Naturschützer gegen Mountainbiker:Streit um die Isarauen

Die Mountainbiker sind ihre natürlichen Gegner: Wegen angeblich rücksichtsloser Umweltzerstörung wollen Naturschützer die Sportler aus dem Isartal aussperren und Radwege sperren. Doch die Beschuldigten wehren sich.

Marco Völklein

Der Mann kennt sich aus mit den Tieren im Isartal. "Kreuzotter, Springfrosch, Uhu, Eisvogel, Rotkehlchen" - Manfred Siering von der Ornithologischen Gesellschaft Bayern kann seine Aufzählung gar nicht mehr stoppen. Er rattert die Namen nur so herunter von wichtigen und seltenen Tierarten, teils auch vom Aussterben bedroht. Sie alle leben im Isartal. Und sie alle sieht Siering bedroht. Vor allem durch die Mountainbiker, die sich immer zahlreicher in den Auwäldern im Münchner Süden vergnügen. Und dort eine "einzigartige Schatzkammer der Natur" zerstören, wie er sagt. Die will er stoppen. Unbedingt.

Bike-Festival in Willingen

Den Naturschützern sind sie ein Dorn im Auge - die Mountainbiker in den Isarauen. (Symbolbild)

(Foto: picture-alliance/ dpa)

An diesem Dienstagvormittag steht Siering zusammen mit Vertretern von Bund Naturschutz, dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) und dem Isartalverein in einem Waldstück südlich des Tierparks Hellabrunn. Ausgestattet mit einem weiß-roten Absperrband und zwei großen Stopp-Schildern plädieren die Naturschützer dafür, die wilden "Isartrails" für Mountainbiker zu sperren. "Früher war das hier mal ein schmaler Pfad", sagt Heinz Sedlmeier vom LBV. "Heute ist das eine vier bis fünf Meter breite Schlammwüste."

Tatsächlich haben die Mountainbiker im Waldboden tiefe Reifenspuren hinterlassen, den Pfad verbreitert, den Steilhang teils abgefräst und Wurzeln freigelegt. Pilzsporen, die ständig in der Luft sind, könnten so in die freigelegten Wurzeln eindringen und den Bäumen zusetzen, erläutert Siering. "Es dauert vielleicht noch 20 oder 30 Jahre - aber der Baum stirbt."

Von der Braunauer Brücke bis zum Karwendel hat die Europäische Union das Isartal unter besonderen Schutz gestellt. Es ist ein FFH-Gebiet, ein "Flora-Fauna-Habitat" - der höchste Schutzrang, den die EU vergeben kann. Seit der Eiszeit, sagt Vogelkundler Sedlmeier, habe sich das Gebiet kaum verändert. Während oben auf dem Hochufer die Wälder abgeholzt und wieder aufgeforstet und so intensiv genutzt wurden, habe sich unten ein Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten erhalten. Das sei bedroht.

Schuld sind aus Sicht der Naturschützer vor allem die vielen Mountainbiker. Es sei einfach nicht genügend Platz für alle da. Die Enge des Tals begrenze die Nutzung. Und wo Biker immer wieder über die Wege flitzen, hätten Vögel wie die Waldschnepfe, die am Boden brüten, schlicht keine Ruhe, sagt Siering - und damit keine Chance. "Die fliegen weg."

Bei den Bikern trifft der Ruf nach einer Sperrung der Isartrails indes auf Widerstand. "Natürlich bedarf es Regeln", sagt Stefan Herrmann, der in München-Solln eine Mountainbike-Academy betreibt. "Aber die Mountainbiker einfach aussperren - das geht nicht." Es sei ja wohl kaum im Interesse des Naturschutzes, wenn man sich erst ins Auto setze und in die Berge fahre, um dann dort dem Sport nachzugehen. Und wer mit Mountainbikern an der Isar spricht, der merkt, wie sehr noch immer der Streit über den "Bombenkrater" bei Grünwald schwelt. Vor zwei Jahren hatte der Landkreis das Gelände, das von Mountainbikern genutzt wurde, "in einer Nacht- und Nebelaktion dichtgemacht", wie Thomas Kleinjohann von der Deutschen Initiative Mountainbike klagt.

Die Jugendlichen, die dort mit ihren BMX- und Dirtbikes herumgekurvt waren, suchten sich nun andere Wege, ergänzt Herrmann - eben auch in den Isarauen. Nach langen Diskussion gebe es nun zwar eine neue Anlage in Oberföhring; aber die sei gerade für Leute aus dem Münchner Süden nur wenig attraktiv, weil zu weit weg.

Ohnehin ist damit das Problem der Touren-Mountainbiker, die lange Strecken zurücklegen wollen, nicht gelöst. Ihnen nützt ein solcher "Dirtpark" nichts. Lorenz Mayr von der Mountainbike-Gruppe des Alpenvereins München fordert daher ein "Management-Konzept" der Stadt. Der Mountainbiker sei kein "Standardradler", sagt er. "Der Mountainbiker sucht anspruchsvolles Gelände." Um "stadtnah und auch nach Feierabend trainieren zu können" müsse man gemeinsam mit Naturschützern und der Stadt ein Konzept entwickeln und "Bereiche für Mountainbiker ausweisen, die weniger exponiert sind", so Mayr. "Wir sind da gerne bereit, uns mit den Beteiligten an einen Tisch zu setzen." Eine Komplettsperre sei aber nicht akzeptabel.

Doch in diesem Punkt zeigen sich die Naturschutzverbände hartleibig. Da helfen auch keine Bitten aus dem Rathaus, so wie die von Grünen-Stadträtin Sabine Krieger, die am Dienstag die Kontrahenten aufrief, "aufeinander zuzugehen und einen Interessenausgleich anzustreben". Doch LBV-Mann Sedlmeier sagt klar: "Wir weichen von unserer Forderung nach einer Sperrung nicht ab." Auch nur kleinere Abschnitte für Mountainbiker freizugeben, sei nicht drin. In dem engen Tal sei eben nicht genügend Platz für alle, man müsse Prioritäten setzen. "Und hier ist jetzt mal die Natur vorne dran."

Das will auch Manfred Siering. Vor einiger Zeit fand er eine Schlingnatter tot auf einem der Isartrails. Ein Biker war mitten über das Tier gefahren. Der 65-Jährige nahm die Schlange mit und legte sie in Alkohol - "zur Beweissicherung", wie er sagt: "Ich leide persönlich mit, wenn ich sehe, wie hier jeden Tag ein Stück mehr die Natur zerstört wird."

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