Neue Haie im Sealife:Eine Wurmkur zur Begrüßung

Neue Haie im Sealife: Der Zebrahai erkundet sein neues Aquarium.

Der Zebrahai erkundet sein neues Aquarium.

(Foto: Robert Haas)

Zebrahaie sind keine einfachen Passagiere: Vorsicht und Geduld sind geboten, um die Tiere aus den Niederlanden nach München zu transportieren, wo sie im Aquarium landen.

Von Inga Rahmsdorf

So ein Hai ist ein empfindlicher Fahrgast. Die Temperatur im Wagen muss stimmen, man darf nicht zu schnell fahren und auf keinen Fall abrupt bremsen. Aber wenigstens sind Haie schweigsame Passagiere, das schätzt Josh Bramsen sehr. Vergangene Nacht hat der Niederländer in der Fahrerkabine seines Lastwagens im Olympiapark geschlafen. Klar, er könnte sich ein Zimmer im Hotel nehmen, aber er lässt seine Haie nachts nicht gerne alleine.

Josh Bramsen ist nicht einfach nur Chauffeur für ungewöhnliche Fahrgäste, er ist auch zuständig dafür, dass es den Tieren gut geht während der Reise. Sobald etwas nicht stimmt, fährt Bramsen auf einen Rastplatz, klettert in seinen Lastwagen, spricht ein wenig mit den Haien und prüft, ob ihre Atmung regelmäßig geht. Man weiß ja nie, wie so ein Hai die Reise verträgt. Aber wie bemerkt er vorne im Wagen, wenn hinten im Bassin etwas nicht stimmt? "Intuition", sagt Bramsen.

Intuitiver Transporteur

Josh Bramsen ist Profi, er kennt sich aus mit Wassertieren. In Turnschuhen, T-Shirt und Jeans sitzt er auf der Ladefläche des Lastwagens und blickt liebevoll in das Wasserbecken hinab. Dort liegen zwei Zebrahaie auf dem hellblauen Beckengrund und schlafen. Es ist noch früh an diesem Donnerstagmorgen, die Tiere sind müde von der langen Reise, sagt Bramsen. Sie sind aus den Niederlanden angereist, dort arbeitet Bramsen für die Firma De Jong Marinelife, die Wassertiere verkauft und transportiert. Es gibt nicht viele Unternehmen, die Haie quer durch Europa transportieren. Bramsen fährt bis in die Türkei, immer schön umsichtig, "gemächlich, wie einen alten Herren musst du sie fahren", sagt der Niederländer, "und der Hai entscheidet, ob ich fahre oder anhalte."

Neue Haie im Sealife: Zu viert wird die Trage vom Bassin hinab, dann aus dem Lastwagen hinaus und durch den Hintereingang ins Sea Life hineingehievt.

Zu viert wird die Trage vom Bassin hinab, dann aus dem Lastwagen hinaus und durch den Hintereingang ins Sea Life hineingehievt.

(Foto: Robert Haas)

Seine Passagiere, die Zebrahaie, haben die Fahrt nach München gut überstanden, die Kiemen bewegen sich regelmäßig auf und ab. Doch ganz am Ziel sind sie noch nicht, ihnen steht noch die letzte Etappe bevor, ins tropische Aquarium der Unterwasserwelt Sea Life. Zunächst einmal muss aber geklärt werden, wie die beiden Tiere, die 1,80 bis zwei Meter lang sind und etwa 40 Kilogramm wiegen, aus Bramsens Lastwagen in das Aquarium kommen.

Für den großen Umzug hat sich an diesem Morgen schon eine Schar von Experten vor dem Lastwagen versammelt. Nur die beiden Chefs des ganzen Vorhabens schlafen noch friedlich im Wasser. Denn, ganz wichtig, alles richtet sich hier nach den Haien. Sie haben das Sagen, sie bestimmen, wann es losgeht, in welchem Tempo der Umzug vollzogen wird. Alles hängt davon ab, wie die Haie drauf sind, das betonen der Tierarzt, die Biologen und Bramsen. Wie die Haie das mitteilen werden, bleibt für Außenstehende zunächst noch ein Geheimnis. "Man muss die Haie lesen", so viel verrät Bramsen schon.

