Narrenzeit:Wie sich der Fasching in München etablierte

Narrenzeit: Eine feierliche Inthronisation des Prinzenpaares.

Eine feierliche Inthronisation des Prinzenpaares.

(Foto: Narhalla)

Ein Umzug sollte vor 125 Jahren den Bierabsatz ankurbeln - es war die Geburtsstunde der Narrhalla.

Von Günther Knoll

Warum soll man eine Geschichte über die Münchner Narrhalla, die heuer 125 Jahre alt wird, ausgerechnet mit der Wiesn beginnen? Nun ja, das Oktoberfest hat dem Fasching längst den Rang abgelaufen, was Besucherzahlen, Gaudi und Kostümierung betrifft. Im speziellen Fall aber geht es um den Bierkonsum. Denn der soll im Jahr 1893 überhaupt dazu geführt haben, dass die Münchner "Carnevalsgesellschaft" gegründet wurde, die erst 25 Jahre später, 1908, den Beinamen Narrhalla erhielt.

Diese Neubenennung geschah bei einer Sitzung im Hotel Bayerischer Hof. Dort sitzt jetzt Günter Grauer, der amtierende Narrhalla-Präsident, und erläutert den Zusammenhang zwischen Bier und Faschingszug. Die Münchner Brauereien hätten damals neue Absatzmöglichkeiten gesucht, sagt Grauer, und seien dabei auf die Umzüge gekommen. Keine schlechte Idee, wie sich bald herausstellen sollte, denn die farbenfrohen Spektakel lockten die Münchner zu Zehntausenden auf die Straße, das Bier floss entsprechend. Die Carnevalsgesellschaft brauchte man als Organisator und Veranstalter. Und die konnte damals aus dem Vollen schöpfen, denn die Brauereibesitzer ließen sich das Treiben, an dem sie schließlich gut verdienten, auch einiges kosten.

"Guttäter" wurden Sponsoren damals genannt, und auf solche ist die Narrhalla auch heute noch angewiesen, selbst wenn sie keine Faschingszüge mehr organisiert. Das haben nach einer langen Durstperiode die Damischen Ritter übernommen, die närrische Konkurrenz sozusagen. Doch auch Bälle kosten Geld: Saalmiete, Technik, Live-Musik, Gema-Gebühren und und und ... Grauer klagt nicht, auch wenn die Brauereien heute nicht mehr zu den Sponsoren zählen. Es ist bei der Narrhalla nicht anders als bei anderen Vereinen auch: Ohne das Engagement der Mitglieder ginge nichts.

Die Aktiven unter den gut 500 Mitgliedern opfern in der närrischen Saison viel Zeit, denn die offiziellen Auftritte des Prinzenpaars mit Elferrat, Hofstaat, Garde und übrigem Anhang bei Bällen oder im Münchner Straßenfasching sind nur ein Teil des organisierten Treibens. Besonders gefragt sei man in Kindergärten, Altenheimen und karitativen Einrichtungen, berichtet der Präsident, der das offizielle knallrote Sakko der Narrhalla trägt. Das abzulegen, bleibe ihm in der diesjährigen kurzen Faschingssaison kaum Zeit, sagt er. Denn es reihe sich Termin an Termin, Auftritt an Auftritt. So wie eine Fußball-Elf mehr als elf Spieler braucht, so brauche auch ein Elferrat Ersatzleute, die einspringen können. Und die Garde sowieso, weil das Showprogramm anstrengend sei. In diesem Jahr feiert sich die Narrhalla selbst unter dem Motto "125 Jahre Münchner Leben".

Dass die Stadt davor keinen Fasching kannte, wäre jedoch ein Trugschluss. Schon seit dem 14. Jahrhundert sind närrische Tanzfeste am Hof überliefert. Im Jahr 1773 erhielt München für derlei Vergnügungen sogar einen eigenen Redoutensaal, der 1816 zweckentfremdet wurde - als Sitz der verfassungsgebenden Ständeversammlung. Die Bälle und Feste wurden immer bunter, aufwendiger und ausufernder. Tragische Berühmtheit erlangte ein Künstlerfasching im Jahr 1881, als unter dem Motto "Antarktis" Studenten der Kunstakademie als Eskimos auftraten. Die Kostüme gerieten in Brand, neun Menschen starben. Diese "Eskimotragödie" tat dem Treiben keinen Abbruch, die Münchner feierten Fasching ob als Bal paré oder bei Bauernbällen in den Wirtshäusern der Stadt. Noch bis vor Kurzem hatte fast jede Handwerkszunft ihren Ball, Ballett tanzende Metzgerburschen waren keine Sensation.

Das waren die Zeiten, als auch noch die Bewerberinnen für das Amt der Faschingsprinzessin Schlange standen. Beatrice Nawrath, heute für die Pressearbeit der Narrhalla zuständig, war selbst einmal närrische Hoheit. Aber Schlange, so sagt sie, stand sie dafür nicht, denn eigentlich habe sie mit dieser Art organisiertem Fasching nichts am Hut gehabt. Der damalige Prinz aber sei mit all den Kandidatinnen nicht klargekommen, so sei sie schließlich eingeladen worden zu einem Abend, bei dem man sie überzeugt habe. Um so größer die Enttäuschung, als die Narrhalla-Verantwortlichen bei der Wahl zunächst doch die letzte verbliebene Mitbewerberin vorzogen. Nur per Veto kam der Prinz dann doch zu seiner Auserwählten, die später auch seine Frau wurde. Zur Vorstellung am Viktualienmarkt fuhr die Prinzessin im Schneepflug aus dem elterlichen Betrieb vor.

Auch die Moderatorin Caroline Reiber war einmal Faschingsprinzessin. Noch nicht volljährig, brauchte sie eine Bestätigung des Oberbürgermeisters, um überhaupt in die Ballsäle zu gelangen. Noch heute treffen sich die ehemaligen närrischen Herrscher regelmäßig. Doch man schwelgt bei der Münchner Narrhalla nicht nur in der Vergangenheit, darin sind sich die Ex-Prinzessin und ihr Präsident, der natürlich auch schon Faschingsprinz war, einig. Immer wieder finde er Mitgliedsanträge in der Post, freut sich Grauer. Und bei den Bällen sei festzustellen, dass junge Leute offenbar wieder Spaß am Tanzen finden. Das können sie auch beim Großen Jubiläumsball "Soirée Münchner Leben" an diesem Samstag, 13. Januar, ab 20 Uhr im Deutschen Theater, bei dem Philipp Lahm den Karl-Valentin-Orden der Narrhalla erhält und für den es noch Karten gibt. Bereits am Freitag, 12. Januar, übergibt Bürgermeister Josef Schmid um 11.11 Uhr am Marienplatz symbolisch den Stadtschlüssel an Sebastian I. und Janina I.

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