Neonazi-Prozess:Martin Wiese bedroht Anwalt

Der Neonaziführer Martin Wiese hat den Anwalt eines Mitangeklagten massiv bedroht, nachdem dessen Mandant einen geplanten Bombenanschlag auf das Jüdische Zentrum eingeräumt hatte. Trotz einer Bombendrohung wurde die Verhandlung fortgesetzt.

Der wegen Terrorverdachts angeklagte Münchner Neonazi Martin Wiese hat den Anwalt eines geständigen Mitangeklagten bedroht. "Sie werden sich noch in den Arsch beißen, dass Sie das gemacht haben", sagte der 29-Jährige vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht zu dem Juristen. Dessen Mandant David Schulz hatte eingeräumt, dass die Neonazis einen Bombenanschlag auf das Münchner Jüdische Zentrum geplant hatten.

Den zweiten geständigen Angeklagten soll Wiese ebenfalls bedroht haben. Der Prozess sei für Schulz ohnehin gelaufen, sagte Wiese zu dessen Verteidiger. Schulz und Alexander Maetzing "haben was gestanden, was nicht richtig ist", versicherte der als Kopf der Neonazi-Gruppe geltende Wiese erneut. Er fühle sich "verarscht, verraten und belogen".

Wiese hatte wütend auf die überraschenden Geständnisse reagiert und seine ehemaligen Stellvertreter als Lügner und Verräter beschimpft. Als die Angeklagten während einer Prozesspause aus dem Gerichtssaal geführt wurden, sagte Wiese nach Angaben aus Justizkreisen zu Maetzing: "Dich mache ich fertig." Außerdem soll er den Mitangeklagten als "Drecksau" bezeichnet haben. Nach der Pause wurde Wiese von zwei Polizisten flankiert.

Der Vorsitzende Richter Bernd von Heintschel-Heinegg rügte den Angeklagten scharf für die Bedrohung. Wieses Entschuldigung sei nach dem Vorfall des Vortags wenig glaubwürdig.

"Innere Beziehung" zum Nazi-Reich

Wiese sagte in seiner Befragung, er wolle "weder ein Drittes noch ein Viertes Reich. "Gewisse Grundlagen" seiner Gruppe "Kameradschaft Süd" stammten "natürlich" aus dem Dritten Reich, gab Wiese zu. "Es ist selbstverständlich, dass man sich an bestimmte Vorstellungen anlehnt." Es gehe etwa um den "Stolz aufs Vaterland" an, den es heute nicht mehr gebe.

Der Vorsitzende Richter zitierte einen Brief Wieses aus der Gefängniszelle, in dem sich Wiese eindeutig zum Nationalsozialismus bekennt. "Heil Dir!" grüßte er darin einen Gleichgesinnten

"Natürlich hat sich nichts an meiner Einstellung zu Führer, Volk und Vaterland geändert. Ich werde erst Ruhe finden, wenn der Endsieg errungen ist." Unterschrieben war der Brief mit "Heil Hitler" unter einem Hakenkreuz. Wiese distanzierte sich von dem Schreiben nicht. Er habe eine innere "Beziehung" zu den Führern des Nazi-Reichs.

Bombendrohung am Rande des Geschehens

Unterdessen blieb eine Bombendrohung am Rande des Prozesses, der unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, im Gerichtssaal unbemerkt. Ein zunächst Unbekannter hatte gegen Mittag von einem Notrufmelder aus im Gerichtsgebäude angerufen und im Zusammenhang mit seinem "Spezl" Wiese angekündigt, die Justiz habe "zwei Stunden Zeit, das Gebäude zu räumen".

Die Polizei durchsuchte Säle und Gänge mit Sprengstoffhunden, jedoch ohne Ergebnis. Der Anrufer wirkte nach Angaben der Polizei "verwirrt", ein Verdächtiger wurde in der Nähe des Notrufmelders festgenommen. Das Bayerische Oberste Landesgericht setzte trotz der Drohung die Verhandlung fort.

Martin Wiese und drei weitere Angeklagte sollen einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung für das Jüdische Zentrum am 9. November 2003 geplant und dazu Sprengstoff und Waffen besorgt haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Dafür drohen bis zu zehn Jahre Haft.

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