"The Vibrator Play" am Residenztheater:Ein Stück mit vielen Höhepunkten

Hanna Scheibe gibt in "Nebenan oder The Vibrator Play" am Residenztheater die Gattin eines Arztes mit heilenden Händen. Natürlich ist der Text von Sarah Ruhl keine wüste Pornophantasie. Von Vibratoren handelt er aber dennoch.

Egbert Tholl

Was probst du gerade? Die Frage ist ein bisschen schwierig zu beantworten, denn die korrekte Information lautet: "Vibrator". Vollständig heißt das Stück zwar "Nebenan oder The Vibrator Play", aber das macht die Sache nur ein wenig besser. Findet Hanna Scheibe, seit sie zu proben begonnen hat. Ihre Oma indes mochte den Titel. Ihre Antwort: "Ah, verstehe." Wichtig war ihr nur, ob Hanna ein schönes Kleid darin trägt.

Nebenan - The Vibrator Play Residenztheater München Cuvilliéstheater  Foto: 13/19, 300 dpi, jpg, Originalgrösse 1,59 MB Copyright: Matthias Horn Foto bei Angabe des Copyrights im Rahmen der Berichterstattung kostenfrei.   v.l. Carolin Conrad, Han

Spaß in der Arztpraxis: Carolin Conrad (oben) und Hanna Scheibe in "Nebenan oder The Vibrator Play" am Residenztheater beim Warentest.

Es ist eine der lustigen Seiten dieses Berufs, sich an einem Nachmittag mit einer Schauspielerin vom Residenztheater in einem Café zu treffen und mit ihr über Vibratoren zu reden. Der "Vibrator" hat dort am Sonntag (26. Februar) Premiere, im Cuvilliestheater in der Regie von Barbara Weber. Und natürlich ist der Text von Sarah Ruhl keine wüste Pornophantasie. Von Vibratoren handelt er aber dennoch.

Sie kommen auch in der Aufführung vor, selbstgebastelte Exemplare mit Netzstecker, darunter eines, das man nur zu zweit bedienen kann, wie immer man sich das vorzustellen hat. "Die sehen auch ganz lustig aus", meint Hanna Scheibe. Ihr Mann sei ja schließlich Erfinder. Ihr Bühnenmann wohlgemerkt. "Privat habe ich damit nichts am Hut."

Sarah Ruhls Stück spielt 1880, als die Erfindung der Elektrizität segensreiche Errungenschaften für das Wohlbefinden der Menschen mit sich brachte. Ein populäres Krankheitsbild damals war die Hysterie. Die Hysterie von Frauen. Für Hysterie hielt man damals alle möglichen Arten von Unwohlsein. Niemand sprach in dieser Zeit über Sex, alle dachten aber daran, die Frauen gingen reihenweise zum Arzt, zu einem Gynäkologen oder Psychiater wie dem Doktor Givings im Stück, und kehrten gelöst zu ihren verklemmten Gatten zurück.

Es ging ihnen ganz gut dabei." Hanna Scheibe hat sich intensiv mit dem Thema, einer historischen Tatsache, beschäftigt. Sie hat dafür auch die nötige Gelassenheit und einen unerschütterlichen, trockenen Humor. "Erst wurden die Frauen manuell behandelt, was auf die Dauer sehr anstrengend war, weshalb man es dann elektrisch gemacht hat."

Noch in den zwanziger Jahren sei Werbung für Vibratoren ganz normal gewesen; "manche konnte man umfunktionieren zu Mixern." Die Werbung verschwand mit den ersten Filmen, in denen Vibratoren auftauchten und es somit den meisten Menschen dämmerte, dass das nicht nur Haushaltsgeräte waren. "Man war damals ebenso verklemmt wie freizügig."