Langsame Akklimatisierung

Erst einmal verabreicht Thomas Bauer eine Wurmkur. Reine Präventionsmaßnahme für die Neuzugezogenen. Der Tierarzt ist spezialisiert auf Wassertiere und Reptilien, Haie in Empfang zu nehmen, zählt zu den Highlights. Dann schließt Bramsen die Pumpen an, Wasser aus dem Sea-Life-Aquarium fließt in das Becken im Lastwagen. Für die langsame Akklimatisierung. Das Münchner Wasser ist schließlich dasselbe wie das niederländische. Außerdem können die Haie so schon ihre neuen Mitbewohner beschnuppern.

So ein Hai ist nicht nur während der Reise ein empfindlicher Genosse. Und mal ganz abgesehen vom Wohl der Tiere, ist ein Hai auch kein Goldfisch. Deutlich über 10 000 Euro kostet einer, sagt ein Mitarbeiter von Sea Life. Zudem handelt es sich um ein Pärchen. "Wir hoffen, dass sie Nachwuchs bekommen, das wäre wirklich etwas ganz Besonderes", sagt Jens Bohn, leitender Biologe bei Sea Life.

Neue Haie im Sealife: Josh Bramsen (2.v.l.) hat die zwei Zebrahaie von den Niederlanden bis nach München begleitet. "Man muss die Haie lesen, um sie zu verstehen", sagt er.

Josh Bramsen (2.v.l.) hat die zwei Zebrahaie von den Niederlanden bis nach München begleitet. "Man muss die Haie lesen, um sie zu verstehen", sagt er.

(Foto: Robert Haas)

Die Spannung steigt

Die Wassertemperatur und der Salzgehalt steigen, die Aufregung auf der Lastwagenklappe auch. Die beiden Haie sind mittlerweile aufgewacht und drehen Runden. Bramsen übersetzt ihre Bewegungen in eine Sprache, die auch Hai-unerfahrene Menschen verstehen können. "Wir wollen raus hier", sagt er. Das ist das Stichwort. Bramsen hat einen großen Kescher bereit gelegt, außerdem eine Trage aus festem Kunststoff, die allerdings um einiges wackeliger zu sein scheint als die Tragen auf den WM-Fußballplätzen, dafür kann man sie besser zusammenklappen. Schließlich ist ein Hai glitschiger als ein Fußballspieler. Und Bramsen hat schon erlebt, dass ein Tier von der Trage gesprungen ist.

Dann geben die Haie, übermittelt durch Josh Bramsen, das Stichwort. Es geht los. Die Männer zwängen sich den Lastwagen, Bramsen hievt mit dem Kescher ein Tier aus dem Bassin, Tierarzt Bauer hantiert mit einer Taschenlampe, er muss noch einen Blick auf den Haibauch werfen, ob er sich bei der Fahrt gerötet hat. Alles in Ordnung. Zu viert manövrieren sie die Trage eine kleine Leiter vom Bassin hinab, dann aus dem Lastwagen und durch den Hintereingang ins Sea Life. Dort wieder eine Treppe hinauf, die Trage wackelt, der Hai rutscht. Hochhalten, ruft Bramsen. Sie schaffen es bis zum Beckenrand, wo Gonzáles, die grüne Meeresschildkröte, schon die nächster Fütterung wittert. Der Hai gleitet von der Trage ins Wasser.

Nachdem beide Tiere sicher im Aquarium gelandet sind, macht sich außerhalb des Beckens Erleichterung breit, Tierarzt Bauer zählt die Atemfrequenz, während nun im Wasser große Aufregung herrscht. Der Ammenhai, die Makrelen, Silberfische und der Gitarrenhai (Großer Geigenrochen) umkreisen neugierig die neuen Bewohner. Einen Namen haben die beiden noch nicht. Josh Bramsen beobachtet sie zufrieden. Nun kann er weiterfahren, er muss noch einen Fisch nach Konstanz bringen. In einem Aquarium in Barcelona haben sie einen Hai nach ihm benannt.

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