Nationalsozialismus:Nur ein Hitler-Groupie oder "die gefährlichste Frau Münchens"?

Unity Mitford vor dem Braunen Haus in München, 1937

"Mehr Nazi als die Nazis selbst", urteilte der britische Geheimdienst 1937 über Unity Valkyrie Mitford, hier im Gespräch mit einem SS-Offizier vor dem Braunen Haus in München

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Eine neue Biografie enthüllt die wahre Rolle der jungen Britin Unity Valkyrie Mitford. Nur wenige Frauen waren dem NS-Diktator so nahe wie sie.

Von Hans Kratzer

Ausgerechnet eine junge Britin aus bestem Hause gehörte zum engsten Umfeld Adolf Hitlers: Unity Valkyrie Mitford, eine Cousine der Ehefrau des britischen Premiers Winston Churchill, galt lange als Randfigur des Nationalsozialismus. Eine neue Biografie zeichnet nun aber ein anderes Bild: "Ich blätterte gerade in der Vogue, da sprach mich der Führer an", heißt das Buch über die Frau, wegen der Hitlers Lebensgefährtin Eva Braun einen Selbsttötungsversuch unternommen haben soll.

"Das Leben der Unity Mitford hat bis heute Relevanz", sagt Autorin Michela Karl, die an der Münchner Hochschule für Politik lehrt. "Die Gefahr geht nicht so sehr von alten Nazis aus. Vielmehr von all den Unitys, die es zuhauf gibt." Die junge Engländerin aß mit Hitler, begleitete ihn zu den Reichsparteitagen und zu den Festspielen nach Bayreuth. "Sie war eine zentrale Figur des Nationalsozialismus, obwohl sie Engländerin war", sagt Karl.

Die Widersprüche in Mitfords Leben ließen die Autorin nicht mehr los. "Sie fuhr mit dem Cabrio durch München, glaubte an die Gleichheit der Geschlechter, posierte mit einer Ratte auf der Schulter" und "sonnte sich nackt im Englischen Garten". Das passte so gar nicht zu den Nazis, dennoch schrieb der britische Geheimdienst 1937, diese Frau sei mehr Nazi als die Nazis selbst.

Den Diktator stalkte Mitford regelrecht: "Wochenlang harrte sie an einem Tisch in Sichtweite von Hitlers Stammplatz im Lokal Osteria Bavaria aus." Später hätten sich die beiden "im Schnitt alle zehn Tage" getroffen - bis die Britin eines Tages mit einer Kugel im Kopf in München gefunden worden sei. Sie überlebte, die genauen Umstände sind aber bis heute nicht geklärt. Hitler habe dies "seelisch sehr erschüttert", am Abend nach einem Krankenbesuch habe er eine Veranstaltung im Bürgerbräukeller früher als geplant verlassen. Es war der Abend des missglückten Attentats von Georg Elser.

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