenn angesichts des demographischen Wandels immer mehr Senioren-WGs nachgefragt werden, dürften auch die Vermieter reagieren.

Bei der Genossenschaft Wogeno denkt man auch in diese Richtung. Man will bei einem der nächsten Neubauprojekte innovative Wohnformen für Senioren verwirklichen. Vielleicht haben in ein paar Jahren auch jene "verzweifelten" Interessenten bessere Chancen, die Martemaria Scheunemann in den vergangenen Wochen am Telefon hatte: "Ich bin erschrocken, wie viele gut Betuchte offenbar sehr einsam sind. Die suchen dringend den Kontakt in einer WG."

Im Rahmen der Messe "Gutes Leben im Alter", veranstaltet von den Grünen im Maximilianeum, beschäftigt sich am morgigen Mittwoch um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion mit "Wohnen und Leben im Alter" (19 Uhr, Landtag, Konferenzsaal).

© SZ vom 05.04.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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