Neubau:Was Sie über den neuen Münchner Hauptbahnhof wissen müssen

Simulation zum geplanten neuen Hauptbahnhof in München

Eine Simulation zeigt den geplanten neuen Hauptbahnhof in München.

(Foto: Auer und Weber/oh)

Der Baubeginn ist völlig offen, die autofreie Umgebung ist ebenso umstritten wie die Architektur. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Bauvorhaben.

Warum dauert die Planung so lange?

Die ersten Ideen für einen Neubau des Hauptbahnhofs stammen aus der Zeit der Jahrtausendwende. 2005 schließlich veranstaltete die Stadt zusammen mit der Deutschen Bahn (DB) einen Architektenwettbewerb, den das Büro Auer Weber für sich entscheiden konnte. Dann allerdings lag das Projekt lange Zeit auf Eis - vor allem, weil die Bahn beim geplanten zweiten S-Bahn-Tunnel allenfalls in Trippelschritten vorankam.

Hinzu kommt, dass der Konzern zwischenzeitlich auch mal eigene Architekten beauftragt hatte, eine Art Gegenentwurf zu den Plänen von Auer Weber zu entwickeln. Dieser Entwurf wäre für den Konzern wohl deutlich billiger gewesen als der Auer-Weber-Plan. Doch als die Bahn die Pläne im Stadtrat vorstellte, kam es zum Eklat: Die Stadträte schimpften, die DB-Manager mussten kleinlaut abziehen.

Auf Vermittlung des damaligen OB Christian Ude rauften sich die Planer von Auer Weber und die Bahn wieder zusammen. Beendet sind die Arbeiten aber noch lange nicht. DB-Manager André Zeug rechnet nicht vor dem Jahr 2026 mit einer Inbetriebnahme des Komplexes. Skeptiker sagen sogar, das Ganze könnte sich bis 2030 ziehen.

Was passiert, wenn die zweite Stammstrecke nicht kommt

Beide Projekte sind bautechnisch eng miteinander verzahnt: Um den geplanten S-Bahnhof in 40 Meter Tiefe zu erreichen, muss ein Zugangsbauwerk ("Nukleus") in die Erde betoniert werden. Dafür muss ein Teil des bestehenden Bahnhofs abgerissen werden. Erst wenn der Nukleus steht, kann die Bahn darauf das neue Empfangsgebäude errichten. Soweit die Zusammenhänge.

Das Problem ist: Nach wie vor hängt der geplante zweite S-Bahn-Tunnel in der Luft, die Finanzierung ist alles andere als gesichert. Der Freistaat hat zwar zugesagt, dass er zusammen mit dem Bund spätestens im dritten Quartal 2016 eine endgültige Finanzierungsentscheidung treffen wird. Fällt diese dann gegen das Tunnelprojekt aus, will die Bahn den neuen Hauptbahnhof dennoch errichten - nur ohne Nukleus.

Das hatte der zuständige DB-Manager André Zeug im Frühjahr klargemacht. Doch Skeptiker wissen: Bei der zweiten Stammstrecke wurde schon viel versprochen und nicht jede Zusage eingehalten. Deshalb glauben manche, dass nächstes Jahr gar keine Entscheidung fällt - und sich somit die Hängepartie bei der zweiten Röhre wie beim Hauptbahnhof weiter hinziehen wird.

Wie soll der Bahnhof im Inneren ausehen?

Aus Sicht der Architekten bildet der jetzige Bahnhof eine Barriere zwischen den ankommenden Reisenden und der Stadt. Deshalb soll im Erdgeschoss das Gebäude zur Stadt hin geöffnet werden, Architekt Moritz Auer spricht von einem "Stadtfoyer".

Zudem soll es einen gleitenden Übergang auf der Ebene darunter geben, also dort, wo die Reisenden von der U-Bahn kommend in den Hauptbahnhof streben - das Zugangsgeschoss zur U-Bahn unter dem Bahnhofsvorplatz, das die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) erst vor einiger Zeit umgestaltet hat, wurde ebenfalls von den Leuten von Auer Weber entworfen.

In den Stockwerken darüber sollen viele Büros entstehen, die - verkehrsgünstig gelegen - an Unternehmen vermietet werden sollen. Die 140 Meter breite und 220 Meter lange Gleishalle (errichtet im Jahr 1960 nach Plänen von Franz Hart) wird nicht angetastet, sie steht unter Denkmalschutz. Auch die Gleisanlagen sollen nach den bislang bekannt gewordenen Plänen nicht verändert werden.

