Nationaltheater:Bierpfennig und Glückslose

Nationaltheater: Bis zum Jubiläumsjahr 1958 wurde es dann doch nichts mit dem Wiederaufbau des Nationaltheaters, wie ihn im Frühjahr 1957 die Freunde des Nationaltheaters noch an der Ruinen-Fassade propagierten. Doch die Münchner Bevölkerung spendete weiter großzügig, und im November 1963, mehr als 20 Jahre nach der Zerstörung des Hauses, feierte die Stadt die Wiedereröffnung.

Bis zum Jubiläumsjahr 1958 wurde es dann doch nichts mit dem Wiederaufbau des Nationaltheaters, wie ihn im Frühjahr 1957 die Freunde des Nationaltheaters noch an der Ruinen-Fassade propagierten. Doch die Münchner Bevölkerung spendete weiter großzügig, und im November 1963, mehr als 20 Jahre nach der Zerstörung des Hauses, feierte die Stadt die Wiedereröffnung.

(Foto: Otfried Schmidt)

Das Schicksal ihrer Oper lag den Münchnern schon immer am Herzen, gleich zweimal in der Geschichte des Hauses trugen sie zu seiner Wiedereröffnung entscheidend bei.

Von Jutta Czeguhn

Tombolieren, was für ein schönes, wunderbar altmodisches Wort. Was es damit auf sich hat? Und was das alles mit der Staatsoper am Max-Joseph-Platz zu tun hat? Sehr viel, wenn nicht alles: Auf einem Ruinengrundstück in der Neuhauser Straße veranstalten die Freunde des Nationaltheaters 1952 eine sechswöchige Tombola. Es ist nicht nur die unverzagte Lust des Menschen, am Glücksrad zu drehen, die die Münchner dort an die improvisierten Losbuden treibt. Es sind auch nicht prominente Losverkäufer wie Hans-Jochen Vogel oder die Liesl Karlstadt. Es ist auch die Liebe der Bürger zu ihrem Nationaltheater, das seit einem Fliegerangriff im Oktober 1943 immer noch als Ruine im Herzen der Stadt verfällt.

Die Münchner verknüpfen ihr Los, ihr Glück mit diesem Haus. Wie schon knapp 120 Jahre zuvor, als ihr Hof- und Nationaltheater in Flammen aufging, trotz verzweifelter Löschversuche mit heißem Wasser aus den Sudhäusern - Pumpen und Schläuche waren eingefroren. Damals spendeten die Menschen 300 000 Gulden für den Wiederaufbau und nahmen sogar die Extra-Steuer auf ihr Grundnahrungsmittel, den sogenannten Bierpfennig, in Kauf.

Ob Trinken für die Oper oder Glücksspiel - bei den Tombolas, Benefiz- und Klingelbeutel-Aktionen der Freunde kamen über die Jahre fünf Millionen Mark zusammen -, es ist eine besondere Beziehung der Menschen in dieser Stadt zu diesem Haus am Max-Joseph-Platz. Als das Nationaltheater nach fünf Jahren Bauzeit, für insgesamt 62,5 Millionen Mark, im November 1963 wiedereröffnet werden kann, dankt OB Vogel in der Festschrift: "München ist München geblieben. Auch der Wiederaufbau des Nationaltheaters hat dies bewiesen. Die Bürgerschaft hat eine so lebhafte und aktive Anteilnahme gezeigt, dass wir heute schon wissen: Es ging und geht hier nicht um die äußerliche Restaurierung einer großen und glanzvollen kulturellen Tradition, sondern um deren lebendige Fortführung in Gegenwart und Zukunft."

Und Jakob Baumann, einer der zwölf kunstsinnigen Münchner Bürger, die 1951 die Freunde des Nationaltheaters gegründet hatten, erinnerte: "Jahrelang wurde darum gerungen, ob und wie unser Nationaltheater am alten Platz wieder erstehen soll. Niemand war in dieser Frage gleichgültig, alle fühlten sich mitverantwortlich, von Amts wegen oder ganz einfach als Bürger dieser Stadt. Sage keiner, das sei selbstverständlich."

Noch bis Ende Dezember ist in der Staatsoper im Freunde-Foyer (Eingang Marstallplatz) während der Betriebszeiten eine Ausstellung über 70 Jahre Freunde des Nationaltheaters zu sehen.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung war fälschlicherweise davon die Rede, dass das Nationaltheater "knapp 100 Jahre" vor der Zerstörung 1943 schon einmal Opfer der Flammen geworden war. Es waren 120 Jahre. Der Brand hatte sich 1823 ereignet. Zudem kostete der Wiederaufbau der Staatsoper 62,5 Millionen Mark, nicht Euro.

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