Neue Fernbuslinien:Nächste Haltestelle Frankfurt

Ab Januar ist eine neue Vielfalt auf dem Busreisemarkt erlaubt. Zahlreiche Firmen stehen in den Startlöchern, München spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Anbieter setzen vor allem auf Kunden, die mehr auf den Preis achten als auf Pünktlichkeit.

Marco Völklein

Neue Fernbuslinien: Der Busbahnhof in München. Von Januar an dürfen Reisende mit neuen Angeboten für Fernbusreisen in Deutschland rechnen, denn dann wird dieser Markt liberalisiert.

Der Busbahnhof in München. Von Januar an dürfen Reisende mit neuen Angeboten für Fernbusreisen in Deutschland rechnen, denn dann wird dieser Markt liberalisiert.

(Foto: Robert Haas)

Platz. Endlich gibt es genügend Platz. Seit vergangenem Donnerstag arbeiten Jochen Engert, Daniel Krauss und André Schwämmlein von einem geräumigen Sechs-Zimmer-Büro in der Münchner Theresienstraße aus an ihrem Traum. Davor mussten sie sich zusammen mit ihren wenigen Mitarbeitern zwei enge Zimmer teilen im Uni-Gründerzentrum in der Giselastraße. Nun aber geht es los. Das große Büro ist ein Ausrufezeichen. Es soll zeigen, dass es etwas werden könnte mit dem Traum vom bundesweiten Fernbusnetz.

Den Traum haben einige, nicht nur die drei von Flixbus, wie sie ihr Unternehmen genannt haben. In den kommenden Wochen und Monaten wollen zahlreiche Firmen etwas Ähnliches aufziehen wie die drei aus der Maxvorstadt. Vor kurzem erst gab der Bundesrat grünes Licht für eine Idee, die Schwarz-Gelb bereits vor drei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart hatte. Mit einer Freigabe des Fernbusmarktes wollen sie die Reisegewohnheiten der Deutschen verändern.

Bislang verbot ein Gesetz aus den 1930er Jahren den Busunternehmen, innerdeutsche Fernbuslinien zu betreiben. Lediglich Linienbusse ins Ausland waren erlaubt sowie Fernbusse von und nach Berlin. Ansonsten aber sollte das Gesetz die Bahn vor Konkurrenz schützen. Von 2013 an wird sich das nun ändern: Jeder kann dann mit einem Fernbus im Linienbetrieb Berliner nach Köln oder Aschaffenburg fahren oder Menschen aus Magdeburg nach Miltenberg oder München. Zahlreiche Anbieter stehen in den Startlöchern. Und München soll dabei eine nicht unwichtige Rolle spielen.

So zum Beispiel im Liniennetz von Deinbus.de, einem Unternehmen aus Offenbach, hinter dem - ähnlich wie bei Flixbus - drei junge Firmengründer sowie externe Finanziers stehen. Deinbus betreibt aufgrund einer Ausnahmegenehmigung seit ein paar Monaten bereits mehrere innerdeutsche Fernbuslinien, unter anderem von München nach Tübingen sowie von München nach Frankfurt.

"Mehr als positiv überrascht" sei man gewesen von der Nachfrage, sagt Deinbus-Gründer Ingo Mayr-Koch. Ähnlich sieht es bei Meinfernbus.de aus, einer Firma aus Berlin, die sich ebenfalls zum Ziel gesetzt hat, vom kommenden Jahr an ein "bundesweites Fernbusnetz" zu betreiben. Meinfernbus fährt seit kurzem von München aus regelmäßig mit Bussen nach Freiburg und Konstanz. Die Freiburg-Busse seien im Schnitt zu 75 Prozent ausgelastet, sagt Meinfernbus-Gründer Torben Greve. Das sei ein "sehr guter Wert", der zeige, dass die Angebote ankommen bei den Kunden. Nun wollen alle diese Unternehmen expandieren.

