Flüchtlinge und Weihnachten:Mein Wunsch: Das Christkind soll Frieden nach Syrien bringen

Flüchtlinge und Weihnachten: Seit über fünf Jahren herrscht Krieg in Syrien. Vor allem die Stadt Aleppo war lange hart umkämpft.

Seit über fünf Jahren herrscht Krieg in Syrien. Vor allem die Stadt Aleppo war lange hart umkämpft.

(Foto: AP)

Für unseren Kolumnisten war es früher das Höchste, einen Ball zu Weihnachten geschenkt zu bekommen. Die Kinderwünsche in seiner Heimat haben sich inzwischen drastisch gewandelt.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Frauen, die durch die Straßen schlendern. Um sie herum springen Scharen von Kindern, die aufgeregt Spielzeugautos und Süßigkeiten in den Auslagen betrachten. Aufgeregte Stimmen, begeisterte Wünsche, flehentliche Bitten und dann die glücklichen Gesichter, wenn endlich der ein oder andere Wunsch in Erfüllung geht.

Das war im Syrien vor dem Krieg nicht anders als hier in München - in Syrien waren es nur mehr Kinder, die um eine Frau herumhüpften. Die Familien in meiner früheren Heimat sind größer als in Bayern. Ich selbst habe fünf Brüder und zwei Schwestern, ich bin ein Teil einer kinderreichen Familie - oder wie man in Rakka sagen würde: einer ganz normalen Familie.

Weihnachten ist für Kinder die Zeit, in der Wünsche manchmal erfüllt werden, und manchmal auch nicht. Ich bin zwar längst kein Kind mehr, meine Wünsche von früher verfolgen mich aber manchmal noch in meinen Träumen. Ein Ball zu Weihnachten war schon etwas besonderes, der Wunsch nach einem Fahrrad war hingegen schwer zu erfüllen. Ein Fahrrad kann sich eine zehnköpfige Familie leisten, aber eben nicht zehn Räder. Ich erinnere mich noch gut an mein schönstes Weihnachtsgeschenk, als ich zwölf Jahre alt war, bekam ich ein Paar Schuhe geschenkt. Ich freute mich wie ein Schneekönig und schlief mit den Schuhen im Arm ein.

Auch hier in Deutschland erlebe ich jetzt in der Zeit vor Weihnachten, dass sich Eltern Gedanken über Geschenke für ihre Kinder machen. Für deutsche Eltern ist es ein wenig einfacher - sie können sich auf viel weniger Kinder konzentrieren. Der Nachteil ist, dass deutsche Kinder tendenziell deutlich anspruchsvoller sind als syrische. Klar gibt es Ausnahmen, aber ich kenne viele Familien, wo ein paar Schuhe unter dem Weihnachtsbaum eher für Enttäuschung als für leuchtende Augen sorgen würde.

Damit man so etwas vermeidet, haben sie in Deutschland den Wunschzettel erfunden. Man schreibt dem Christkind einen Brief, legt ihn auf die Fensterbank und lässt das Fenster offen. Das ist wichtig, um dem Christkind das Einsammeln der Post zu erleichtern, so erzählt man es sich zumindest. Es muss jedenfalls ein enormes Erlebnis sein, wenn dann unter dem Christbaum das liegt, was auf dem Wunschzettel draufstand.

In Syrien haben sich die Wünsche der Kinder verändert: Sie möchten einfach nur in Frieden schlafen dürfen, genug zu Essen und zu Trinken bekommen und sicher mit ihren Familien leben können. Vieles habe ich in meinen letzten Jahren in Syrien selbst noch mitbekommen, seit meiner Flucht lasse ich mir die Geschichten über Skype und Facebook erzählen. Seitdem sind leider Tausende syrische Kinder gestorben, ohne dass sie ihre Wünsche je aufschreiben konnten.

Für deutsche Kinder ist es schwer zu begreifen, was gerade in Aleppo passiert, dass es dort nicht um Lego-Burgen und Playmobil-Ritter geht, sondern dass dort im echten Leben gekämpft wird. Ich habe einem deutschen Kind die Geschichte der Kinder von Aleppo erzählt - von ihrem Leid und ihrem schrecklichen Schicksal. Niklas, ein Junge aus meinem Dorf Kirchseeon, war recht ergriffen von meiner Geschichte. Er hat dann seinen Wunschzettel zerrissen und mir seinen neuen gezeigt, es war nur noch ein Wunsch darauf: "Liebes Christkind, ich wünsche mir, dass der Krieg in Aleppo zu Ende geht."

Es wäre wunderbar, wenn das Christkind an Weihnachten einfach nach Aleppo fliegen und Frieden in die Stadt bringen könnte. Aber in Aleppo sieht man am Himmel eher Bomber-Flugzeuge - und schon lange keine Hoffnungslichter mehr.

Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Mohamad Alkhalaf, 32, stammt aus Syrien. Bis 2015 arbeitete er für mehrere regionale Zeitungen, ehe er vor der Terrormiliz IS floh. Seit der Anerkennung seines Asylantrags lebt er in Kirchseeon.

Die Serie: Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen schreibt Alkhalaf für die SZ eine Kolumne darüber, wie es sich in Deutschland lebt und wie sie die Deutschen erlebt. Alle Folgen finden Sie auf dieser Seite.

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