Neue Heimat:Fasten mit Krustenbraten

Wirtshaus "Landlust" im Reitsberger Hof in Vaterstetten, 2014

Schweinebraten mit Knödeln gibt es in der afrikanischen Küche nicht.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Was die Bayern für ein deftiges Essen halten, ist für unsere Kolumnistin aus Uganda höchstens eine Vorspeise. Doch nicht nur bei den Mengen unterscheiden sich die beiden Kulturen.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Als ich zum ersten Mal in einem bayerischen Wirtshaus saß, da wurde ich beim Bestellen ganz kleinlaut, weil ich die Speisen auf der Karte nicht aussprechen konnte. Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet, weil ich von Uganda gewohnt war, einfach mit dem Finger auf die Karte zu zeigen. Mir ist auch aufgefallen, dass man nur ganz selten Afrikaner im Wirtshaus sitzen sieht. Vermutlich liegt das daran, dass wir ziemlich eigen sind, was das Essen angeht, und uns manchmal schwer tun, uns umzustellen.

Warum ist das so? Nun, man kann mit Sicherheit sagen, dass sich die bayerische Küche grundlegend von der afrikanischen unterscheidet. Das geht schon bei der Menge an Nahrung los. Die Bayern bezeichnen ihre Speisen als deftig und reichhaltig - was für mich immer wieder erstaunlich ist. Wann immer ich von einem Bayern bekocht wurde, fühlte es sich für mich wie Fasten an.

Ein Stück Schweinsbraten mit einer Scheibe Brezenknödel und Blumenkohl kam mir in meiner ersten Zeit in München fast wie eine Vorspeise vor. In Uganda sitzen die Menschen in einer Gruppe zusammen um einen Tisch herum. In der Mitte steht ein großer Teller von dem sich alle bedienen, meistens mit einem mächtigen Stück Fleisch darauf. Anders als die Europäer schneiden wir das Mahl nicht in kleine Portionen. Wir schneiden gar nicht, das ugandische Besteck sind die Hände.

Das mag vielleicht barbarisch klingen, hat aber viel mit der afrikanischen Gesellschaft zu tun. Beim Essen und im Leben überhaupt geht es - anders als in München - weniger um Stil, Kultur und Qualität, sondern ums Überleben selbst. Ganz nach dem Prinzip: Je größer das Stück, das man aus der Mitte ergattern kann, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass man davon satt wird und über die Runden kommt. Wer sich nicht um eine ordentliche Portion bemüht oder einen schlechten Sitzplatz erwischt hat, von dem man schlecht an den Teller rankommt, dem kann es passieren, dass er hungrig vom Tisch aufsteht.

Das Kalorien zählen geht beim Einkaufen los

Ich lebe mittlerweile seit mehr als fünf Jahren in München, dieser Stadt, in der es nicht darum geht, satt zu werden sondern schlank zu bleiben. Dieses Vorhaben verfolgen die Münchner sehr zielstrebig. Das Kalorien zählen geht bereits beim Einkaufen los: Egal ob bei Tengelmann oder Aldi, bevor ein Münchner etwas in seinen Einkaufskorb legt, schaut er vorher genau auf die Verpackung, welchen Fettgehalt ein Joghurt hat und wie viel Zucker in einer Flasche Saft ist.

Ein guter Freund von mir, ein Afrikaner, der wie ich in München lebt, sagt, dass die Bayern beim Essen einen an der Waffel haben. Wahrscheinlich liegt das daran, dass er noch keinen Schweinsbraten probiert hat. Der Schweinsbraten gehört mittlerweile zu meinen Leibspeisen, auch wenn er in der Zubereitung nicht ganz so einfach ist - wegen der Kruste und wegen der Knödel. Es kann sein, dass ich einen Knödel nie so schön rund und geschmackvoll hinbekomme wie die Einheimischen. Aber ich werde mir Mühe geben.

Neue Heimat - Der andere Blick auf München
Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Der Autor: Mohamad Alkhalaf, 32, stammt aus Syrien. Bis 2015 arbeitete er für mehrere regionale Zeitungen, ehe er vor der Terrormiliz IS floh. Seit der Anerkennung seines Asylantrags lebt er in Kirchseeon.

Die Serie: Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen schreibt Alkhalaf für die SZ eine Kolumne darüber, wie es sich in Deutschland lebt und wie er die Deutschen erlebt. Alle Folgen finden Sie auf dieser Seite.

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