Neonazis vor Gericht:1,2 Kilo TNT für Anschlag auf die Synagoge

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Vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht beginnt am Mittwoch der Prozess gegen Martin Wiese, den Anführer der neonazistischen "Kameradschaft Süd" und drei seiner Kumpane.

Von Stephan Handel

Sie sind angeklagt der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Zum 9. November 2003 sollen sie einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegungs-Feier des Jüdischen Gemeindezentrums am St.-Jakobs-Platz geplant haben.

Bernd von Heintschel-Heinegg, der Vorsitzende des 6. Strafsenats, der den Fall verhandelt, hat strenge Sicherheitsbestimmungen erlassen. So sind im Zuhörerraum des Schwurgerichtssaals im Justizgebäude Nymphenburger Straße allein acht Plätze für Sicherheitsbeamte reserviert. Der Zugangsbereich vor dem Saal ist abgesperrt, jeder Besucher wird genau kontrolliert und muss einen Ausweis vorlegen, der fotokopiert wird; die Kopie wird für die Dauer des Verhandlungstages aufbewahrt. Taschen, Handys, Kameras dürfen nicht mit in den Saal, ebenso keine ¸¸zum Schlagen geeigneten Gegenstände", wozu der Senat ¸¸Schirme, Stöcke, Flaschen Dosen, Eier und Früchte" zählt.

Tod von Menschen einkalkuliert

Für den Prozess sind zunächst 21 Verhandlungstage angesetzt, jeweils mittwochs und donnerstags wird bis in den März hinein verhandelt. Die Ankläger der Generalbundesanwaltschaft werfen den Angeklagten vor, ¸¸spätestens seit Frühjahr 2003 die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu Gunsten eines nationalsozialistisch geprägten Herrschaftssystems" zum Ziel gehabt zu haben. Gerade bei Martin Wiese seien Überlegungen weit vorangeschritten gewesen, zur Durchsetzung dieses Ziels auch Menschen zu töten.

Trotz der Gefährlichkeit ihrer Pläne stellten sich die Angeklagten nicht gerade geschickt an: Als es daran gehen sollte, Sprengstoff für die geplanten Anschläge zu besorgen, fuhren zwei der Angeklagten mit weiteren Mitgliedern der Kameradschaft Süd nach Polen und suchten dort in einem Waldgebiet nach Minen. Aus denen lösten sie den vermeintlichen Sprengstoff heraus, zwei Eimer voll. Jedoch: Es handelte sich um Übungsminen, die Masse war praktisch nichts anderes als Gips.

Selbstmordattentäterin aus der "Kameradschaft Süd"

Wenig später wurden sie doch noch fündig: In Mecklenburg-Vorpommern waren sie an eine Panzerfaustgranate gekommen, Wiese und Alexander M., sein Stellvertreter, sägten den Sprengkopf auf und holten an die 1,2 Kilogramm TNT heraus. Allerdings wurden Alexander M. und der jetzt ebenfalls angeklagte David S. im Sommer 2003 verhaftet, weil sie einen aussteigewilligen Kameraden schwer verprügelt hatten. Weil die Polizei daraufhin M.s Wohnung in der Landsberger Straße - sozusagen das ¸¸Hauptquartier" der Kameradschaft Süd - durchsucht hatte, wurde ihnen der Anschlagsplan auf den St.-Jakobs-Platz zu gefährlich. Stattdessen sprachen sie nun darüber, den Sprengstoff auf dem Marienplatz einzusetzen. Ein weibliches Mitglied der ¸¸Kameradschaft" soll sich dafür als Selbstmordattentäterin angeboten haben.

Mehrfach vorbestraft

Martin Wiese, 28, Alexander M., 28, und David S., 21, stammen aus der ehemaligen DDR. Karl-Heinz S., 24, der vierte Angeklagte, ist in München geboren. Wiese ist nicht vorbestraft, jedoch ist ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und ähnlicher Vergehen nur vorläufig eingestellt. Alexander M. wurde wegen der Körperverletzung an dem Aussteiger zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Karl-Heinz S. und David S. sind mehrfach vorbestraft, zumeist wegen Nazi-Hetze, aber auch wegen Körperverletzung.

Gegen fünf weitere Mitglieder der ¸¸Kameradschaft Süd" wird derzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhandelt.

© SZ vom 22.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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