Neonazi-Prozess:Es wird eng für Wiese

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Der Hauptangeklagte im Prozess um den geplanten Bombenanschlag auf das Jüdische Kulturzentrum, Martin Wiese, wurde von einer ehemaligen Gesinnungsgenossin erneut belastet. Er habe mehrfach gesagt "Man sollte eine Bombe reinschmeißen" oder "Man sollte das in die Luft sprengen". Wiese drohen bis zu 15 Jahren Haft.

Antje Pöhner

Neonazi Martin Wiese wirkt auf der Anklagebank selbstsicher und überheblich wie immer. Es ist der erste Verhandlungstag nach den Urteilen im bisher parallel gelaufenen Prozess gegen fünf seiner ehemaligen Gesinnungsgenossen.

Vier von ihnen wurden vom Bayerischen Obersten Landesgericht wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Bewährungsstrafen von 16 bis 22 Monaten verurteilt. Wiese, Anführer dieser Vereinigung, reagiert auf die Urteile vom Vortag anscheinend gelassen.

Dabei hätte er allen Grund, sich zu sorgen: Das Gericht hatte die Mitläufer wegen Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" verurteilt. Als Rädelsführer dieser Gruppe muss Wiese nun mit einer entsprechend hohen Strafe rechnen.

Ein Terrorist braucht ein Auto

Wieses Anwalt Günther Herzogenrath-Amelung hält die Verurteilung der ehemaligen Kumpane seines Mandanten für "nicht überzeugend begründet", wie er am Rande des Prozesses sagt. Schließlich seien bei der Gruppe um Wiese weder das Know-How für terroristische Aktionen noch nennenswerte Ressourcen vorhanden gewesen. Die Männer und Frauen hätten von Sprengstoff "überhaupt keine Ahnung" gehabt und hätten nicht einmal ein Auto besessen.

Die Bundesanwaltschaft wirft Wiese und drei weiteren Mitgliedern der rechtsextremistischen "Kameradschaft Süd" in dem am Mittwoch fortgesetzten Prozess vor, für den Tag der Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums in München am 9. November 2003 ein Bombenattentat geplant zu haben.

Nachdem die Anschlagspläne der Gruppe wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verworfen wurden, sollen die Beschuldigten laut Anklage über einen Anschlag auf dem Münchner Marienplatz nachgedacht haben. Die Pläne waren durch den Einsatz eines V-Mannes und durch einen so genannten Lauschangriff aufgeflogen.

In Rage von Boben gesprochen

Wiese wurde dabei am Mittwoch von einer ehemaligen Gesinnungsgenossin erneut belastet. Er habe hinsichtlich der Grundsteinlegung mehrfach gesagt "Man sollte eine Bombe reinschmeißen" oder "Man sollte das in die Luft sprengen".

Diese Aussage von Ramona S. aus dem nicht öffentlichen Parallelprozess wurde von Bundesanwalt Ullrich Schultheis vor dem Obersten Landesgericht verlesen. Die 20-Jährige wurde zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Laut Protokoll sagte sie, Wiese habe von den Plänen immer dann gesprochen, wenn er sehr aggressiv oder "in Rage" gewesen sei.

Auch der zu einer 16-monatigen Bewährungsstrafe verurteilte 19-jährige Thomas S. bestätigte laut Schultheis, dass Wiese geäußert habe, "eine Bombe reinwerfen" zu wollen. Auch sei davon die Rede gewesen, bei der Grundsteinlegung einen Schweinekopf abzulegen. Dies sei allerdings alles "nur spaßeshalber" gesagt worden.

Mehrjährige Haftstrafe für Wiese

Wiese wurde während des Prozesses bereits von den beiden Mitangeklagten David Schulz und Alexander Maetzing schwer belastet. In von ihren Anwälten verlesenen Erklärungen hatten sie eingeräumt, dass die "Kameradschaft Süd" über Sprengstoff verfügte und innerhalb der Gruppe über eventuelle Anschläge diskutiert wurde. Wiese bezeichnete die belastenden Aussagen als Unwahrheiten.

So glimpflich wie seine ehemaligen Gesinnungsgenossen aus der "zweiten Riege" wird Wiese wohl nicht davon kommen. Der Neonazi muss mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen. Sein Anwalt Herzogenrath-Amelung gibt sich dabei zuversichtlich: Für seinen Mandanten sei nur ein Urteil "deutlich unter zehn Jahren" akzeptabel. Der Prozess wird am Dienstag nächster Woche fortgesetzt.

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