Neue Heimat:Die Münchner Flohmarktgänger sind ziemlich miese Händler

Großflohmarkt auf der Münchner Theresienwiese, 2016

Nach dem Frühjahrsputz: Auf der Theresienwiese wird alljährlich Bayerns größter Flohmarkt veranstaltet.

(Foto: Florian Peljak)

Dafür haben die meisten wohl noch ein gutes Gehör. In Uganda, der Heimat unserer Kolumnistin, geht es auf Trödelmärkten viel lauter und chaotischer zu.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Flohmärkte sind wie das Leben: chaotisch, mystisch, aufregend. Jeder Stand ist eine potenzielle Diamantenmine, wo die Steine noch von Hand zu Hand gereicht werden. Wer nach einem Vintage-Stück oder einfach nach etwas Besonderem sucht, muss tief graben, verhandeln oder sich durch chaotische Mengen quetschen.

Wenn man schließlich etwas entdeckt, fühlt es sich an, als ob man das System geschlagen hat und über einen verbotenen Schatz gestolpert ist. Die denkwürdigsten Billig-Schnäppchen macht man nicht in Einkaufszentren, sondern auf Flohmärkten. Zumindest dachte ich das lange.

Als ich vor einigen Jahren von Uganda nach München gezogen bin, kam mir gar nicht in den Sinn, dass Flohmärkte auch hier existierten - und das bis in den Spätherbst hinein. Ich dachte immer, Flohmärkte seien für arme afrikanische oder asiatische Länder bestimmt. Warum sollten die Deutschen auch dort einkaufen, wenn fast alles zu tiefen Preisen in riesigen Shopping-Hallen angeboten wird?

Wenn ich Freunden in Uganda erzähle, dass ich hier auf einen Flohmarkt gehe, denken sie, dass ich spinne und dass ich ein armes Leben in Europa führe. Ich selbst habe nach ein paar Besuchen auf Märkten gesehen, dass die Käufer aus allen möglichen Gesellschaftsschichten kommen, dass dort reichere Menschen sind und solche, die knapp bei Kasse sind. Woran man das erkennt? An der Art der Autos zum Beispiel, die im Marktgebiet parken. Und es gibt Menschen mit ausgebeulten Hosen, die bei einem Zwei-Euro-T-Shirt verhandeln.

Wer am lautesten schreit, verkauft die meiste Ware

In Uganda geht es deutlich rustikaler zu. Da die Händler dort ernsthaft konkurrieren, wetteifern sie, wer lauter schreien oder singen kann. Für die Besucher der Flohmärkte ist das wichtig; sie haben kaum etwas und wollen den billigsten Preis. Weil viele in Uganda arm sind, wird alles zu Geld gemacht, jede Kleinigkeit.

Das ist auch der Grund, warum die großen Schnürpakete aus deutschen Kleidersammlungen oft nicht bei Bedürftigen landen, sondern bei Händlern, die sie dann auf dem Markt für Geld anbieten. Während in München jeder einen Tisch aufbauen darf, dürfen auf den meisten Flohmärkten in Ostafrika ausschließlich registrierte Händler etwas verkaufen.

Die sind sehr gewieft, und man braucht gute Verhandlungskünste, damit sie einen nicht über den Tisch ziehen. Die Münchner Flohmarktgänger sind dagegen ziemlich miese Händler, dafür haben sie aber noch ein gut funktionierendes Gehör. In Uganda verursacht all das Gebrülle nämlich einen so intensiven Lärmpegel, dass noch Stunden danach die Ohren betäubt sind.

Neue Heimat - Der andere Blick auf München
Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Die Autorin: Lillian Ikulumet, 36, stammt aus Uganda. Bis 2010 arbeitete sie dort für mehrere Zeitungen, ehe sie flüchtete. Seit fünf Jahren lebt Ikulumet in München.

Die Serie: Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen schreibt Ikulumet für die SZ eine Kolumne darüber, wie es sich in Deutschland lebt und wie sie die Deutschen erlebt. Alle Folgen finden Sie auf dieser Seite...

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