In ihrer ersten Rolle in ihrem ersten Engagement, das war 2000 in Stuttgart, musste Hanna Scheibe einen Orgasmus spielen. Inzwischen falle es ihr schon leichter: "Letzten Endes muss es gut ausschauen." Außerdem bleibe gar nicht so viel Zeit, groß darüber nachzudenken. Nun spielt sie also, nach Stationen am Schauspielhaus Bochum und am Schauspiel Hannover, in München nach dem Vulkan-Tamtam und "Candide" in einem Stück, in welchem es darum geht, dass Frauen zum Arzt gehen, um sich befriedigen zu lassen. Ruhls Text ist sehr lustig, so historisch wie letztlich metaphorisch, es geht natürlich um die Gesellschaft und nicht allein um den Orgasmus. Sofern sich das trennen lässt.

Im "Vibrator" spielt Scheibe die neugierige Gattin des Herrn Doktor. Dass dieser seine Praxis im Haus hat, das er mit ihr bewohnt, und das Interesse der Frau Doktor an den interessanten Gemütsveränderungen der Patientinnen führt, wie man sich denken kann, zu einigen Komplikationen, die aber in einem fast utopisch anmutenden Schluss der neuentdeckten Liebe zwischen den beiden endet. Der Gatte übrigens sieht seine Handhabungen rein wissenschaftlich. Fast hat man den Eindruck, er kapiere selbst nicht, was er mit ihnen im Körper seiner Patientinnen wirklich auslöst.

"Ich bin total verklemmt"

Das Krankheitsbild der Hysterie verschwand übrigens in den fünfziger Jahren. Bis dahin hatte es, so Scheibe, auch eine positive Seite - ein kleiner Raum der Selbstbestimmung in einer patriarchalischen Gesellschaft: "Wenn man die ganze Zeit Drama macht, kann man auch nicht verheiratet werden." Die Hysterische schaue sich zu wie einem zweitem Ich. Und entwickele so einen offensiven Umgang mit der männlichen Ignoranz gegenüber der weiblichen Sexualität. "Im Dunkeln tut's kurz weh, und dann ist es schon wieder vorbei. Wenn kein Mann dabei ist, gibt es keinen Sex. Wenn der Mann dabei ist, ist der Sex der Sex des Mannes." So dann eben das Ende, "ein kleines, verschwurbeltes Happyend".

Scheibe selbst war ein Hippiekind, fand es aber total blöd, dass alle nackt durch die Gegend liefen. "Ich bin total verklemmt; ob meine Eltern sich das so vorgestellt haben?" Wobei das mit dem verklemmt sein vielleicht ein bisschen relativ ist. Dazu wirkt sie viel zu lustig.

Und tatsächlich würde sie auch gerne einmal eine richtige Komödie spielen, Tür auf, Tür zu. Die beiden Stücke, in denen sie bislang am Residenztheater spielt, hält sie jedenfalls nicht für ausgewachsene Komödien. Und man hat den Anschein, den "Vibrator" auch nicht. Was die Frage aufwirft, was wohl passiert, wenn Frau Scheibe mal richtig lustig ist.

Bevor sie beschloss, am Salzburger Mozarteum Schauspiel zu studieren, arbeitete Scheibe an einem "ganz kleinen Theater" in Stuttgart in der Technik und als Regieassistentin, was ihr bald zu fad wurde, weshalb sie sich aufmachte, die Seite zu wechseln. Nun freut sie sich. Am Resi gefällt es ihr gut, sie hofft, "eine Zeit lang hier zu bleiben".

Gerade der Beginn nahm sie sehr fürs Haus ein. Denn der war für sie eine Art Ferienlager: Vor Kusejs Start wurde der Film gedreht, der in den Tamtam-Vulkan-Aufführung zu sehen ist. "Besser kann man in einem neuen Ensembles gar nicht anfangen." Die Schauspieler lernten sich unter entspannten Bedingungen kennen. Was wichtig für Scheibe ist: "Man ist nie alleine gut. Die Konstellationen sind wichtig."

In "Vibrator" darf sie übrigens ein Kleid tragen, das nach dem Geschmack der Oma sein dürfte. Die Historie spielt eine Rolle, Verhaltenscodices und deren an sich schon theatraler Gehalt. Wie die Frage nach drei Orgasmen: "O, Sie sehen so erfrischt aus, wollen Sie uns nicht noch etwas auf dem Klavier vorspielen?"

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