"Attraktiver Haltepunkt"

München soll dabei eine wichtige Rolle spielen. Denn zum einen bietet die Stadt mit dem neuen Omnibus-Bahnhof an der Hackerbrücke "einen attraktiven Haltepunkt" mit Anbindung ans S-Bahn-Netz, wie Greve betont. Zum anderen weise das Netz der Deutschen Bahn im süddeutschen Raum "insbesondere im Ost-West-Verkehr noch einige Lücken" auf, ergänzt Mayr-Koch von Deinbus. Genau diese Lücken wolle man nun schließen. Und außerdem sei es nur logisch, von einem bestehenden Knotenpunkt aus das Netz zu erweitern. "Wir werden von Süden aus wachsen", kündigt Mayr-Koch an.

Konkrete Netzpläne rückt derzeit aber keine der Firmen raus. Niemand will sich zu früh in die Karten schauen lassen. Zumal unklar ist, wer da noch so alles auf den Markt drängen wird. Von Buskonzernen aus dem Ausland wird in der Branche bereits gemunkelt; auch hat das Frankfurter Unternehmen Deutsche Touring, das bereits jetzt zahlreiche Busverbindungen ins Ausland betreibt, angekündigt, mit "attraktiven Angebote zu attraktiven Preisen" Fahrgäste locken zu wollen.

Die drei Flixbus-Erfinder aus München machen sich daher auch gar nichts vor: "Der Wettbewerb wird vor allem über den Preis stattfinden", sagt Schwämmlein. Ähnlich wie bei den Billigfliegern würden sich die Kunden über kurz oder lang auch an günstige Fernbusverbindungen gewöhnen.

Gewerkschaft fürchtet Lohndumping

In der Tat setzen die neuen Anbieter vor allem auf Kunden, die "mehr auf den Preis achten und weniger auf die Reisezeit", sagt Flixbus-Mann Engert. Vor allem junge Leute werden die Busse nutzen, hoffen die Anbieter. Branchenkenner wie Politiker glauben, dass die Fernbusse vor allem Kunden anziehen werden, die derzeit mit dem eigenen Auto oder per Mitfahrzentrale reisen. Die Bahn gibt sich jedenfalls gelassen: Reisen mit dem Zug sei viel bequemer als mit dem Bus, sagt ein Unternehmenssprecher. Außerdem habe der Konzern Sparpreise im Angebot, man müsse sich also "auch preislich nicht verstecken".

Die Bahn setzt seit einiger Zeit zudem selbst Busse ein, etwa auf der Strecke München-Prag. Umweltverbände unterstützen die neuen Anbieter, weil Busse sauberer seien als Pkw und die Züge der Bahn, die zur Stromerzeugung derzeit noch stark auf Kohle setzt

Es gibt aber auch kritische Stimmen. Die Eisenbahnergewerkschaft EVG zum Beispiel befürchtet Lohndumping bei den Busfirmen und kritisiert, dass Fernbusse keine Maut auf Autobahnen zahlen müssen, die Bahn aber für die Nutzung der Gleistrassen aufkommen muss. Zudem befürchten Kritiker, dass sich Flixbus und Co. am Ende auf lukrative Rennstrecken wie München-Stuttgart oder Nürnberg-Frankfurt konzentrieren werden - und so die Bahn zwingen werden, ihr Angebot im Fernverkehr auszudünnen. In den USA, warnen die Skeptiker, haben einst die Greyhound-Fernbusse den Niedergang des Fernverkehrs auf der Schiene eingeläutet.

Viele Kommunen, die zuletzt von der Bahn abgekoppelt wurden vom bundesweiten Schienenfernverkehr, setzen indes voll auf die Busse. Sie hoffen, so für Reisende künftig wieder besser zu erreichen zu sein. Freiburg zum Beispiel unterstützt massiv die neuen Anbieter. Und mittlerweile, erzählt Flixbus-Gründer Engert, würden auch immer öfter Kommunen bei ihm anrufen, und fragen, ob und, wenn ja, wann eine Flixbus-Linie in ihre Stadt geplant ist. "Viele Städte sehen darin eine Chance", sagt Engert. Einige würden aber auch besorgt anfragen - nur um abschätzen zu können, ob da nicht eine wahre Fernbus-Lawine auf sie zurollt. Vom kommenden Jahr an werden sie es genauer wissen.

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