Was ist in der näheren Umgebung geplant?

Das Leitmotiv der Architekten, den neuen Bahnhof als "Stadtfoyer" zu konzipieren, will die Stadt auf dem Bahnhofsvorplatz aufgreifen. Von dort würden die Planer gerne sämtlichen Auto-, Bus- und Lkw-Verkehr verbannen, nur noch Fußgänger, Radfahrer und die Trambahnen der MVG (für die es ein drittes Gleis geben wird) sollen sich den Platz teilen. Das Ganze soll nach dem Prinzip des "Shared Space" funktionieren: Die Verkehrsteilnehmer sollen also aufeinander Rücksicht nehmen.

Im Stadtrat stieß diese Idee aber bereits auf heftige Kritik: Vor allem die CSU fürchtet ein wirres Durcheinander auf dem Platz, zudem stößt sie sich daran, den Vorplatz komplett autofrei zu gestalten. Auch Anwohner befürchten, dass sich der Kfz-Verkehr dann in die Straßen drumherum verlagern wird. Die Planer der Stadt sehen diese Gefahr nicht. Und sie argumentieren, der Hauptbahnhof sei - über Vorfahrten auf den beiden Vorplätze im Norden und im Süden - auch weiterhin für Autofahrer erreichbar.

Architektur, Baubeginn und Kritik

Ist die Architektur gelungen?

Der Bahnhof ist mehr als ein reines Technikbauwerk, das Verkehrsströme lenkt. Er gilt auch als eine Art Visitenkarte und Schaufenster der Stadt. Der Münchner Hauptbahnhof aus den Fünfzigerjahren entspricht nicht den Anforderungen eines neuen Terminal-Typus, der an einem prominenten Ort auch ein markantes städtebauliches Zeichen setzt - und damit den Reisenden ganz unverwechselbare Perspektiven auf die Stadt bietet.

Zurückkehren zur Bahnhofsarchitektur des 19. Jahrhunderts will niemand, aber dem Architektenbüro Auer Weber schwebt auch keiner dieser typischen Büro- und Verkaufspaläste aus Stahl und Glas vor, obwohl mancher Betrachter der Visualisierungen vielleicht diesen Eindruck haben mag. Eine Shopping-Mall mit Gleisanschluss - das sollte der neue Hauptbahnhof bestimmt nicht sein.

Der Entwurf wartet mit großzügig gestalteten Etagen und Räumen auf, mit Licht und Transparenz. So setzt man die weit ausgreifende Gleishalle in Richtung Bahnhofsplatz und Innenstadt fort. Büros oder auch ein Hotel könnte man in den oberen Etagen unterbringen, um unten Bewegungsfreiheit und ein neues Stadtfoyer für die Reisenden zu schaffen. Das besondere Merkmal des Hauptbahnhofs ist ein kraftvoll vorspringender Dachkörper, in dem verschiedene Nutzungen denkbar sind: eine Konferenzzone oder Gastronomie. Die Visitenkarte des modernen Münchens? Die elegante Glas-Stahl-Konstruktion kann das leisten.

Was sind die nächsten Schritte bis zum Baubeginn?

Obwohl die Deutsche Bahn und die Architekten von Auer Weber schon seit Jahren an dem Projekt sitzen, sind viele Details noch immer offen - oder zumindest haben Bahn und Architekten diese noch nicht öffentlich gemacht. Bevor aber die ersten Bagger anrollen, benötigt die Bahn ohnehin erst noch eine Baugenehmigung. Und die gibt es nicht gerade von heute auf morgen. Denn der Hauptbahnhof-Neubau ist planerisch zweigeteilt: Den Neubau des Empfangsgebäudes entlang des Bahnhofsvorplatzes sowie der beiden geplanten Flügelgebäude, die sich nördlich und südlich der Gleishalle erstrecken, muss sich die Bahn vom Eisenbahnbundesamt besorgen.

Dazu ist ein "Planfeststellungsverfahren" nötig: Die Bahn muss die Pläne einreichen und öffentlich auslegen, Bürger und Anwohner, Behörden und betroffene Unternehmen können Einwände dagegen erheben. Gut möglich ist, dass es auch noch eine öffentliche Anhörung geben wird. Das alles dürfte sich über mehrere Jahre hinziehen.

