Flüchtlinge in München:Das Feierabendglück ist feucht

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Eine Mass Bier zum Feierabend - Münchner lassen den Abend gerne in geselliger Runde ausklingen. (Foto: Robert Haas)

Je höher der Leistungsdruck, desto mehr Bier läuft durch die Zapfhähne Münchens. Unser Neue-Heimat-Kolumnist aus Nigeria wundert sich über die Entspannungsrituale deutscher Großstädter.

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Oft wandle ich verzückt durch die Parkanlagen in München. Ich finde es immer wieder spannend zu sehen, mit welch einfachen und doch interessanten Methoden die Menschen hier nach dem Zustand der Glückseligkeit streben. Es ist eine wahrlich seltsame Art, wie die Stadtbewohner sich auf die Suche nach Zufriedenheit begeben. Und gleichsam ist es lehrreich, weil ihre Strategien allem Anschein nach funktionieren.

Nachdem die Einheimischen ihr Tagwerk verrichtet haben, sitzen sie oft in hübschen, aber extrem hochpreisigen Kneipen beisammen, meist leicht benebelt, oft laut frohlockend, nicht selten dringt ein infantiles Quietschen aus Frauen-Kehlen, speziell, wenn auf einem TV-Schirm Männer hinter Bällen herlaufen. Die Arbeitstage in diesem Teil der Erde sind oft lang und intensiv, und ich frage mich oft, woher die Menschen nach solchen Tagen all diese Energie nehmen. Wie sie es schaffen, am Abend noch quietschfidel durch die Kneipen zu ziehen und lustig zu sein.

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Statt zu rasten, rasten die Menschen lieber aus, die Kneipen sind in München auch unter der Woche voll. Mein Eindruck ist: Je höher der Leistungs- und Konkurrenzdruck, desto mehr Bier läuft durch die Zapfhähne der Stadt. Ich habe den Versuch gewagt und begleitete meine deutschen Freunde beim Glücksritual, sich mit Bierhumpen herunterzukühlen. Gegen den Stress von der Arbeit, oder - in meinem Fall - gegen die Gedanken an die politischen Gladiatoren, welche in Nigeria auf mich warten, sollte ich dorthin zurückkehren müssen.

Für viele Deutsche hängt Glücksgefühl eng mit kühlem Bier zusammen. Im Sommer genießt der Münchner dies gelegentlich an einem Fluss sitzend, während die Sonne auf nackte Oberkörper strahlt - auch das war für mich neu. Bevor ich nach München kam, habe ich noch nie einen Gedanken daran verschwendet, Glück am Ufer eines Gewässers zu suchen. Obwohl wir einige davon in Nigeria haben, würde sich dort niemand einfach so hinsetzen und eine Bierflasche öffnen. Die Leute erkennen eher den praktischen Nutzen an Flüssen und verwenden sie als Müllabladeplatz.

In Ebersberg, wo ich seit knapp zwei Jahren wohne, luden mich meine Bekannten zu einem Besuch eines Sees ein, dem Klostersee, ein kleines Gewässer inmitten der Stadt. Meine Begleiter hatten allen Ernstes vor, darin zu schwimmen. Um mich herum zogen sich die Leute ungeniert aus und sprangen in ihrer Unterwäsche lachend in den See, als wären sie Fische. Anschließend legten sie sich auf große Decken und warteten, bis die Wassertropfen auf der Haut verdampft waren.

Selten habe ich Münchner Gesichter so entkrampft gesehen. Wahrscheinlich suchen sie genau dieses Gefühl, das sie nur erreichen, wenn sie sich von außen befeuchten, oder von innen.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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