Neubau der A99-Süd:Elf Trassen-Varianten zur Debatte

Neuer Anlauf beim Autobahn-Südring: Der Innenminister will einen Stadttunnel, das Planungsreferat zweifelt und Naturschützer sehen das Aus.

D. Hutter

Dort, hinter den Bäumen, nicht allzu weit entfernt, könnte der Verkehrsstrom die Oberfläche erreichen, die Tunnelrampe hinauffahren. Und dann bitte rasch die richtige Spur wählen, denn kurz vor Taufkirchen befindet sich ein großes Autobahndreieck.

Neubau der A99-Süd: Naturfreunde sorgen sich, dass der seit langer Zeit umstrittene Autobahn-Südring solche landschaftliche Idyllen zerstören könnte: Fast alle derzeit untersuchten Strecken führen oberirdisch durch den Perlacher- oder Forstenrieder Park.

Naturfreunde sorgen sich, dass der seit langer Zeit umstrittene Autobahn-Südring solche landschaftliche Idyllen zerstören könnte: Fast alle derzeit untersuchten Strecken führen oberirdisch durch den Perlacher- oder Forstenrieder Park.

(Foto: Foto: Haas)

Vielleicht werden sich einige Spaziergänger nahe der Kugler-Alm wundern, was da auf einmal so rauscht, mitten im Perlacher Forst. Falls sie das Scheppern durchfahrender Lkw nicht schon von anderer Stelle im Münchner Süden gewohnt sind, vom Grillen am Georgenstein etwa, vom Mittagessen im Forsthaus Wörnbrunn oder dem Besuch im Wildschweingehege des Walderlebniszentrums. Aber das hängt von der künftigen Streckenführung ab.

Elf Varianten sind bei den Planungen für die A99-Süd noch im Rennen - jener Verkehrsschneise, die Freunden der Geometrie absolut unentbehrlich erscheint, da sie den Münchner Autobahnring erst zu dem macht, was der Name fälschlicherweise schon heute andeutet: zu einem Fernstraßenrund, auf dem man um die Stadt brausen kann. Seit 2007 untersuchen Verkehrsplaner den südlichen Lückenschluss, der in den 1970er Jahren schon einmal im Gespräch war, aber wieder in der Versenkung verschwand.

Es waren vor allem Mandatsträger der östlichen Umlandgemeinden, die das Projekt wieder angeschoben haben - in der Hoffnung, durch eine Alternativstrecke im Süden den gestressten Anwohnern des heillos überfüllten A99-Ost-Abschnitts ruhigere Zeiten zu bescheren. Dies wird, das zeigen die Verkehrsuntersuchungen bereits deutlich, nur in sehr geringem Maße gelingen: Um nicht einmal zehn Prozent könnte die Zahl der Autos auf dem Ost- und Nordring zurückgehen. Das dürfte kaum auffallen angesichts der für 2025 prognostizierten 160.000 Autos pro Tag.

Selbst der Verkehrswissenschaftler Harald Kurzak ist enttäuscht ob dieser geringen Zahl, die übrigens nicht die einzige Überraschung der laufenden Untersuchung darstellt. Denn anders als von Befürwortern kolportiert, spielt eine A99-Süd im überregionalen Verkehr nur eine untergeordnete Rolle. 90 Prozent aller Autofahrer, so die Prognose, haben Start, Ziel oder sogar beides im Großraum München - es geht also weniger um eine Magistrale europäischen Maßstabs, als schlicht um eine Rennbahn für Pendler, Ausflügler, Handwerker oder den regionalen Lieferverkehr. Der mächtige Verkehrsstrom gen Österreich und Italien wird weiterhin im Osten an München vorbeirollen.

Dieses eigentlich ernüchternde Zwischenergebnis hat durchaus euphorische Reaktionen ausgelöst - wenn auch mit unterschiedlichem Tenor. Zwar soll das Endergebnis der Studie erst im Herbst vorliegen. Münchens CSU-Chef Otmar Bernhard hat sich trotzdem schon entschieden und fordert den raschen Bau der A99-Süd. "Damit wäre ein Verkehrs-Nadelöhr im Herzen Europas beseitigt", schwärmt der einstige Umweltminister, der den Münchner Westen im Landtag vertritt. Also das Gebiet, für das nach Realisierung des Südrings eine deutliche Verkehrszunahme vorausgesagt wird: Die A99-West müsste täglich bis zu 20.000 zusätzliche Autos verkraften.

"Ergebnisoffene" Studie

Hochzufrieden über das Zwischenresultat zeigt sich auch der Bund Naturschutz, der gemeinsam mit diversen Anwohnerinitiativen und örtlichen Bürgermeistern das Asphaltgespenst seit langem bekämpft. Die jüngsten Ergebnisse, davon ist Münchens Bund-Vorsitzender Christian Hierneis überzeugt, belegen klar die Unnötigkeit der A99-Süd. Das endgültige Aus, so frohlockt er, werde daher wohl noch in diesem Jahr verkündet.

Abwarten. Denn natürlich ist die Phalanx der Befürworter vor allem in der Politik nicht zu unterschätzen. Die abschließende Entscheidung wird auf zwei Ebenen getroffen: Der Freistaat muss die Autobahn für die anstehende Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans anmelden. Ob die Trasse dort Aufnahme findet, mit welcher Priorität und wann sie gebaut wird, hängt dann vom Bund ab.