Anders sieht es beim Starnberger Flügelbahnhof aus. Dieser soll abgerissen und durch ein 75-Meter-Hochhaus ersetzt werden. Dafür genügt eine Baugenehmigung der Stadt, deren Verfahren nicht ganz so langwierig ausfallen dürfte wie das beim Eisenbahnbundesamt. Die DB überlegt daher, den Abriss des Starnberger Flügelbahnhofs und den Neubau des Hochhauses vorzuziehen. Bislang ist aber nichts entschieden: Aktuell prüfen die Planer diese Variante.

Wer sind die Gegner des Neubaus und was wollen sie?

Kaum waren die drei futuristischen Bahnhofs-Entwürfe, die 2003 in die Endauswahl kamen, veröffentlicht, da wurde über das Ergebnis auch schon heftig gestritten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler und der Kunsthistoriker Helmut Bauer bezeichneten die Vorschläge als gesichtslose Architektur. Sie forderten, dass beim Neubau die historische Fassade des einstigen Centralbahnhofs zumindest in Zitaten wieder erstehen sollte.

Friedrich Bürklein, der zum Beispiel auch die Maximilianstraße geprägt hat, schuf Mitte des 19. Jahrhunderts den Münchner Hauptbahnhof mit einem Stilgemisch aus Romantik, Gotik und Renaissance. Heute fordert niemand mehr einen solchen Rückgriff in die Geschichte. Aber die Initiative Altstadtfreunde München wehrt sich dagegen, dass man einfach alles abräumt, wie Florian Grüning sagt.

Die Initiative ist ein lockerer Zusammenschluss von Bürgern, die das traditionelle Stadtbild bewahren wollen. Man brauche jetzt eine neue, intensive Diskussion über die Zukunft des Bahnhofs. Eine ähnliche Mitgliederstruktur und Zielsetzung hat auch die Initiative Münchner Architektur und Kultur, die gegen die Modernisierungspläne ist. Der Entwurf für das Terminal stelle ein einfallsloses Monstrum dar, welches das typische Stadtbild an dieser Stelle zerstören würde.

Leidet der Innenstadt-Handel unter den vielen neuen Läden?

"Das Ding", sagt Bernd Ohlmann vom Einzelhandelsverband Bayern und meint damit den bestehenden Bahnhof, "das Ding muss weg." Als Entree zur Stadt sei das Gebäude nicht mehr tragbar, auch der Handel würde von einem "attraktiven Stadttor" profitieren. Und dennoch sieht Ohlmann die Pläne der Bahn skeptisch, weil dort zusätzliche Einzelhandelsflächen entstehen sollen. Die Läden im Bahnhof könnten den etablierten Händlern in der Innenstadt Konkurrenz machen, befürchtet Ohlmann.

Die Planer der Bahn versichern, dass sie vorwiegend Händler ansiedeln wollen, die Reisebedarf anbieten. "Wir haben nicht vor, den großen Shopping-Mall-Betreibern Konkurrenz zu machen", sagt DB-Manager Rolf Reh. Die Verkaufsfläche werde von derzeit 12 500 auf künftig 15 000 Quadratmeter erhöht - "das ist fast gar nichts", findet Reh. Doch Ohlmann bleibt skeptisch: "Am Ende werden wir die üblichen Verdächtigen sehen", vermutet der Branchenvertreter und verweist auf den Leipziger Hauptbahnhof.

Dort sind Bekleidungshäuser wie Pimkie und Deichmann vertreten. Würden solche Läden im Hauptbahnhof einziehen, dürften sie auch am Sonntag und am späten Abend öffnen, während Karstadt gegenüber seine Türen geschlossen halten müsste. "Wir würden das entspannter sehen, wenn Waffengleichheit herrschen würde", sagt Ohlmann und fordert, die Ladenöffnungszeiten auszuweiten.

Bauarbeiten, Bürgerbeteiligung und Kosten

Warum muss der alte Bahnhof überhaupt weg?

Aus Sicht der Deutschen Bahn ist die Sache ganz einfach: Der verschachtelte Bahnhof mit seinen diversen Bauwerksteilen aus verschiedenen Epochen ist in die Jahre gekommen; allein der Unterhalt kostet den Konzern drei Millionen Euro jährlich - Tendenz steigend. Da ohnehin für den Bau des zweiten S-Bahn-Tunnels ein Teil der Gebäude weichen muss, will die DB die Möglichkeit nutzen und gleich ein neues Empfangsgebäude errichten.

Die Stadt sieht das ähnlich und hofft, eine "städtebauliche Chance" ergreifen zu können, wie Stadtbaurätin Elisabeth Merk sagt. Den Stadträten wie den Architekten schwebt eine neue "Empfangshalle für die Stadt" vor, das Hochhaus an der Arnulfstraße soll einen "Akzent im Stadtbild" setzen.

