Neonazi-Aussteiger:Die Angst vor den Kameraden

Wer sich aus dem rechten Milieu zurück ziehen will, braucht Mut: "Verräterschweine" werden von ehemaligen Kameraden brutal drangsaliert. Hilfe bieten Aussteigerprogramme.

Von Monika Maier-Albang

(SZ vom 12.9.2003) — Was es so schwierig macht, Mitglieder der rechtsradikalen Szene zum Ausstieg zu bewegen, ist die Angst, die den jungen Menschen im Nacken sitzt. Die Angst davor, von den alten Freunden verprügelt, gestiefelt, verletzt zu werden.

"Verständliche Angst"

"Eine verständliche Angst", sagt Wolfgang Wenger, Sprecher des Münchner Polizeipräsidiums. Bei allen Ermittlungen im rechten Spektrum zeige sich, dass "Aussteiger kaum etwas über die Szene berichten".

So auch im Fall der jetzt verhafteten Münchner Neonazis. Auch hier habe nicht etwa der junge Mann, der im Juli in Unterschleißheim von seinen alten "Kameraden" zusammengeschlagen wurde, weil er die Gruppe verlassen wollte, Informationen an die Polizei geliefert. Vielmehr sei das Sprengstoffversteck "im Zuge der Ermittlungen" der Polizei bekannt geworden.

Angesichts der Angst vor den Kameraden ist es umso erstaunlicher, dass das Aussteiger-Programm, das Bundesregierung und Länder seit Frühjahr 2001 anbieten, überhaupt Erfolge verzeichnet.

In Bayern nahmen die Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz seit Beginn des Programms gezielt Kontakt mit 80 Personen auf, bei denen ein Wille zum Ausstieg vermutet oder erwartet worden war. 33 dieser Männer und Frauen haben sich nach Angaben des bayerischen Innenministeriums tatsächlich von der Szene gelöst.

Zudem wurde ein Hinweistelefon (0180/2000786) geschaltet, bei dem sich Ausstiegswillige melden können. Die Hotline nutzten inzwischen etwa 150 Personen.

Keine Rundumversorgung

Die Ausstiegswilligen, die sich am Telefon melden, werden innerhalb von 24 Stunden von eigens geschulten Beratern zurückgerufen, die ihnen eine "Betreuung" anbieten. Allerdings könne und wolle man keine "Rundumversorgung" leisten, sondern "Hilfe zur Selbsthilfe", sagt Michael Feiler vom Landesamt für Verfassungsschutz.

Droht konkret Gefahr, kümmert sich die Polizei um den Schutz des Betreffenden. Meist sei das jedoch nicht nötig. Dann sieht die Hilfe so aus, dass die Berater die Aussteiger bei Behördengängen begleiten. Feiler: "Privilegien oder Geld hat aber niemand zu erwarten."

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