Beste Chancen für die stadtnahen Varianten

Heftige Debatten, auch über den zu zahlenden Preis für mehr Umwelt- und Lärmschutz, sind zu erwarten. Denn Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat bereits zu verstehen gegeben, dass er sich eine Streckenführung überwiegend im Tunnel wünscht, und dass eine oberirdische Querung des Isartals keinesfalls in Frage kommt.

Derzeit aber verfügen die meisten im Rennen verbliebenen Varianten über lange oberirdische Abschnitte - vor allem im Forstenrieder Park und Perlacher Forst. Selbst eine komplett ebenerdige Trasse, die sich zwischen Krailling und Gauting sowie bei Pullach/Grünwald und Baierbrunn durch die Bebauung schlängelt, ist noch mit dabei - plus Isarbrücke bei Grünwald.

"Die Studie ist bewusst ergebnisoffen angelegt", betont Wolfgang Wüst von der Autobahndirektion Südbayern. Zwar werde man, voraussichtlich gegen Ende des Jahres, eine fachliche Empfehlung abgeben. Die Entscheidung sei aber der Politik vorbehalten und dürfe daher nicht vorweggenommen werden. Wüst glaubt jedoch, dass der noch ausstehende Kosten-Nutzen-Vergleich zu einem positiven Ergebnis kommt.

Aus Münchner Perspektive könnten am ehesten die Anwohner des südlichen Mittleren Rings profitieren: Je nach Variante sollen pro Tag zwischen 6000 und 17.000 Autos weniger durch die Chiemgaustraße rauschen. Im Planungsreferat löst diese Prognose trotzdem keine Begeisterung aus. Man hatte sich deutlich mehr erhofft, räumen die städtischen Experten ein. Natürlich wolle man kein vorschnelles Urteil vor Fertigstellung der Studie abgeben. Es zeichnet sich aber ab, dass die Behörde eine zurückhaltende, wenn nicht gar ablehnende Haltung zur A99-Süd einnehmen wird.

Die nun anstehende Variantendebatte ähnelt ein wenig der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau: Die optimale Lösung gibt es nicht, jede Alternative hat klare Vor- und Nachteile. "Das ist generell so bei Straßenbaumaßnahmen", beschwichtigt Wüst. "Es gibt immer ein Für und Wider". So bietet ein Stadttunnel - die einzige komplett unterirdische Lösung, die unter Hadern, Thalkirchen und Harlaching verläuft - , die bestmögliche Entlastung des Mittleren Rings. Und das bei nur geringer Belastung der Anlieger.

Allerdings sind auch die Nachteile nicht von Pappe: Es gäbe keine Verbindung zur Garmischer Autobahn A95, die prognostizierte Verkehrsbelastung (und damit -entlastung an anderer Stelle) fiele daher mit 38.000 bis 45.000 Fahrzeugen gering aus. Und: Das Umland hätte rein gar nichts davon. Ob sich vor diesem Hintergrund ein kilometerlanges und entsprechend teures Tunnelbauwerk lohnt, ist fraglich.

Ein ähnliches Problem haben die sogenannten stadtfernen Trassen, die erst südlich von Baierbrunn die Isar queren würden. Sie wären mit 19.000 bis 24.000 Autos täglich derart gering belastet, dass auch eine Landstraße ausreichen würde. Auf den Mittleren Ring hätte eine solche A99 wegen der großen Entfernung kaum Auswirkungen. Dafür könnte das Straßennetz des Umlands profitieren - doch nur, wenn genügend Ausfahrten gebaut werden. Die wiederum setzen eine weitgehend oberirdische Streckenführung voraus, was wohl die Anwohner wenig entzücken würde.

Vier oder sechs Spuren?

Höchstwahrscheinlich dürften die stadtnahen und mittleren Varianten die besten Chancen haben: Sie verlaufen auf Höhe Planegg/Pullach/Grünwald/Taufkirchen sowie bei Gauting/Baierbrunn/Straßlach, und alle haben per Autobahnkreuz im Forstenrieder Park Anschluss an die Strecke nach Garmisch. Auch bei diesen Trassen könnte die Verkehrsbelastung allerdings nicht mit den anderen Trassen im Großraum München mithalten. Bis zu 70.000 Autos täglich sollen einst auf dem stärksten Abschnitt der A99-Süd unterwegs sein. Das klingt nach nicht wenig, zumal das bundesdeutsche Autobahnnetz im Schnitt nur halb so stark belastet ist.

Für Münchner Verhältnisse ist das jedoch ein mäßiges Ergebnis. Denn auf der A99-Ost sollen laut Prognose für 2025 bis zu 161.000 Fahrzeuge, auf der A99-Nord 163.000 und auf der Nürnberger Strecke A9 sogar 190.000 unterwegs sein. Selbst die Routen gen Passau, Deggendorf und Garmisch wären stärker belastet als der südliche Münchner Autobahnring.

Bei der Autobahndirektion geht man deshalb davon aus, dass eine vierspurige A99-Süd ausreicht. Ob dies wirklich vorausschauend ist? Nach der reinen Lehre empfiehlt sich jenseits der 65000er-Marke ein Ausbau auf sechs Fahrbahnen. "Das ist eher eine Frage der Philosophie", meint Wüst. Mit den extremen Verkehrszuwächsen der Vergangenheit sei nicht mehr zu rechnen.

Ähnlich hatten die Behörden auch bei der A99-West argumentiert, die vergleichbare Prognosen wie der Südabschnitt hatte und 2006 mit lediglich vier Spuren eröffnet wurde. Nun wird eine Belastung von 86.000 Autos fürs Jahr 2025 prognostiziert - und der Ausbau auf sechs Spuren empfohlen.

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