Kritiker bemängeln, der Bahn gehe es nur darum, das Gebäude aufzuhübschen und die Flächen besser vermarkten zu können. Verbesserungen für die Reisenden spielten so gut wie keine Rolle. So sammelt der Fahrgastverband Pro Bahn per Online-Petition Unterstützerunterschriften für eine zweite Gleisquerung am westlichen Ende der Bahnsteige. Mit dieser würden sich umsteigende Passagiere lange Umwege sparen.

Was geschieht während der Bauarbeiten?

Schon jetzt ist klar: Wird, wie geplant, der zweite S-Bahn-Tunnel realisiert und anschließend das Empfangsgebäude neu errichtet, wird das Areal rund um den Hauptbahnhof für acht bis zehn Jahre zur Großbaustelle. Das markante Vordach zum Bahnhofsvorplatz wird abgerissen, ebenso die bestehende Schalterhalle, die Flügelbauten sowie der Starnberger Flügelbahnhof.

Anstelle der Schalterhalle wird ein 40 mal 60 Meter großes, 40 Meter tiefes Loch klaffen, um das Zugangsbauwerk, den "Nukleus", zu betonieren. Auf dem südlichen Vorplatz soll es ebenfalls eine Baugrube geben: 17 Meter im Durchmesser, bis zu 28 Meter tief - dort ist der Bau eines Rettungsschachts geplant. Gebuddelt wird auch in der Schützenstraße. Zudem sind mehrere Flächen vorgesehen, auf denen die Bauarbeiter ihre Maschinen und das Material zwischenlagern können.

Einige Anwohner befürchten bereits, dass sich ganze Karawanen von Baustellen-Lkw während der Baujahre durch die Viertel um den Hauptbahnhof zwängen werden. Die Planer der Bahn versuchen zu beruhigen: Vor dem Baustart werde der Konzern die Details des Logistikkonzepts mit der Stadt abstimmen.

Was bringt die Bürgerbeteiligung?

Mit einem "Info-Würfel" im Bahnhof, einer Ausstellung im Plantreff an der Blumenstraße und einer abendlichen Diskussionsrunde informieren die Bahn und die Stadt über die Pläne. Doch vor allem der Diskussionsabend vor gut einer Woche kam bei vielen Kritikern des Projekts nicht gut an: Die Bürger durften Fragen nur schriftlich einreichen, am Mikro gaben nur die Befürworter den Ton an. Ein solcher Prozess sei dazu angelegt, sich "allenfalls zu äußern, aber nicht wirklich mitzureden", findet Florian Grüning von den Altstadtfreunden.

Der geplante Neubau scheine doch bei der Stadt wie auch bei der Bahn längst beschlossene Sache zu sein. "Wollen die Bürgerinnen und Bürger beim wohl bedeutendsten Bauprojekt der Stadt tatsächlich nur über Details wie Sitzgelegenheiten und Pflasterung reden?", fragt Grüning. Stadtbaurätin Elisabeth Merk räumt zwar ein, dass man mit den Planungen "beileibe nicht mehr am Anfang" stehe. Es sei aber "früh genug, um Anregungen aufzunehmen".

Was kostet der Bahnhof? Und wer bezahlt ihn?

Eine genaue Kostenschätzung können weder die Bahn noch die Architekten von Auer Weber vorlegen. Im Frühjahr hatte DB-Manager André Zeug zunächst von einem "hohen dreistelligen Millionenbetrag" gesprochen und dann nachgeschoben, dass das Ganze auch "bis zu einer Milliarde Euro" kosten könne. Konkrete Zahlen ließen sich aber erst im Laufe der weiteren Planung ermitteln. Eines aber machen die Manager immer wieder klar: Bezahlen will der Konzern den Neubau selbst. (Anders als den geplanten zweiten Tunnel: Die mehr als drei Milliarden Euro für die Röhre sollen Freistaat und Bund aufbringen.)

Im Gegenzug wird der Bahnhof so geplant, dass die Bahn möglichst hohe Einnahmen aus Vermietung von Handels-, Büro- und Hotelflächen erzielt. Kritiker bemängeln, so werde der Bahnhof in ein riesiges Einkaufszentrum verwandelt. Die DB-Manager indes verteidigen ihren Ansatz: Die Erträge aus der Vermietung würden auch in die Modernisierung kleinerer Bahnhöfe auf dem Land fließen.

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